
Abschied von Real zu früh?
SAARBRÜCKEN. Teil zwei des exklusiven Interviews von REAL TOTAL mit Christopher Schorch (siehe auch: Teil eins). Der Innenverteidiger vom 1. FC Saarbrücken ließ sich von 2007 bis 2009 in Real Madrids Castilla ausbilden, ehe der 1. FC Köln seine erste Station als Profi darstellte. „Ich war vielleicht zu ungeduldig, der Abschied kam möglicherweise ein wenig verfrüht“, sagte Schorch in früheren Interviews und erklärt nun nochmal, wie es zu seinem Abschied in Madrid kam: „Schuster und Mijatović haben mich nach Madrid geholt und waren natürlich auch meine Förderer, was ich tagtäglich gespürt habe. Als dann der Wechsel von beiden kam, gab es ein kleines Umdenken zu eher spanischen Spielern wie zum Beispiel Nacho Fernández, der zu dem Zeitpunkt noch in der dritten Mannschaft spielte und mit uns gar nicht in Verbindung gebracht wurde. Da habe ich gespürt, dass es auf einmal nicht mehr so dieses Setzen auf mich gab.“ Als Schorch den Verein dann bat, ihn beim nächsten Schritt zu unterstützen und Erstliga-Erfahrung zu sammeln, erfuhr er zwar Verständnis aber auch die Ansage „Wir würden dir keine Steine in Weg legen.“ „Vielleicht hätte man auch einfach ein Jahr warten müssen. Ich wollte aber den nächsten Schritt machen, erste Liga spielen“, gibt Schorch zu, der dennoch mit dem „Vergangenen im Reinen“ ist.
Nach Fan-Kritik: „Vielleicht spielen Spieler für Zuschauer, nicht für Erfolg“
Sauber war anfangs auch das Verhältnis zwischen dem heute 31-Jährigen und den Madridistas, die ihn trotz einiger Verletzungen als bodenständigen Arbeiter in der Innenverteidigung der Castilla schätzten. Das änderte sich, auch weil er vor fünf Jahren befand, das Bernabéu lebe „von seinem Mythos“ und dort seien „fast nur Erfolgsfans“. Gegenüber REAL TOTAL erläutert er seine Kritik: „Das Publikum in Madrid ist speziell, dazu stehe ich auch. Aber es ist auch ein Publikum, was ich so noch nie erlebt habe: Als Alessandro del Piero in der Gruppenphase 2008/09 zwei Tore und ein riesen Spiel machte, wurde er ausgewechselt und das ganze Bernabéu hat sich erhoben und ihm applaudiert – sowas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen.“ Schorch erklärt weiter: „Diese Fanszene kannte ich so nicht wie es in Madrid oder allgemein ist, dass es immer um Erfolg geht, und dann wird immer die Mannschaft bejubelt, vergöttert. Aber wenn man in dieses Stadion rein läuft, egal ob man spielt oder sich hinsetzt, du hast ein Feeling das ist unfassbar als Zuschauer. Das hatte ich immer!“
Entsprechend verfolgt der Deutsche die Blancos auch weiterhin: „Ich schaue gerne noch Spiele im Stadion. Habe Madrid sogar auch auswärts verfolgt, in Sevilla gegen Betis, da habe ich für den FSV Frankfurt (dort spiele Schorch 2016/17; d. Red.) 30 Karten besorgt. Das war schon Wahnsinn!“
„Ich kannte das nicht, dass man sich Nüsse (‘Pipas’, Sonnenblumenkerne) holt, dann isst man die Nüsse und erst nach dem 3:0 applaudiert man und wird dann auch mal ein bisschen frenetisch. Aus Deutschland kennt man das ja von der ersten Minute an, da hast du deine Fans hinter dir. In Madrid muss man sich das erspielen. Vielleicht ist das auch der Wille für die Spieler, was den Anreiz macht, gute Spiele zu machen, um die Fans immer zu begeistern. Die gehen nicht zu den Spielen, um zu gewinnen, sondern um die Fans zu begeistern, und vielleicht hat sich das auch so aufgebaut“, versteht der Abwehrhüne die Madridistas inzwischen besser.
