
Real Madrid übersteht die Achterbahnfahrt
RIAD. 0:1, 1:1, 2:1, 2:2, 2:3, 3:3, 4:3, 5:3: Real Madrid und Atlético haben am Mittwoch im saudi-arabischen Riad zur Eröffnung der Supercopa de España Werbung für den spanischen Fußball betrieben. Beide Lager erlebten eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Die positiven waren am Ende den Königlichen vergönnt, die in der Verlängerung zwei Tore nachlegten. Die Blancos haben am Sonntag im Finale (20 Uhr) gegen den FC Barcelona oder CA Osasuna nichts anderes als den 13. Supercopa-Triumph in ihrer Historie im Visier.
Auch wenn dieses Spektakel mit seinen acht Toren als eines der besonders denkwürdigen in die Derby-Geschichte eingeht, sorgt im Nachhinein nicht das große Ganze, sondern eine Personalie für Diskussionsstoff: Kepa Arrizabalaga, der beim 2:2 einen vielleicht nicht ganz unhaltbaren Ball passieren ließ – und vor allem beim 2:3, als er ein Eigentor verursachte. Er sprang nach einer Hereingabe hoch zum Ball, wurde dabei gestört. Arrizabalaga fiel das runde Leder an den linken Fuß und folglich in die eigenen Maschen. Keine gute Bewerbung als wieder klare Nummer eins, die er vor seiner Adduktorenverletzung war.
Was spricht für ein Festhalten an Kepa Arrizabalaga?
Der vom FC Chelsea ohne Kaufoption bis zum 30. Juni ausgeliehene Keeper erhielt im Halbfinale den Vorzug vor Andriy Lunin. Das Wechselspiel ging in die nächste Runde. Nachdem sich Arrizabalaga im Dezember aus seiner etwa dreiwöchigen Zwangspause zurückgemeldet hatte, kamen nun beide jeweils viermal zum Zug. Die Nummer 25 kassierte gegen Union Berlin (3:2), Deportivo Alavés (1:0), den Arandina CF (3:1) und Atlético sechs Treffer. Die Nummer 13 wirkte derweil nur in LaLiga mit, griff dabei gegen den FC Granada (2:0), Real Betis (1:1), den FC Villarreal (4:1) und den RCD Mallorca (1:0) bloß zweimal hinter sich. Aber klar: Gegentreffer sind eine Frage der gesamten Defensive.
Jedoch muss dieser nackte Vergleich auch gar nicht der Grund dafür sein, weshalb Carlo Ancelotti demnächst primär auf Lunin setzen könnte. Der Trainer hatte ursprünglich geplant, sich zur Rückkehr nach Weihnachten festzulegen, wer in der Rückrunde die Nummer eins ist, solange Thibaut Courtois nach dessen Kreuzbandriss von Mitte August noch fehlt. Diesen Plan schob er dann etwas unentschlossen wirkend doch wieder beiseite, weil sich die Keeper seiner Ansicht nach einfach nicht so viel nehmen. Und wenn dem so ist, gibt es unter Berücksichtigung der mannschaftlichen Ziele kaum einen Grund, an demjenigen, der gerade keine so gute Figur machte, festzuhalten – und somit denjenigen, der bislang nicht wirklich gepatzt hat und in einer guten Form ist, außen vor zu lassen.
Arrizabalaga noch im Supercopa-Finale, danach Lunin?
Als „Carletto“ einst immer mal wieder mit der Reservistenrolle von Eden Hazard konfrontiert wurde, meinte er, er sei in erster Linie Trainer von Real und nicht Trainer von Hazard. Heißt: Der Italiener trifft personelle Entscheidungen auch so, um selbst am Ende gut dazustehen. „Ich werde Spiel für Spiel den Torwart wählen, bei dem ich in dem Moment mehr Vertrauen habe“, sagte er Anfang Januar über seine beiden Schlussmänner. Sein Gefühl bei Lunin wird nun sicherlich nicht schlechter sein als bei Arrizabalaga, den Real ohnehin keine fünf Monate lang mehr braucht und der nicht zum ersten Mal Schwächen offenbarte. Ein denkbares Szenario, sofern der Leih-Keeper keine absolute Weltklasse-Paraden im Finale auspackt: Ancelotti plant ihn voll und ganz für die Supercopa ein, um danach aber legitim wieder Lunin aufzubieten. Mit jeder fehlerfreien Leistung wäre es dann wahrscheinlicher, dass der Ukrainer die erste Wahl für die großen Spiele wird.
