Historie

Liverpool 1981: Real Madrids etwas anderes Finale

Als Real Madrid 1981 gegen den FC Liverpool sein bis heute letztes Finale um den Henkelpott verlor, hatte das einen ziemlich ungewöhnlichen Grund.

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Gegen Liverpools Defensive um Kapitän Phil Thompson blieb Madrids Mittelstürmer Santillana (li.) ziemlich blass. – Foto: imago/Colorsport

„Finals werden nicht gespielt, Finals werden gewonnen”, pflegt man im Kosmos Real Madrid gerne zu sagen. Es waren auch Worte aus dem Munde Santillanas, als die MARCA vor dem Champions-League-Finale 2018, das Real Madrid gegen den FC Liverpool mit 3:1 gewinnen sollte, einige Blancos aus dem Endspiel von 1981 versammelte.

37 Jahre vor dem königlichen CL-Hattrick in Kiew hatten es die Blancos im Prinzenpark zu Paris schon einmal mit den „Reds“ zu tun bekommen, die sich damals mit 1:0 durchgesetzt hatten. Was auch daran lag, dass Real Madrid dieses Endspiel im Europapokal der Landesmeister ganz und gar nicht vereinstypisch angegangen ist.

„Das damalige Liverpool war dieses Madrid“, erinnerte sich Verteidiger Andrés Sabido 2018. „Sie waren der Favorit, der englische Fußball dominierte Europa“, ergänzte Santillana. Zwischen 1977 und 1982 triumphierten in der Königsklasse in der Tat ausschließlich Klubs von der Insel – und wie Madrid 2018 seinen vierten Titel in fünf Jahren gewann, hatte sich der LFC 1981 seinen dritten in fünf geschnappt.

Drei Titel in fünf Jahren, aber …

Womöglich wäre ein selten spektakuläres, aber ziemlich ausgeglichenes Endspiel vor inzwischen 41 Jahren auch anders ausgegangen, wenn Real Madrid es angegangen wäre, wie Real Madrid Endspiele normalerweise angeht. „Der Plan war, auf 0:0 zu spielen und ins Elfmeterschießen zu kommen“, verriet Santillana 2018, „wir sind das Spiel nicht auf die richtige Weise angegangen“.

Der stolze Rekordsieger des Wettbewerbs, der sich zeitlich jedoch ziemlich in der Mitte seiner von 1967 bis 1997 andauernden Titeldürre befand, hatte sich durch einige Widrigkeiten selbst in die ungewohnte Rolle eines leicht unterwürfigen Außenseiters manövriert.

„Dass wir kurz zuvor die Meisterschaft verspielt hatten, setzte uns zu“, erklärte Torwart Agustin. „Die Erwartungen waren riesig, weil wir so lange kein Finale erreicht hatten“, fügte Vicente del Bosque an. „Wenn Uli Stielike, Juanito und Laurie Cunningham im Vollbesitz ihrer Kräfte gewesen wären …“, haderte Santillana. „Unser Finale hätte eigentlich das ein Jahr zuvor im Bernabéu sein sollen“, meldete sich erneut Agustin zu Wort.

Madrid suchte immer wieder die Schnelligkeit von Laurie Cunningham, doch der war nach langer Verletzungspause noch nicht wieder bei 100 Prozent – Foto: imago/Horstmüller

Doch 1980 waren die Merengues im Halbfinal-Rückspiel beim Hamburger SV kläglich mit 1:5 untergegangen – und ein Jahr später war der FC Liverpool längst nicht so gut aufgestellt, wie Santillana und Co. das vielleicht gedacht hatten: Superstar Kenny Dalglish war in den sechs Wochen vor dem Endspiel verletzt ausgefallen, ähnlich war es Alan Kennedy ergangen, der in der Schlussphase dessen einzigen Treffer schießen sollte.

Außerdem lagen Liverpools Europapokalerfolge bereits zwei Jahre zurück – seither waren die „Reds“ beide Male schon in der ersten Runde aus dem Turnier geflogen. 1981 wurde Liverpool in der Meisterschaft bloß Fünfter, während Real, das in Spanien immerhin Zweiter geworden war, national sogar fünf der vergangenen sechs Ligas gewonnen hatte.

