
Acht Tage nach dem atemberaubenden Halbfinal-Hinspiel empfängt Real Madrid Manchester City am Mittwoch zum Rückspiel. Im Estadio Santiago Bernabéu wollen die Blancos alles daransetzen, die 3:4-Hinspielniederlage zu egalisieren und doch noch ins Endspiel der Champions League einzuziehen. REAL TOTAL analysiert die „Keys to win“ und legt dar, warum die Königlichen am 28. Mai in Paris um den 14. Henkelpott kämpfen werden.
Vier „Keys to win“ – so schaltet Real die „Skyblues“ aus:
1. Taktische Aspekte: Auf fünf Tiefenanspielstationen einstellen und Überladen der (linken) Seite verhindern
Die „Citizens“ agierten im Hinspiel zwar im 4-3-3-System. Guardiola gestaltete dieses jedoch äußerst geschick: So rückten die Außenverteidiger der „Skyblues“ ein. Das erlaubte (zumeist) Bernardo Silva und Kevin De Bruyne, höher zu schieben. Dieses Muster ähnelt der Herangehensweise von Chelsea und dem FC Barcelona, fünf Spieler als tiefe Anspielstation zu generieren. Im Unterschied zu den anderen beiden Gegnern positionierte Pep seine nominellen zentralen Mittelfeldspieler oft zwischen den Linien und zwang Reals Außenverteidiger somit, eingerückt zu verteidigen.

Auf diese Weise wurden die Flügelspieler Mahrez und Foden oftmals freigespielt und bekamen ein frontales Eins-gegen-Eins. Dieses Muster führte zum 1:0: So konnte Mahrez den Ball offen empfangen und Mendy andribbeln – nicht zuletzt, weil Vinícius durch den eingerückten Stones gebunden war. Durch Bernardo Silvas geschickten Laufweg aus dem Halbraum in die Tiefe wurde Alaba aus seiner Position gezogen.

Militão sah sich infolgedessen im Zentrum mit einer schwierigen Situation konfrontiert: So musste der Brasilianer Gabriel Jesus verteidigen, was De Bruyne die Möglichkeit gab, im Rücken des Innenverteidigers einzulaufen. Der Belgier agierte am zweiten Pfosten eiskalt, kam vor Carvajal an den Ball und traf zur frühen Führung. Abgesehen davon hätte Mahrez zuvor jedoch deutlich aggressiver verteidigt werden müssen.

Als mindestens genauso wichtig stellte sich jedoch das Überladens der linken Seite heraus. So fanden sich der eingerückte Zinchenko, De Bruyne und Foden oftmals in einer Drei-gegen-zwei-Situation mit Carvajal und Rodrygo wieder. Dadurch, dass Rodrygo oftmals eher hoch presste und weniger aufmerksam verteidigte, ergab sich ein Missmatch auf Citys linker Angriffsseite. Kroos, der sich in der Nähe von De Bruyne befand, bekam aufgrund des Temponachteils zudem keinen wirklichen Zugriff auf den Belgier.

Vor dem 2:0 öffnete ein solches Überladen die nötigen Räume. Indem Zinchenko einrückte, veränderte sich das Zahlenverhältnis derartig, dass Carvajal sich an De Bruyne orientieren musste. Der folgende Tiefenpass auf den nun freistehenden Foden zwang Militão aus seiner Position, Carvajal rückte als Innenverteidiger ein.

Weder Kroos noch Valverde orientierten sich an De Bruyne, der ohne großen Gegnerdruck flanken konnte. Im Zentrum sahen sich dann Alaba und Mendy aufgrund der vielen City-Optionen in der Tiefe und den herausgelockten rechten Abwehrseite Carvajal (RV) und Militão (RIV) drei Gegenspielern gegenüber – das bestraften die Guardiola-Schützlinge eiskalt.

2. Personalentscheidungen: Aggressivität, Tempo und Dynamik als Schlüssel
Ein wesentlicher Faktor für das Rückspiel dürften neben der taktischen Herangehensweise auch die Personalentscheidungen Carlos Ancelottis darstellen – wohlwissend, dass beide Aspekte einander bedingen. Das Hinspiel hat deutlich aufgezeigt, dass ein Dreier-Mittelfeld mit Valverde, Kroos und Modrić sowohl defensiv als auch offensiv nicht stark genug war, um City in den Griff zu bekommen. Im Hinspiel hat Ancelotti (in meinen Augen) richtig reagiert, indem er Camavinga für Rodrygo gebracht hat.

