
Festung Estadio Santiago Bernabéu
MADRID. Sich in der Saison 2017/18 von Juventus Turin beinahe noch den 3:0-Vorsprung abluchsen lassen, in der Spielzeit 2018/19 – nach drei Champions-League-Titeln in Serie – sang- und klanglos an Ajax Amsterdam gescheitert. Von der zuletzt ernüchternden Bilanz in den Clásicos ganz zu schweigen. Die Festung Estadio Santiago Bernabéu war einmal – Real Madrid hat aber bewiesen, dass es sie in unterschiedlichen Epochen immer wieder aufleben lassen kann.
Unvergessen sind das Saisonfinale 2006/07 oder diverse Last-Minute-Siege unter Trainer Zinédine Zidane, angefangen mit der unvollendeten Aufholjagd in der Liga-Rückrunde 2015/16. In internationalen Vergleichen, wenn die Scheinwerfer am Hellsten strahlen, sorgten Spezialisten und Mentalitäts-Monster im berühmten weißen Trikot aber für die größten Sternstunden. Ein Blick zurück auf die größten internationalen “Remontadas”, Aufholjagden der Königlichen, bei denen 90 Minuten besonders lang sein können.
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Europapokal der Landesmeister 1975/76
Schon im allerersten Wettbewerb, von Alfredo di Stéfano und Co. 1955/56 mit dem ersten Henkelpott gekrönt, deutete sich an, worauf in der spanischen Hauptstadt später aufgebaut werden sollte. Die Partien in der Fremde wurden in Viertel- (Partizan Belgrad) und Halbfinale (AC Mailand) zwar verloren, die Heimspiele jedoch deutlich gewonnen – das aber noch in umgekehrter Reihenfolge.
In der zweiten Turnierrunde 20 Jahre später, dem Achtelfinale entsprechend, setzte Real zur ersten großen Aufholjagd an. Nachdem das Hinspiel beim englischen Meister Derby County – inklusive zweier Elfmeter – 1:4 verloren ging, drehte das weiße Ballett den Spieß noch um: Legende Pirri, seinerseits vom Punkt, erzielte in der 83. Minute das 4:1, in der Verlängerung markierte Mittelstürmer Santillana mit seinem zweiten Treffer den umjubelten Schlusspunkt. Im Halbfinale war 1976 Endstation, der FC Bayern um Gerd Müller erwies sich über zwei Spiele als zu stark (1:1, 0:2).
- 22. Oktober 1975: Derby County 4:1 Real Madrid
- 5. November 1975: Real Madrid 5:1 n.V. Derby County
Europapokal der Landesmeister 1979/80
Landesmeister-Dauergast Celtic Glasgow stellte die Merengues im Viertelfinale 1979/80 mit einem 2:0-Heimsieg auf die Probe – dann mussten die Schotten nach Madrid reisen, wo Real wie entfesselt aufspielte. Abermals Santillana sowie der Deutsche Uli Stielike trugen sich in die Torschützenliste ein, in Minute 86 besorgte kein Geringerer als Kult-Figur Juanito das entscheidende 3:0. Es waren Jahre, in denen sich Spaniens Rekordmeister gegen deutsche Mannschaften schwer tat – eine Runde später kegelte der Hamburger SV das Team von Vujadin Boskov aus dem Wettbewerb (2:0, 1:5).
- 5. März 1980: Celtic Glasgow 2:0 Real Madrid
- 19. März 1980: Real Madrid 3:0 Celtic Glasgow

UEFA-Cup 1984/85
Inmitten der Dürreperiode, die den Pokal mit den großen Ohren betraf, verzückte eine mitreißende Mannschaft um die “Aggressive Leader” Juanito und Santillana ihre Fans mit zwei spektakulären Spielzeiten im damals durch die andere Aufteilung noch wesentlich prominenter besetzten UEFA-Cup.
In der zweiten Runde bei HNK Rijeka begann 1984/85 eine wilde Achterbahnfahrt: Spät gelang Isidro beim 1:3 in der Fremde immerhin das Auswärtstor, im Bernabéu machten die damaligen Jugoslawen dann keinen Stich. Juanito, Santillana und Jorge Valdano trafen allesamt in der Schlussphase und schossen ihre Farben (3:0) eine Runde weiter.
- 24. Oktober 1984: HNK Rijeka 3:1 Real Madrid
- 7. November 1984: Real Madrid 3:0 HNK Rijeka
Dort, es war das Achtelfinale, fügte der belgische Vertreter RSC Anderlecht den Merengues eine noch empfindlichere Niederlage zu. Diesmal gelang Spaniens Vorzeigeklub kein Auswärtstor, das 0:3 glich einer gewaltigen Hypothek. Nach nur 52 Minuten im Rückspiel stand es jedoch 6:1 für die Blancos, Jungstar Emilio Butragueño war mit einem Dreierpack vorangegangen. Kein weiterer Treffer kam hinzu, sehr wohl aber die “Remontada”.
