
Bernabéu-Umbau als ein Gewinner der Pandemie
MADRID. Als der Ball in der vergangenen Saison nach der Corona-bedingten Zwangspause wieder zu rollen begann, war weltweit in den meisten Ligen nichts mehr wie vorher. Aufgrund des hohen Infektionsrisikos wurde fortan fast überall nur noch vor leeren Rängen gespielt. Im Zuge dieser Geisterspiele entschied sich die Real-Führungsetage um Präsident Florentino Pérez dazu, bis auf unbestimmte Zeit die Heimspiele der Blancos vom Estadio Santiago Bernabéu ins deutlich kleinere Estadio Alfredo Di Stéfano zu verlegen. Der einfache Grund: „Diese Entscheidung wird uns erlauben, die Umbauarbeiten am Estadio Santiago Bernabéu voranzutreiben“, so Pérez. Das wesentlich geringere Fassungsvermögen des Di Stéfanos bei ohnehin ausbleibenden Ticketeinnahmen – egal.
Für Gegner fast nichts zu holen in der spanischen Hauptstadt
Dass sich die Entscheidung von Pérez und Co. auch sportlich als absoluter Glücksgriff herausstellen sollte, hatten dabei wohl die wenigsten erwartet. Denn: Eine Untersuchung des CIES Football Observatory, eine Forschungsgruppe innerhalb des Centre International d’Etude du Sport (CIES), ergab, dass Real seit Beginn der Geisterspiele die zweithöchste Heimsieg-Quote in Europas Top-5-Ligen vorzuweisen hat. Ausgewertet wurden dabei alle Liga-Heimspiele vom 1. April 2020 bis zum 25. Januar 2021.
Mit zwölf Siegen aus 14 Spielen kommen die Merengues dabei auf ein Siegquote von 85,7 Prozent. Getoppt wird dieser Wert nur vom Stadtrivalen: Atlético Madrid steht bei 86,7 Prozent, gewann 13 von 15 Spielen. Besonders interessant ist hierbei, dass Real bei einem Sieg im kommenden Heimspiel gegen Levante (Samstag, 16:15 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker und DAZN) mit den „Rojiblancos“ auf dem Spitzenplatz im Ranking gleichziehen könnte. Hinter sich auf dem dritten Platz lässt man die Triple-Sieger von Bayern München mit 83,3 Prozent und sogar der FC Liverpool liegt mit seiner erst kürzlich gerissenen Heimserie von 68 (!) ungeschlagenen Spielen in Folge „nur“ bei 71,4 Prozent (sechster Platz). Und der Erzrivale aus Barcelona? Mit 57,1 Prozent weit abgeschlagen auf dem 20. Platz!
Bernabéu war schon länger keine Festung mehr
Direkt nach der Corona-Pause in der Vorsaison wusste die Mannschaft von Trainer Zinédine Zidane im Di Stéfano zu überzeugen und gewann alle sechs verbliebenen Liga-Heimspiele. Auch in der aktuellen Spielzeit gab es für Gäste kaum etwas zu holen, bei sechs Siegen aus acht Partien musste man sich lediglich den vermeintlichen Außenseitern aus Cádiz (0:1) und Alavés (1:2) geschlagen geben. Würde man auch die im Di Stéfano gespielten Heimpartien in der Champions League – „natürlich“ ebenso ohne Publikum ausgetragen – mit einbeziehen, käme man trotz der Niederlage gegen Shakhtar (2:3) auf eine immer noch starke Siegquote von 82,4 Prozent.
Als besonders interessant zeigt sich dabei auch ein direkter Vergleich zwischen dem altehrwürdigen Estadio Santiago Bernabéu und seinem „kleinen Bruder“, dem Estadio Alfredo Di Stéfano. Denn im Gegensatz zum „Trainings-Stadion“ mag Reals Spielstätte an der Concha Espina zwar optisch einer wahren Festung gleichen, konnte dem sportlich zuletzt jedoch nur selten gerecht werden. In den zusammengenommen 17 Heimspielen in LaLiga und Champions League vor der Corona-Pause, also jene 17 letzten Partien im Bernabéu, kommen die Blancos auf eine Siegquote von nur 58,8 Prozent (Zehn Siege, sechs Remis, eine Niederlage).
Blickt man nun dagegen auf alle insgesamt 17 Heimspiele in LaLiga und Champions League nach der Corona-Pause, ergibt sich die bereits erwähnte Siegquote von 82,4 Prozent und somit eine deutliche Steigerung um 23,6 Prozent!
Weltweite Heimsieg-Quote gesunken
Das widerspricht sogar klar dem weltweiten Trend, denn wie das CIES Football Observatory ebenfalls herausfand, hat sich die durchschnittliche Heimsieg-Quote in den 66 weltweit besten Ligen von 45,1 Prozent (1. Januar 2019 bis 31. März 2020) auf 42 Prozent (1. April 2020 bis 18. Januar 2021) im Zuge der Geisterspiele verringert.
Womit diese Trendwende der Königlichen wohl zu erklären ist? Fühlt man sich im kleinen und gemütlichen Di Stéfano wohler? Kann man ohne den Druck der Zuschauer befreiter aufspielen? Oder beides? Fakt ist: So sehr einem die unvergleichliche und nervenkitzelnde Atmosphäre eines vollbesetzten Bernabéus fehlen mag – für den sportlichen Erfolg geht es bei Ramos und Co. scheinbar auch ein paar Stufen kleiner und leiser.
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