
Man mag ja von Ramón Calderón und seiner Transferpolitik halten, was man will: Die weit verbreitete Ansicht, der Vorgänger von Florentino Pérez habe nur Altlast oder Unbrauchbares gen Estadio Santiago Bernabéu gelotst, ist absolut ungerechtfertigt. Man muss nur einmal den heutigen Kader von Real Madrid durchgehen und bei der Postion des linken Abwehrspielers innehalten. Nach den gigantischen Fußstapfen, die der mit Monsterschenkeln ausgestattete Wirbelwind Roberto Carlos hinterließ, hätte ich es nie auch nur ansatzweise für möglich gehalten, noch einmal so viel Spaß an einem Außenverteidiger haben.
Ein gewisser Marcelo Vieira da Silva Júnior hat mich, hat uns alle eindrucksvoll eines Besseren belehrt. Zehn Jahre ist der Wuschelkopf nun schon offiziell ein Mitglied der Real-Familie. Sein Idol und Mentor Carlos hat noch ein Jahr und einen Champions-League-Titel Vorsprung, doch beide stehen für mich mittlerweile auf einer Stufe.
Eine Hausnummer, wenn man bedenkt, dass die Königlichen ihre Spielzeuge gerne gegen neue eintauschen. Doch Marcelo hat, auch wenn er nicht als Pérez’scher „Galáctico“ ins Santiago Bernabéu kam, den Legenden-Status erreicht. Sein Werdegang vom Teenager mit kurzen Haaren und schüchternem, pubertären Lächeln zum unverzichtbaren Leistungsträger, Kapitän und Publikumsliebling macht jeden Madridista stolz – und zeigt, was in der Welt des Fußballs alles möglich ist.

Mit zarten 18 Jahren von Fluminense Rio de Janeiro verpflichtet, wurde Marcelo wegen seiner defensiven Schwächen schon früh als Flop und Streichkandidat abgestempelt. Sein taktisches Wissen reiche nicht für den europäischen Fußball aus, hieß es vonseiten der spanischen Presse. Doch er biss sich durch. Mithilfe von Trainern wie Fabio Capello oder José Mourinho lernte, den immensen Druck in positiven Ehrgeiz umzuwandeln und unbekümmert, aber dennoch akribisch zu arbeiten. Daraus entstand eine unglaubliche Konstanz, die ihn ganz nach oben brachte.
Es fühlt sich fast schon an, als sei er aus der eigenen Jugend. Jedenfalls haben es nicht viele Ausländer im weißen Trikot geschafft, so lange zu bleiben und zu glänzen. Auch als Mensch. Mit seiner herzlichen, stets gut gelaunten Art verkörpert er Solidarität und Teamspirit wie kein zweiter. Er ist die perfekte Mischung aus Fußballstar und Entertrainer. Wie kann man diesen Brasilianer nicht lieben?

Kurzum: Wer heute den trickreichsten und neben Filipe Luís und David Alaba besten Linksverteidiger der Welt sehen möchte, kommt ins Bernabéu. Es lohnt sich.
GRACIAS, MARCELO! Für alles. Und das, was noch kommt…
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