
„Für zwei Stunden das Virus vergessen“
MADRID. Spanien lockert die Maßnahmen im Kampf um die COVID19-Pandemie und langsam aber sicher keimt Hoffnung in der Fußballwelt auf. Auch Lucas Vázquez wünscht sich eine baldige Rückkehr auf den Rasen, warnt aber vor voreiligen Schlüssen: „Wir würden lieben gern die Saison zu Ende bringen, sofern die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. In erster Linie muss man verantwortungsvoll damit umgehen.“ Der Spanier sieht im Fußball eine positive Ablenkung von der Tragödie, die „gut für die Leute und die Gesellschaft“ sei. „Der Fußball macht glücklich, du vergisst für zwei Stunden das Virus“, so der 28-Jährige gegenüber THE GUARDIAN.
„Ohne Fans ist es seltsam, man hört alles“
Eine Fortsetzung der verbleibenden elf Spieltage wird es wohl nur ohne Zuschauer geben, denn Großveranstaltungen sind nach wie vor undenkbar. „Ich habe schon ohne Fans gespielt, das ist seltsam. Man kann kommunizieren und hört alles.“ Auch „jede Anweisung des Trainers“ sei dann deutlich zu hören und birgt Tücken: „Wenn der Trainer auf der anderen Seite des Spielfeldes steht und dir Anweisungen zuruft, kannst du immer den Lärm als Ausrede nehmen, wenn du nicht verstehst was er sagt. Bei leeren Rängen geht das nicht“, gibt der Flügelflitzer zu.
Ohne Zuschauer ist ein Saisonende im Estadio Alfredo Di Stéfano erdenklich, auch um die Bauarbeiten im Estadio Santiago Bernabéu nicht zu stören. Für die Nummer 17 ist das kein Problem: „Das Spielfeld im Alfredo Di Stéfano hat dieselbe Größe wie im Bernabéu, also wäre es nicht allzu verrückt.“
„…und über Nacht bist du plötzlich ganz alleine“
Der 1,73 Meter große Flügelspieler hatte in den ersten Tagen der Quarantäne einige Schwierigkeiten, sich an die Abschottung zu gewöhnen: „Wir sind es gewohnt, zu arbeiten, zu trainieren, zu reisen. Wir sind immer zusammen, mit 30 Personen… und über Nacht bist du plötzlich allein.“ Ungewohnt war es auch für die Familie, dass der Fußballspieler plötzlich rund um die Uhr Zuhause war. „Am dritten Tag der Quarantäne sagte mir mein Hund, dass er einen freien Tag will“, scherzt der Spanier und freut sich über die mittlerweile rückläufigen Infektionsraten. „Nach und nach kommen gute Nachrichten. Die Zahlen fallen und wir haben die Hoffnung, dass alles zur Normalität zurückkehrt.“
Bis es soweit ist, verzichten die Stars bei Real Madrid auf zehn Prozent ihres Gehalts. Die Gehaltskürzungen der Spieler, durch die den Vereinsmitarbeitern weiterhin das volle Gehalt zugesichert wurde, begrüßt Lucas: „Sie (die Vereinsführung; d. Red.) sprachen zuerst mit (Sergio) Ramos, denn er ist der Kapitän – dann hat er es uns erzählt. Wir haben es in einer Besprechung diskutiert und abgewägt, dass es das beste für alle Beteiligten sei.“ Die „vielen Mitarbeiter“ zählen für den Spieler ebenso zur „großen Familie dieses großartigen Klubs“, weswegen die Gehaltskürzung für ihn „zweifelsohne eine richtige Entscheidung“ ist.