Juanito macht alles

Doch auf dem Pariser Platz, „der in keinem guten Zustand war, weil dort zwei Wochen zuvor ein Rugby-Spiel stattgefunden hatte“ (Alan Kennedy), machte sich die von Santillana verratene seltsame Madrider Marschroute deutlich bemerkbar:

Real bot gleich sechs bis sieben tiefstehende, defensiv orientierte Spieler auf, die selbst in Ballbesitz regelmäßig hinter dem Ball blieben – sodass die Offensive nahezu überall auf dem Feld in Unterzahl war. Liverpools Schlüsselspieler Graeme Souness und Kenny Dalglish wurden von José Antonio Camacho und Rafael García Cortés in rigorose, aber effektive Manndeckung genommen, wodurch die Königlichen im Prinzip den Angriffsanspruch beider Mannschaften neutralisierten.

Die „ärmste Sau“ war der vor allem als Flügelspieler in Erinnerung gebliebene Juanito, der am 27. Mai 1981 Madrids omnipräsenter Alleinunterhalter war. Reals legendäre Nummer 7 lief als erster (und einziger) Angreifer bei Spielaufbau Liverpool (vergeblich) an, tauchte überall auf dem Feld auf, stellte sich als einziger spanischer Balltreiber heraus und schulterte mit gefühlt 20 (teils herausragenden) Steilpässen das gesamte Madrider Offensivspiel.

Camacho chippt zu hoch

Die beiden besten Chancen der Königlichen, die sich in den vier Runden zuvor gegen den FC Limerick, Honved Budapest, Spartak Moskau und Inter Mailand durchgesetzt hatten, hatte Souness’ Schatten Camacho, der den Ball kurz nach der Pause hastig über den weit vor seinem Tor stehenden „Reds“-Keeper Ray Clemence, aber auch knapp über den Querbalken hob.

Ein Finale, das Real Madrid mit einer anderen Herangehensweise auch gut und gerne hätte gewinnen können, wurde in der Schlussphase durch ein Tor entschieden, das laut seines ehrlichen Schützen „pures Glück“ war.

„Ich wollte nicht einmal zum Ball, sondern durch einen Lauf nur Platz für einen Mitspieler schaffen“, gestand Alan Kennedy ebenfalls 2018 gegenüber TRIBUNA, „und plötzlich sprang mir der Ball auf die Brust und genau in meinen Lauf. Ich wusste nicht, ob ich schießen oder flanken sollte und habe einfach draufgehalten. Auch der Torhüter hätte sich besser anstellen können.“

Besser anstellen konnte sich nach Liverpool in Paris 1981 auch Real Madrid, das seither in sieben weiteren Endspielen um den Henkelpott stand – und allesamt gewann. Weil man sich wahrscheinlich wieder darauf besann, Finals nicht einfach nur zu spielen.

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Baumgart's Fussballblog

Baumgart's Fussballblog ist für die „wahren“ Fußballfans. Nostalgie, Hintergrundberichte und interessante Fakten. Auch hier bei REAL TOTAL!

Kommentare
Angst zahlt sich eben nicht aus und Real Madrid sollte sowieso nie Angst haben müssen. Ich verfolge Madrid seit Mitte der achtziger Jahre und bisher gewannen wir jedes Europapokalfinale. Die UEFA-Cups 85 und 86, CL Finale 1998, 2000, 2002 und dann die letzten Titel 2014 und 2016-2018, ich erwünsche bitte die Fortsetzung "meiner Serie"...
 
Angst zahlt sich eben nicht aus und Real Madrid sollte sowieso nie Angst haben müssen. Ich verfolge Madrid seit Mitte der achtziger Jahre und bisher gewannen wir jedes Europapokalfinale. Die UEFA-Cups 85 und 86, CL Finale 1998, 2000, 2002 und dann die letzten Titel 2014 und 2016-2018, ich erwünsche bitte die Fortsetzung "meiner Serie"...
Ich hoffe auch die serie geht weiter
 

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