- 28. November 1984: RSC Anderlecht 3:0 Real Madrid
- 12. Dezember 1984: Real Madrid 6:1 RSC Anderlecht
Im Halbfinale bei Inter Mailand unterlag die verjüngte Truppe – in diesen Jahren unter anderem trainiert von Di Stéfano, Amancio Amaro und Luis Molowny – mit 0:2. Gegen eine italienische Mannschaft der vermeintliche Knockout. Doch per 3:0-Erfolg im Rückspiel setzte allen voran Inter-Spezialist Santillana (Doppelpack) noch einen drauf, die Finalspiele gegen Videoton aus Ungarn wurden zu einer entspannteren Angelegenheit (3:0, 0:1).
- 10. April 1985: Inter Mailand 2:0 Real Madrid
- 24. April 1985: Real Madrid 3:0 Inter Mailand
UEFA-Cup 1985/86
Mission Titelverteidigung – im Achtelfinale drohte sie brachial zu scheitern. Borussia Mönchengladbach zerlegte die Königlichen am Bökelberg mit 5:1, wähnte sich schon als Sieger der Paarung. Dank eines späten Santillana-Doppelpacks und der Auswärtstorregel lachte Real Madrid aber einmal mehr zuletzt, das 4:0 im Bernabeú stellte vielleicht den Stimmungs-Höhepunkt der ehrwürdigen Geschichte des Bernabéus dar. Minuten vor dem Schlusspfiff ausgewechselt, vollführte Juanito beim Verlassen des Rasens etliche Freudensprünge. “Eine halbe Stunde vor dem Spiel waren wir uns alle sicher, dass wir weiterkommen”, umriss Butragueño die Einstellung der Blancos in diesen Tagen, in denen sie international als unbezwingbar galten.
- 27. November 1985: Borussia Mönchengladbach 5:1 Real Madrid
- 11. Dezember 1985: Real Madrid 4:0 Borussia Mönchengladbach
So war sich wiederum Inter Mailand im Halbfinale längst nicht sicher, ob der 3:1-Hinspielvorsprung groß genug war. “90 minuti en el Bernabéu son molto longo”, warnte Juanito in einem Mix aus spanischer und italienischer Sprache die “Nerazzurri”, die in der Tat sehr lange Minuten im königlichen Fußballtempel verlebten. Und ihrem gefürchtetsten Dämon gegenüberstanden: Santillana, inzwischen 33 Jahre alt, erzielte in der Verlängerung das 4:1 wie auch das 5:1 und schoss die Königlichen abermals ins Finale. Und Finals spielt Real bekanntlich nicht, es gewinnt sie – 5:1 und 0:2 gegen den 1. FC Köln.
- 2. April 1986: Inter Mailand 3:1 Real Madrid
- 16. April 1986: Real Madrid 5:1 n.V. Inter Mailand
Europapokal der Landesmeister 1986/87
Drei verrückte Jahre wurden – die “Quinta del Buitre” gewann 1986 die erste von fünf aufeinanderfolgenden Meisterschaften – im Landesmeister-Cup fortgesetzt. 2:4 unterlag Madrid im Viertelfinale bei Roter Stern aus Belgrad – 2:0 lautete das Rückspielresultat, Butragueño und Sanchís besorgten die Tore. Eine Runde später folgte nicht etwa die nächste “Remontada”, sondern das unglückliche Aus gegen den FC Bayern (1:4, 1:0). Vielleicht ja, weil Juanito – aus Gründen der Unsportlichkeit – im Hinspiel seinen letzten Auftritt im Europapokal erlebte. Es würde Jahrzehnte dauern, bis ein weiteres Mentalitäts-Monster (mit der Rückennummer 7) die Heim-Festung Bernabéu wieder ins Leben rufen sollte.
- 4. März 1987: Roter Stern 4:2 Real Madrid
- 18. März 1987: Real Madrid 2:0 Roter Stern
UEFA Champions League 2015/16
Als er es, gewohnt selbstbewusst per Ankündigung, zuletzt im Achtelfinale für Juventus tat, hätte man als Madridista wehmütig werden können. Cristiano Ronaldo per Hattrick. Im Viertelfinale 2016, nach einer blamablen 0:2-Niederlage beim VfL Wolfsburg, rettete CR7 den zwischenzeitlich entthronten Champion mit drei Toren im Bernabéu. Das nach 30 Jahren – die “Beinahe-Remontada” 2013 gegen Borussia Dortmund entfachte nur kurzzeitig Euphorie – wieder eine besonders magische Europapokalnacht geboten bekam. Einige Wochen später fand “la Undécima” den Weg in ihre Heimat – Reals elfter Europapokal sollte weiteren Zuwachs bekommen.
- 6. April 2016: VfL Wolfsburg 2:0 Real Madrid
- 12. April 2016: Real Madrid 3:0 VfL Wolfsburg
https://www.youtube.com/watch?v=90OL-gXupEs
To be continued…
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