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Vom Dorf in die Fußball-Hauptstadt
Als der damals 15-jährige Jugendspieler seiner Heimart Curtis in Galizien den Rücken kehrte, um in der Hauptstadt sein Glück zu versuchen, wusste wohl niemand, wie die Geschichte weiter gehen würde. „Es gibt 2.000 Einwohner und jeder kennt sich. Ein typisches kleines Dorf mit Bauernhöfen und solchen Dingen. Mit 15 Jahren von da in eine Stadt mit vier Millionen Einwohnern zu wechseln, ist enorm“, erinnert sich der heute 28-Jährige. Sein Heimatdorf habe zwar „einige Leute, die gute Dinge getan haben“, doch niemand von denen habe „drei Champions-League-Titel gewonnen“. „Es gab gute Momente und auch schlechte. Du musst stark sein, deinen Weg finden und glauben. Ich würde es sofort wieder so machen, mit geschlossen Augen.“
Wechsel in die Premier League? „Ist attraktiv und passt zu mir“
Seinen eigenen Spielstil definiert er als „klassischer Flügelspieler“, dennoch bevorzugt er den modernen Fußball: „Der Fußball von früher? Ich bevorzuge den heutigen, die Plätze haben keinen Schlamm.“
Mit seinem Spielstil kann sich der dreimalige Champions-League-Sieger auch ein Engagement in der englischen Premier League vorstellen: „Als ich klein war, habe ich mit meinem Bruder immer die Premier League geguckt. Der Fußball ist sehr attraktiv, er könnte zu meinen Eigenschaften und meinem Charakter gut passen.“ Ein Hinweis zu einem Wechsel in die Premier League? „Ich möchte meine Karriere bei Real Madrid beenden, aber im Fußball weiß man nie“, lässt der Galizier die Zukunft offen.
Solange Zinédine Zidane Cheftrainer der Königlichen bleibt, dürfte auch Vázquez einen Platz sicher haben – schließlich gehört er zu den Spielern mit den meisten Einsätzen unter dem Franzosen. „Zidane ist sehr transparent. Ob positiv oder negativ, er sagt dir die Dinge immer ins Gesicht“, so die Worte des Schützlings über seinen Trainer.
„Im Champions-League-Finale hatte ich keine Angst“
Auch wenn die Nummer 17 nicht von allen als Weltklasse-Fußballer gesehen wird, ist sein Kampfgeist und Siegeswille jedem bekannt. Für Zidane ist Vázquez der perfekte Ergänzungsspieler und spätestens im Champions-League-Finale 2016 bewies der Spanier Nerven, als er selbstbewusst den ersten Strafstoß antrat und sicher versenkte. Unvergessen die Momente, in denen er den Ball auf dem Finger kreisend in Richtung Sechzehner lief und den ersten Schritt in Richtung „La Undécima“ machte. „Ich wusste, dass ich treffen würde“, erklärte er schon 2017 sein entspanntes Auftreten. „Ich hab mir nicht in die Hose gemacht, wahrscheinlich weil ich nicht realisierte, was auf dem Spiel stand“, gibt er nun zu. „Leute fragten mich, wieso ich schießen wollte. Wieso sollte ich nicht schießen? Ich war mir sicher, dass ich treffen würde“, erklärt er die entscheidenen Momente.
„Auf dem Weg von der Mittellinie zum Elfmeterpunkt dachte ich nur ‘Mach ihn rein, mach ihn rein’. Ich habe drei Champions-League-Titel gewonnen. Es klingt unglaublich und es wäre phantastisch, es zu wiederholen.“ Überhaupt lässt der Rechtsfuß lieber Taten als Worte sprechen, da man mit „großen Tönen vor den Mikros“ nichts gewinnen würde. „Der mentale Part ist im Spiel sehr wichtig. Manchmal beschweren sich die Fans und denken, wir wollen verlieren – aber wir sind keine Maschinen.“ Dieses heute so wichtige Selbstbewusstsein musste der spanische Nationalspieler auch erst lernen, wir er im Interview gestand: „Wenn ich früher schlecht gespielt habe, machte mich das zwei Tage lang fertig. Im Laufe der Jahre lernst du aber dazu. Du musst wissen, was du falsch gemacht hast und warum – dann verbesserst du das. Man muss mit dem Druck leben.“
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