
Real Madrid im UEFA-Cup? Das hört sich einfach nicht richtig an.
Auch nicht in Zeiten, in denen die Königlichen international immer mal wieder vermöbelt wurden oder fünfmal hintereinander die spanische Meisterschaft verpassten. In denen der Madridismo lieber die Spiele der Castilla besuchte und die eigene Jugend schließlich übernehmen musste, damit der Erfolg zurückkehrte.
Doch 1984/85, als die Blancos während der Saison sowohl den Vorsitzenden als auch den Trainer wechselten (Luis Molowny übernahm im April 1985 für Amancio Amaro) und nicht über Ligaplatz fünf sowie das Pokal-Achtelfinale hinauskamen, setzten sie schließlich alles auf diese ungewohnte Karte.
Was dabei herauskam, ist noch aus heutiger Sicht spektakulär.
Wacker Innsbruck markierte den Anfang – und bereits in der ersten Runde (keine Gruppenphase) zeichnete sich eine verdächtige Tendenz ab: Auf das souveräne 5:0 im Bernabéu folgte ein eher unrühmliches 0:2 im Rückspiel beim Außenseiter.
Skandal um Damir
Auswärtsspiele – damit konnte man das Madrid dieser Ära jagen. Und dann musste es selbst jagen, den teils peinlich zustande gekommenen Rückständen hinterher. So geschehen etwa in der zweiten Runde gegen den kroatischen Vertreter HNK Rijeka, der die Blancos komfortabel mit 3:1 geschlagen hatte.
Um das Rückspiel in Madrid, das Real mit 3:0 gewann, ranken sich bis heute große Betrugsvorwürfe. Die Königlichen bekamen einen schmeichelhaften Elfmeter zugesprochen, gleich drei Spieler der Gäste den roten Karton unter die Nase gehalten. Der taubstumme Damir Desnica flog angeblich, weil er sich beim belgischen Schiedsrichter Roger Schoeters beschwert haben soll.
Ob wirklich etwas im Argen gelegen hatte? Schoeters wurde von der UEFA jedenfalls nicht mehr eingesetzt. Die Madrilenen bewiesen indes, dass sie gutgemeinte Zuwendungen gar nicht mal so unparteiischer Unparteiischer überhaupt nicht nötig hatten.
Zwei verschiedene Mannschaften
Nach der 0:3-Niederlage im Achtelfinale gegen Anderlecht, als übrigens auch der RSC als Heimteam einen schmeichelhaften Elfmeter zugesprochen bekommen hatte, überrollten furiose Merengues die Belgier im Rückspiel mit 6:1. Selten wurde deutlicher, dass Real Madrid auswärts und Real Madrid zu Hause in den 80er Jahren zwei völlig verschiedene Mannschaften waren.
Prompt stellte sich das Viertelfinale gegen Titelverteidiger Tottenham quer, in dem Real als Außenseiter tatsächlich an der White Hart Lane gewann – allerdings nur durch ein Eigentor. Ein 0:0 in Madrid genügte Real, doch auch diese Runde kam nicht ohne Polemik aus: So beschwerten sich die Spurs etwa nicht zu Unrecht, dass ihnen in beiden Spielen ein höchstwahrscheinlich regulärer Treffer verwehrt worden war.
Der Mythos von den 90 Minuten
Als das Halbfinal-Hinspiel bei Inter Mailand – nach dem Amancio durch Molowny ersetzt wurde – mit 0:2 verloren gegangen war (auch Inter bekam einen fragwürdigen Strafstoß zugesprochen), hätten sich die Nerazzurri eigentlich schon denken können, was ihnen der mystische Juanito ein Jahr später multilingual erklärte:
90 Minuten im Bernabéu waren verdammt lang.
Natürlich traf Inter-Schreck Santillana doppelt, als aufgedrehte Blancos auch diesen Rückstand vergessen machten – wobei die drei Tore ohne Uli Stielikes Rettungstat auf der Linie nicht gereicht hätten.

19 Jahre nach seinem letzten internationalen Triumph und nach drei verlorenen Endspielen (1981 gegen Liverpool im Europapokal der Landesmeister sowie 1971 gegen Chelsea und 1983 gegen Aberdeen im Europapokal der Pokalsieger) stand Real Madrid gegen Videoton aus Ungarn mal wieder in einem europäischen Finale. Beziehungsweise in zwei.
Einmal mehr durften die Königlichen zunächst auswärts antreten, wo sie am 8. Mai 1985 die üblichen Abläufe einer ohnehin verrückten UEFA-Cup-Saison einfach über den Haufen warfen und dank Míchel – Matchwinner mit zwei Vorlagen und einem herrlichen Volley-Tor – bereits mit 3:0 gewannen.
Dass das Rückspiel am 22. Mai 1985 im Bernabéu diesmal mit 0:1 verloren ging, spielte keine Rolle mehr: Real Madrid hatte seinen ersten UEFA-Cup gewonnen – einen Wettbewerb, an dem es zumindest kurzzeitig seinen Gefallen finden sollte …
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