Defensiv hatte das zur Folge, dass Valverde sich in eine Art Fünferkette fallenlassen hat und somit die Gefahr der fünf Tiefenanspielmöglichkeiten gemindert hat. Offensiv erlaubt ein weiterer Mittelfeldspieler, selbst gezielt Asymmetrien im Spielaufbau zu erzeugen und – je nach Matchplan – eine der Seiten zu überladen. Durchaus vorstellbar, dass ein Mittelfeld bestehend aus Casemiro, Camavinga, Modrić und Valverde oder Kroos Situationen heraufbeschwört, in denen Real sich deutlich besser aus dem Druck der „Skyblues“ kombiniert. Im Etihad Stadium war Kroos in der Spielauslösung oftmals isoliert, sodass Reals Übergangsspiel nicht durchgehend funktionierte.

Abgesehen von taktischen Aspekten bringen insbesondere Camavinga und Valverde ein Energielevel mit, dass City vor Probleme stellen könnte. Wichtig ist an dieser Stelle jedoch, dass Energie und Dynamik allein nicht reichen werden. Gepaart mit der Kontrolle, Genialität und Erfahrung von KMC – und der Offensivpower von „Vinizema“ – könnte dies aber zum Erfolg führen.
3. Karim Benzema
Apropos „Vinizema“: Mit Karim Benzema verfügen die Blancos über den derzeit besten Mittelstürmer im Weltfußball – in den Augen vieler Experten sogar den besten Spieler auf diesem Planten. Sage und schreibe 42 Tore in 42 Spielen – davon 14 Tore in zehn Champions-League-Partien – unterstreichen die beeindruckende Saison des KB9.

Gegen Guardiola und Co. könnte der Franzose unter dem Strich wieder einmal einer der entscheidenden Faktoren sein. Sicher: Will Real erfolgreich sein, wird ein Benzema allein nicht ausreichen. Fakt ist aber, dass der 34-Jährige mit seiner Präsenz, der spielerischen Klasse und der im Vergleich zu früheren Jahren nochmals stärker wirkenden Siegermentalität immer in der Lage ist, den Unterschied zu machen. Dabei ist es egal, ob er den Ball per Kopf, wie etwa gegen Chelsea, oder aus dem Kombinationsspiel abschließt. Wird der Franzose dieser Tage in entscheidenden Momenten in Szene gesetzt (oder erledigt dies mitunter auch selbst), versenkt er die Kugel im Regelfall.
4. Die unvergleichbare Energie des Bernabéu nutzen
Dass das Estadio Santiago Bernabéu eine schier unfassbare Energie entfalten kann, hat nicht zuletzt die verrückte Champions-League-Nacht gegen den FC Chelsea gezeigt. Vor wenigen Wochen schien Real schon ausgeknockt – doch Rodrygos Treffer und die geballte Energie des Madridismo sorgten für ein gewaltiges Comeback.
Ein vergleichbarer Abend wird auch am Mittwoch nötig sein. Bereits der von unzähligen, frenetisch jubelnden Madridistas gesäumte Weg ins Stadion dürfte für die Blancos eine immense Energiespritze darstellen. Durchaus vorstellbar also, dass Real nach dem PSG-Knaller noch eine „Remontada“ gelingt.
Fazit
Real Madrid kann Champions League wie kein anderer Klub weltweit. Mit diesem Selbstverständnis, der Energie des Bernabéus, der Extra-Motivation des gewonnenen Meistertitels sowie der immensen Königsklassen-Erfahrung ist eine „Remontada“ gut vorstellbar. Damit das gelingt, muss Ancelotti aber einerseits Citys Stärken deutlich effektiver als im Hinspiel eindämmen und zugleich einen Weg finden, die eigenen Stärken auszuspielen. Dass zudem Spielglück und Tagesform immer auch eine Rolle spielen, ist nicht wegzudiskutieren. Mein Glaube an eine weitere „magische Nacht“ ist in jedem Fall ungebrochen.
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