Reicht es für Arrizabalaga vielleicht nur noch zu ein paar kleineren Gegnern, solange sein Konkurrent keinen Bock schießt? Oder bekommt der 29-Jährige die Spiele in den Pokal-Wettbewerben und der 24-Jährige weiterhin eher die in der Liga? Fragen über Fragen, bis Courtois zurückkehrt. Der Belgier trainierte zuletzt erstmals wieder individuell auf dem Rasen. Mit einem Comeback ist aber wohl erst im April oder Mai zu rechnen.
???? Lunin’s wife: “For sure, number 1.” pic.twitter.com/fU4QCvb6y1
— Madrid Xtra (@MadridXtra) January 10, 2024
Real Madrid: Keine gute Kaderbreite, aber gute Kadertiefe
Nur vier Angreifer, darunter bloß ein echter Mittelstürmer. Nur noch zwei etatmäßige Innenverteidiger, die fit und einsatzbereit sind. Dafür sieben starke Mittelfeldspieler. Dass Reals Kader diese Saison keinen sonderlich gut ausbalancierten Eindruck macht (Quantität), ist hinlänglich bekannt. Abgesehen von dem dünn besetzten Abwehrzentrum, für das die Führungsriege keinen Handlungsbedarf auf dem offenen Winter-Transfermarkt sieht, wird immerhin mehr und mehr eine gute Tiefe im Team (Qualität) sichtbar.
Bedeutet: Die Profis, die wenigstens da sind, spielen nahezu allesamt auch eine wichtige Rolle. Die Zeit der „Kaderleichen“ mit Gareth Bale, Luka Jović, Isco, Jesús Vallejo, Mariano Díaz oder Álvaro Odriozola ist vorüber. Gegen Atlético konnte Ancelotti von der Bank aus Toni Kroos, Eduardo Camavinga, Brahim Díaz, Joselu und Arda Güler einwechseln. Brahim erzielte den 5:3-Endstand, Joselu war als Zielspieler im Strafraum direkt am 4:3 beteiligt. „Carletto“ vertraut all diesen Akteuren regelmäßig, hatte dementsprechend keine Scheu, mit Vinícius und Rodrygo seine zwei Sturm-Asse zur zweiten Halbzeit der Verlängerung auf einen Schlag vom Feld zu nehmen.
Real mag mehr oder weniger über eine feste Anfangsformation verfügen, stünde ein bedeutendes Champions-League-Spiel an. Aber: Je mehr zuletzt verletzte Stars das Team zurückgewinnt, desto mehr entsteht ein Gefüge, in dem insgesamt 15, 16, 17 Akteure einen bedeutenden Beitrag leisten können. Sie halten das Qualitätslevel in der Elf hoch. Das macht Hoffnung auf eine auch erfolgreiche Rückrunde.
Er menschelt: Bellingham erlebt erstes Scorer-Tief
Premiere für Jude Bellingham: Der Engländer kommt als Profi von Real Madrid erstmals in drei Einsätzen in Folge auf keinen Scorerpunkt. Kein Tor, keine Vorlage. Nachdem er am 17. Dezember im Estadio Santiago Bernabéu gegen den FC Villarreal (4:1) das Führungstor geköpft hatte, blieb er gegen Deportivo Alavés (1:0), den RCD Mallorca (1:0) und nun Atlético ohne Treffer und ohne Assist. Ja, er ist tatsächlich auch nur ein Mensch. Wobei auch ein menschelnder Bellingham mit seinem Engagement und Einsatzwillen in Offensive und Defensive für die Mannschaft nach wie vor kaum wegzudenken ist. Von REAL TOTAL erhielt er für seine Auftritte in den drei Partien die Noten 3, 2 und 2,5. Schlecht ist das nicht!
Seine Bilanz bei den Königlichen lautet jetzt: 23 Pflichtspiele, 17 Tore, fünf Vorlagen. Immer noch eine großartige Ausbeute, die ihm so vor der Saison sicher niemand zugetraut hatte. Also: Dieses Tief, wenn man es denn wirklich so nennen möchte, muss man ihm verzeihen. Erst recht, wenn es am Sonntag im Supercopa-Finale ein Ende findet. Und erst recht, wenn es dabei gegen Barça zur Sache geht. Oder halt gegen Osasuna, solange am Ende auch mit seinem Anteil der Titelgewinn zu Buche steht.
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