
„Hätte mir gewünscht, dass wir die Situation anders lösen“
MADRID. Letzten Endes waren es dann doch bloß drei Jahre. Als Mesut Özil nach der Weltmeisterschaft 2010 von Werder Bremen zum großen Real Madrid gewechselt war, hatte er das Bild vor Augen, dieses mystische weiße Trikot eine ganze Weile lang zu tragen. Anfang September 2013, unmittelbar nach der 101 Millionen Euro teuren Verpflichtung von Gareth Bale, nahm sein Aufenthalt bei den Königlichen schließlich ein plötzliches Ende – obwohl er wenige Tage vorher noch betont hatte, er werde definitiv bleiben.
Im Zuge von Verhandlungen über einen neuen Vertrag hatte es sich sein Vater Mustafa zuvor mit Florentino Pérez verscherzt, zu viel Geld gefordert und letztlich die Bürotür des Präsidenten zugeknallt. Für Pérez war klar: Beim erstbesten Angebot wird die Nummer 10 verkauft – sofort. Der FC Arsenal schlug zu, überwies rund 50 Millionen Euro.
Özil, der seine aktive Karriere als Fußballer kürzlich für beendet erklärte, hätte sich rückblickend alles etwas anders vorgestellt. „Zu dem Zeitpunkt erschien mir das richtig, weil ich mir nach dem Streit zwischen meinem Vater und Pérez Sorgen gemacht hatte, dass ich keine Spielminuten mehr bekomme, wenn ich nicht gehe. Von daher: schwierig zu sagen. Aber natürlich hätte ich mir damals gewünscht, dass wir die Situation anders lösen“, sagte der 34-Jährige in einem Interview mit der Sportzeitung MARCA.
Özil über Pérez: „Könnten wieder ganz normal sprechen“
Er habe sich „schlecht gefühlt“ und sei „sehr traurig“ gewesen, „als ich Madrid verließ. Ich erinnere mich, am Flughafen… uff. Es waren für mich drei sehr gute Jahre bei Real und in dieser Stadt, ich war wirklich glücklich. Aber es sind Dinge passiert. Zu Saisonbeginn hatte ich nicht mehr so viele Einsatzminuten und es entstand ein Konflikt zwischen Pérez und meinem Vater. Wir mussten einen neuen Klub suchen. In dem Moment, als das Flugzeug abhob, kamen mir die Tränen. Das war der Moment, als ich merkte, dass es vorbei war“.
Für ihn persönlich ist der Zwist mit Pérez mittlerweile aus der Welt. „Mein Abgang ist schon lange her. Ich habe nun mit niemandem mehr ein Problem. Ich bin mir sicher, dass wir wieder ganz normal sprechen könnten. Ohne Problem“, so Özil, der seit seinem Abgang nicht wieder im Estadio Santiago Bernabéu gewesen ist: „Ich war beim letzten Champions-League-Finale in Paris, um Real Madrid zu unterstützen, natürlich. Leider war es in den vergangenen Jahren wegen meiner Termine bislang nicht möglich, ins Bernabéu zurückzukehren. Es wäre eine Freude für mich, das eines Tages zu tun.“
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— MARCA (@marca) March 23, 2023
Mesut Özil: Darum ging ich nicht zu Barça
Özil sprach außerdem über…
…seinen Wechsel im Sommer 2010 und die Entscheidung gegen den FC Barcelona: „Es war damals eine Entscheidung zwischen Real Madrid und Barcelona. Am Ende war es keine Frage des Geldes. Ich habe Madrid und Barcelona jeweils besucht und José Mourinho hat den Unterschied ausgemacht. Es war von ihm für mich ein VIP-Besuch bei Real Madrid, ich habe das Stadion und all die Trophäen gesehen, bekam eine Gänsehaut. Der Besuch in Barcelona war weniger begeisternd – und was mich am meisten enttäuschte, war, dass sich Pep Guardiola nicht die Mühe machte, mich zu treffen. Vor dieser Reise hatte mir der fußballerische Stil von Barcelona gefallen und ich konnte mir wirklich vorstellen, bei ihnen zu spielen. José Mourinho war zweifellos der wichtigste Faktor bei meiner Entscheidung. Nach meinen Besuchen war meine Entscheidung zu 100 Prozent klar: Ich wollte ein Madridista werden.“
