
„Anfangs glaubten sie nicht an mich – ich war nicht frech genug“
PARIS/MADRID. Von Lens nach Madrid und bis an die Weltspitze – die Karriere des Raphaël Varane liest sich wie ein einziges Fußballmärchen. In seiner neunten Saison bei den Königlichen ist der Franzose längst Stammspieler, Weltmeister und neben Sergio Ramos zum absoluten Abwehrchef bei Real Madrid avanciert. Wie es dazu kam, verrät der 26-Jährige im Interview mit dem französischen Fußballmagazin ONZE MONDIAL.
„Bei einigen Jungen denkt man bereits mit zehn Jahren ‘Man ist der gut, der wird mal ein Großer’ – ich war keiner von ihnen. Ich war gut, aber mehr nicht“, so die gewohnt bescheidenen Erinnerungen des Franzosen. Der schüchterne Innenverteidiger sei bereits in jungen Jahren auf dem Internat „zu lieb und nicht frech genug“ gewesen, weswegen er von vielen für nicht gut genug befunden wurde.
Heute weiß jeder Madridista, dass Varane trotz seines ruhigen Charakters auf dem Platz durchaus den Ton angeben kann – und das merkten auch seine Klassenkameraden früh: „Anfangs war ich zu lieb, aber auf dem Internat muss man sich seinen Platz erkämpfen. Je weniger sie an mich glaubten, desto besser wurde ich. Sobald ich in einer Altersklasse über meiner spielte, wurde ich noch besser.“
[advert]
„Mein Bruder und mein Vater formten mich – mental und spielerisch“
„Mein Bruder formte mich sowohl spielerisch als auch mental. Ich war immer sehr kompetitiv, es gab nur Anthony (Raphaëls Bruder; d. Red.) und mich – und keiner von uns wollte verlieren. Ich war kleiner und musste den Ball erobern, manchmal bis ich weinte“, erinnert sich der Verteidiger. Auch der „äußerst anspruchsvolle“ Vater der Varane-Brüder spielte eine tragende Rolle in seiner Entwicklung: „Er setzte uns Grenzen und diktierte die Spielweise, denn sonst spielten wir einfach drauf los. Er musste unsere Energie bündeln.“
Anthony Varane, Anwalt für Sportrecht, ist heute nicht nur der Bruder des Weltmeisters, sondern auch dessen Agent. „Wer könnte meine Interessen besser vertreten als jemand, der mich so gut kennt? Er kennt meine Einstellung und weiß, dass ich oft anders denke als viele andere. Das respektiert er, er denkt ein wenig wie ich“, so „Rapha“ schwärmend über seine Beziehung zum eigenen Bruder.
„Einige Spieler halten dem Druck bei Real nicht stand“
Acht abgeschlossene Saisons, 16 Titel im Verein und die Weltmeisterschaft mit Frankreich. Varane ist im Fußballolymp angekommen – und dem täglichen Druck eines Weltstars bei Real Madrid ausgesetzt. „Der Druck hier ist anders. Jeden Tag wimmelt es von Zeitungen, Fernseh- oder Radiosendern. Was bei Real passiert, hat globale Auswirkungen“, erklärt der Franzose und bekräftigt, auch der interne Druck sei „enorm“. „Die Fans sind extrem anspruchsvoll. Ein Sieg ist gut, aber niemals ausreichend – denn man kann immer etwas verbessern. Schon ein Unentschieden gleicht einer Katastrophe“, so die klaren Worte des Weltmeisters.
Diesem Druck halten selbst Profifußballer nicht ohne weiteres stand, weiß Varane: „Wir spüren den Druck und leben damit – aber nicht jeder Spieler kann das. Ich habe Spieler gesehen, die es nicht ausgehalten haben, denen hat es den Kopf verdreht.“
Kennenlernen mit Ronaldo: „Ich heiße Rapha, nicht Varane“
Als es den jungen Frnazosen mit nur 18 Jahren zum großen Real Madrid zog, teilte er sich fortan die Kabine mit Weltklassespielern wie Iker Casillas, Cristiano Ronaldo oder Kaká. Der Neuling wusste sich jedoch früh durchzusetzen und erinnert sich an einen Moment im Training mit Ex-Blanco CR7. Als dieser rief „Varane, ab in die Mitte“ habe der Neuzugang ihm klar und deutlich zu verstehen gegeben, aus welchem Holz er geschnitzt ist. „Ich antwortete ‘Ich bin nicht Varane, sondern Rapha’“, erinnert sich der heutige Stammspieler. Den Vorfall habe er zwar „keineswegs persönlich genommen“, allerdings sei es der richtige Moment gewesen um seine Persönlichkeit zu zeigen. „Es war kein fehlender Respekt sondern eher so, dass ich nicht auffiel. Meine Antwort war eher eine Art zu zeigen ‘Hier bin ich, ich habe auch einen Namen.’“
„Habe ein Ass im Ärmel: Meine Psyche“
Um die Erwartungen von Fans und Kollegen zu erfüllen, befolgt die Nummer 5 der Königlichen mittlerweile strikte Regeln – gibt aber auch zu, lange Zeit nicht auf sich geachtet zu haben: „23 Jahre lang habe ich dasselbe gefrühstückt und dachte, Verletzungen seien reiner Zufall. Eines Tages sagte ich mir ‘So geht es nicht weiter, du wirst dich verletzen’; dann änderte ich alles.“
Als „Ass im Ärmel“ bezeichnet er seine mentale Kraft: „Ich änderte alles auf einen Schlag. Seither versuche ich immerzu, mich zu verbessern. Massagen genießen wir alle, doch ich gehe weiter in die Tiefe: Haltung, Gelenke, das gesamte Gleichgewicht. Sobald ich Spannungen verspüre, versuche ich diese zu lösen, damit der Muskel nicht leidet.“
Community-Beiträge