Unterschiede? „Individuelles Training und Spielphilosophie“
Zwei Jahre Spanien, Erfahrungen in der Bundesliga, und aufgrund schwerer Verletzungen auch viele Spiele in der zweiten und dritten Liga. Schorch hat in seinen 31 Jahren schon viel erlebt und kann auch Unterschiede zwischen spanischem und deutschem Fußball berichten: „Wenn man das vergleicht im Nachhinein muss ich sagen, dass das Training in Madrid sehr individuell gestaltet war. Du hattest das Mannschaftstraining und dann teilweise nur 45 Minuten Training für die Abwehr, was aber nicht nur ein Mal die Woche gemacht wurde, sondern zwei, drei Mal, wie die Viererkette verschiebt, wann man rausrückt. Aber wenn ich sehe, was die Profis in Deutschland trainieren, geht man davon aus, dass man das schon alles kann, weil man es alles im Nachwuchsleistungszentrum gelernt hat. Da geht man dann eher von der Spielphilosophie aus, Spielanlage, Zonenverteidigung, Raumverteidigung, herausspielen… Und in Madrid oder im spanischen Fußball geht man eben von aus, dass die in den Vereinen das Spielerische schon haben.“
Das war für Schorch „der größte Unterschied, was man denke ich in den nächsten Jahren noch einen Tick vereinen könnte.“ Zumal das auch von ihm „eine Idee ist, dass man das zusammen bringen kann.“ „Wenn man die Philosophien vom spanischen und deutschen Fußball gebündelt bekommt, dann hat man glaube ich ein ganz anderes Level vom Fußball als man es jetzt hat.“

Schwärmen von Raúl, Ronaldo und Ramos
Spieler von einem ganz anderen Level hat der Saarbrücker in seinen zwei Jahren in Madrid en masse erlebt. Speziell Raúl González Blanco, der aktuelle Trainer seiner einstigen Mannschaft ist ihm hängen geblieben. Ob er den 42-jährigen Spanier eine erfolgreiche Trainerkarriere zutraut? „Raúl oder Zidane, das waren unfassbare Fußballer, aber auch unfassbare Persönlichkeiten. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Zidane so unfassbar erfolgreich ist und bei Raúl sehe ich es genauso, und dass es irgendwann keinen überraschen wird, wenn Raúl auf Zidane folgt.“ Für Schorch ist Raúl „ein Spieler und Trainer und Mensch, den gibt es nicht oft auf der Welt. Ich hatte auch nach der Zeit in Madrid noch Kontakt zu ihm, wo er auf Schalke spielte. Er hat mich zu Al-Sadd zu sich eingeladen, ich wurde zu seinem Abschiedsspiel auf Schalke eingeladen, durfte mitspielen, deswegen kann man für diesen Mensch wenig Worte finden. Man kann schon sagen, er ist galaktisch, weil er einfach alles, was man braucht oder haben muss, das hat er! Und das hat er nicht in die Wiege gelegt bekommen, sondern er ist immer der Erste der da war, immer der Letzte, der gegangen ist, er hat die Jungen an die Hand genommen, hat geführt, hat gesprochen, hat dir Tipps gegeben. Und das auf absolutem Weltniveau ist nicht selbstverständlich!“
Mit Cristiano Ronaldo hat Schorch hingegen nur kurze Zeit im Sommer 2009 in Madrid verbracht – trotzdem mit nachhaltigem Eindruck. „Cristiano Ronaldo habe ich nur zwei, drei Monate kennengelernt, aber auch in der Zeit hat man gesehen, wie akribisch er ist, wie er arbeitet, wie er das lebt, wie er das macht. Nicht umsonst habe ich trotz der kurzen Zeit ein gutes Verhältnis zu ihm, damals wo ich mich schwer verletzte in Köln, war er einer der Ersten, die mir ein Trikot geschickt haben, was ich hier in der Wohnung bei mir hängen habe mit ‚Alles Gute mein Freund, bleib‘ stark, dein Cristiano‘. Das ist eine Besonderheit, die ich sehr wertschätze.“
Beeindruckt ist der Innenverteidiger auch immer noch von Sergio Ramos, denn der „war immer ein Arbeitstier! Das, was er jetzt verkörpert, hat er sich aber angenommen von älteren Spielern, wie Raúl. Ramos ist ein Erscheinungsbild in der Abwehr, man merkt sofort, ob er spielt oder nicht. Das hat schon was, wie er seine Mannschaft führt, wie er was macht.“
„So viel lernen konnte man nicht wie in Madrid“
„Diese zwei Jahre, die ich da war, das war die größte Lehrstunde, so viel lernen konnte man gar nicht wie in den zwei Jahren in Madrid“, fasst Schorch schlussendlich zusammen und hat auch auf die letzte Frage eine passende Antwort: Wenn er die Wahl hätte – lieber DFB-Halbfinale mit Saarbrücken oder mit Reals erster Mannschaft um die Meisterschaft kämpfen? „Ich sage, das eine ist ein Traum, das andere ist die Wirklichkeit. Es ist für mich bis jetzt das größte Ereignis im Profifußball, im DFB-Halbfinale zu stehen, und das mit einem Viertligisten. Wir sind vom Kader natürlich deutlich höher, aber für mich ist das ein riesen Erlebnis. Und ich nehme immer die Wahrheit, deswegen würde ich DFB-Pokal mit Saarbrücken nehmen.“
Bleibt nur zu hoffen, dass der Traum der Saarbrücker noch weiter geht – ins Finale und zum Aufstieg – und nicht Corona-bedingt platzt!
» Teil eins unseres Interviews: Schorch über die Corona-Pause, Reals Umbruch und vieles mehr
Community-Beiträge