…seine Vorstellung in Madrid: „Ich war 21 Jahre alt, hatte bereits eine Weltmeisterschaft mit Deutschland gespielt, hatte mit Werder europäische Erfahrung gesammelt. Aber das an diesem Tag hatte ich nie zuvor erlebt. So viele Fotografen und Journalisten, die sich nur auf mich fokussieren. Es war kein leichter Tag, ich war sehr nervös. Aber es war ein sehr besonderer Tag. Es gibt keinen Klub, der so wie Real Madrid ist, was Präsentationen angeht. An diesem Tag wird dir bewusst, dass du auf ein anderes Level kommst.“
Mesut Özil: „Cristiano der Beste der Geschichte“
…die Real-Fans: „Die Fans von Madrid sind wirklich unglaublich. Selbst zehn Jahre nach meinem Abgang aus Madrid bekomme ich noch Unterstützung und eine spektakuläre Zuneigung der Fans. Es ist wirklich unglaublich. Ich glaube, wir haben drei sehr schöne Jahre zusammen erlebt. Drei Jahre, die die Fans genossen haben und in denen sie gesehen haben, dass ich alles für den Klub gab. Ich bin ehrlich: Ich hätte nicht erwartet, dass sich diese Unterstützung über eine so lange Zeit hinzieht. Von daher kann ich den Madridistas nur danken.“
…José Mourinho: „Jeder kennt bereits meine Kabinen-Anekdote mit ihm (lacht). Aber dennoch hatten wir eine großartige Beziehung. Er wusste immer, wie er mich motiviert, wie er mich täglich besser macht. Er ist ein unglaublicher Trainer und ich bin stolz, für ihn gespielt zu haben. Für mich ist José Mourinho der beste Trainer dieses Jahrhunderts. Sein taktisches Verständnis ist etwas anderes, aber auch seine Art, in der Kabine zu sprechen… Und wie er sein Team immer vor der Presse schützt! Er ist wirklich ein Weltklasse-Trainer.“
…Cristiano Ronaldo: „Es hat viel Spaß gemacht, mit Cristiano Ronaldo zu spielen. Für mich ist er der beste Spieler der Geschichte. Wir haben uns auf dem Platz sehr gut verstanden, es lief perfekt. Ich habe Bälle vorbereitet und er hat sie verwandelt. Einem Spieler Pässe zu geben, der fast nie scheiterte, war ein Geschenk.“
Mesut Özil: „Team hätte Champions League verdient gehabt“
…Sergio Ramos: „Sergio Ramos ist der beste Verteidiger, mit dem ich zusammenspielte. Und der am meisten Charakter besaß. In der damaligen Zeit war er noch sehr jung, aber er hatte schon eine sehr starke Mentalität. Er war unglaublich. Es war klar, dass er Real Madrid früher oder später zu einem Champions-League-Titel führen würde. Er ist ein wahrer Chef. Damals war er einer meiner besten Freunde. Wir hatten viel Spaß zusammen und haben neben dem Training viel Zeit verbracht. Er war entscheidend, dass ich mich bei Real Madrid schnell eingewöhnt habe, er half mir sehr.“
…die Clásicos zu seiner Real-Zeit: „Ich glaube, ich habe die beste Clásico-Epoche miterlebt. Madrid gegen Barça in der Blütezeit. Selbst in einem Halbfinale der Champions League. Es waren Spiele, die alles hatten. Es war Mou gegen Pep, Cristiano gegen Messi… Mittlerweile hat der Clásico an Intensität und Emotion verloren, würde ich sagen. Barcelona damals zu schlagen, war wie ein Orgasmus. Ich muss auch sagen, dass unsere 0:5-Niederlage in der Liga im Jahr 2010 einer meiner größten Alpträume auf einem Fußballfeld waren. Ich habe viele Spiele bestritten, viele Derbys absolviert, aber ich glaube, es gab nichts wie diese Clásicos.“
…den mit Real stets verpassten Champions-League-Titel: „Die Champions League zu gewinnen, war einer meiner Träume, ja. Aber so ist das Leben, man kann nicht alles haben. Ich würde die Champions League nicht gegen die Weltmeisterschaft eintauschen. Von allen Halbfinals mit Real Madrid würde ich sagen, dass das gegen Dortmund mir am meisten wehgetan hat. Einerseits, weil ich ein Schalker bin. Und andererseits, da wir nahe dran waren. Wir hatten im Hinspiel die Kontrolle verloren und wurden dafür hart bestraft. Das Rückspiel war… Wir waren unglaublich stark, das Bernabéu war einzigartig, aber uns fehlte ein Tor. Diese Mannschaft hätte sich eine Champions League verdient gehabt.“
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