Reportage

Vor Clásico: Madridismo erzürnt – wegen Barça, aber auch wegen Pérez

Vor dem Clásico am Samstag (16:15 Uhr) ist der Madridismo erzürnt. Und das nicht nur wegen des anhaltenden Korruptionsskandals um den FC Barcelona, sondern auch weil Florentino Pérez und Co. mittlerweile eher auf Kuschelkurs statt Kriegsfuß mit Barça gehen.

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real madrid florentino perez jose angel sanchez
Pérez (l.) und Sánchez (r.) stehen in der Kritik der Fans – Fotos: Getty Images, LaLiga

Trotz Clásico-Absage: Kuschelkurs statt Kriegsfuß?

Jetzt kann der erste Clásico der Saison endgültig kommen. Und das nicht nur, weil die Generalprobe der Blancos am Dienstag über die Bühne gegangen ist, sondern weil nach dem 2:1-Sieg gegen Braga noch etwas mehr Öl ins Feuer gegossen wurde als eh schon. Dabei stellt der irritierende Beitrag von Barça-Vorstand Mikel Camps nur einen kleinen Teil dar des Feuers, die im Madridismo mittlerweile brennt – und das nicht nur gegen den Erzrivalen selbst, sondern auch den eigenen Vorstand.

Denn so erzürnt die meisten, wenn nicht sogar alle Real-Fans über den Korruptionsskandal rund um den FC Barcelona sind, mittlerweile lädt sich die Wut auch gegen Präsident Florentino Pérez und CEO José Ángel Sánchez. Der Reihe nach: Seit Februar hallen durch das Estadio Santiago Bernabéu regelmäßig „Corrupción en la federación“-Gesänge, Korruption im Verband. Aber seitdem vor acht Monaten die Zahlungen von 7,5 Millionen Euro (von 2001 bis 2018) bekannt wurden, gab es noch keine Konsequenzen. Klar, in einem so alten wie komplizierten Fall mahlen die Mühlen der Justiz nicht gerade schnell, doch der Unmut im Madridismo richtet sich eben auch an den eigenen Verein. Hielt sich Real Madrid in der Causa lange bedeckt, gab es erst im März eine Mitteilung, in der die Blancos ankündigten, als Mitkläger auftreten zu wollen – viel mehr nicht. Und viel mehr ist seitdem auch nicht passiert, zumindest nichts, was so manche Fans zufrieden stellen würde. Stattdessen ist eher das Gegenteil der Fall: Weil Florentino Pérez die wichtigen, geschäftlichen Beziehungen zum zweitgrößten Verein Spaniens – lange ein Partner bei den Super-League-Plänen – offensichtlich nicht mal ansatzweise verringern möchte, wollte er eigentlich auch im Clásico dabei sein. Präsenz statt Boykott? Der Vorstand des FC Sevilla hatte Ende September sein Gastspiel in Barcelona aufgrund der neuesten Entwicklungen boykottiert inklusive aufmerksamkeitsstarker Pressemitteilung. Und Pérez? Der 76 Jahre alte Spanier wollte eigentlich eher auf Kuschelkurs statt Kriegsfuß gehen, aber durch die Beleidigung gegen Vinícius sieht er nun doch von einer Teilnahme ab. Nicht aber wegen des Negreira-Falls!

Wegen Pérez und Sánchez: Viele Fans erzürnt

Das schmeckt vielen Madridistas überhaupt nicht, sodass man mittlerweile auch wieder andere, teilweise längst vergessene Gesänge wieder hört. „Florentino, dimisión“. Damit fordern viele, großenteils die „Ultras Sur“ seit Jahren den Rücktritt des Präsidenten. Denn der hat die „US“ als Gruppe vor rund zehn Jahren aus dem Bernabéu verbannt, da einige Mitglieder durch rechtsradikale Zeichen ein schlechtes Bild für den Verein abgegeben und Pérez so ein eigenes Fan-Projekt, die „Grada Fans RMCF“, initiieren konnte. Und weil die Preise von Trikots, Tickets und Co. jährlich steigen, die Anzahl an Mitbestimmungsmöglichkeiten der „Socios“ (Mitglieder) aber nicht, gibt es immer wieder Kritik an Pérez, der den mitgliedergeführten Klub führt wie einen Gewinn-orientierten Konzern. Und jetzt haben die Gegenstimmen wieder ein Hoch erfahren, denn im Estádio Municipal de Braga konnten sich die „Ultras Sur“ mal wieder als Gruppe vereinen und ihren Unmut während des Spiels äußern.

Dabei gelten die „Florentino, dimisión“-Rufe mittlerweile auch stellvertretend für den Vorstand. Denn unter der Woche hat mit José Ángel Sánchez der Geschäftsführer für einen regelrechten Shitstorm gesorgt. Bei einer LaLiga-Versammlung – auf der angeblich 40 Erst- und Zweitligisten für eine Gehaltserhöhung für Javier Tebas stimmten, Real Madrid als einer von zwei Klubs aber nicht – kam es zu einem besonderen Aufeinandertreffen von Sánchez und dem mittlerweile angeklagten Joan Laporta. Und wie der 56-jährige Spanier den Barça-Präsidenten begrüßte und lächelnd umarmte (im LaLiga-Video ab 0:41) – all das nur kurz nach dessen Täter-Opfer-Umkehr („Kampagne gegen Barça durch einen soziologischen Madridismo“) –, machte für viele Fans nicht den Anschein, als seien die diplomatischen Beziehungen aufgrund des Korruptionsvorwurfs (und auch einem möglichen Schaden für Real Madrid über 18 Jahre hinweg) irgendwie abgekühlt.

Zweiterfolgreichster Präsident in Reals Historie

Der Vorwurf: Pérez, Sánchez und Co. geht es nur noch um Zahlen und Gewinne, moralische Werte geschweigedenn Rücksichtnahme auf Forderungen der Fans, oder zumindest der „Socios“ scheinen eher sekundär zu sein.

Die Stimmung gegen Pérez und Co. ist mehr als eine Momentaufnahme und doch vor dem Spitzenspiel am Samstag besonders bezeichnend. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Florentino Pérez mit mittlerweile 32 gewonnenen Trophäen, darunter jeweils sechs Liga- und Champions-League-Titel, der erfolgreichste Präsident nach dem legendären Santiago Bernabéu Yeste ist. Der kam von 1943 bis 1978 zwar auf 33 Titel, darunter 16 Meisterschaften und ebenfalls sechs Europapokale, aber es gab damals auch noch nicht so viele „kleinere“ Titel wie Superpokale. So oder so gibt es keine Zweifel: Bernabéu und Pérez sind die größten Präsidenten in Real Madrids nicht gerade kleiner Historie. Doch während Bernabéu – zurecht – wie ein Heiliger behandelt wird, werden die Gegenstimmen gegen Pérez sogar trotz des sportlichen Erfolgs der letzten zehn Jahre immer lauter. Und dafür ist er scheinbar auch mit verantwortlich.

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von
Nils Kern

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Kommentare
Da kommt einem doch auch der Verdacht, dass wir vielleicht selbst etwas Dreck am Stecken haben...
 
wie kann man als Stellvertreter des Clubs, den ehemaligen Stellvertreter des Erzfeinds oder besser noch den ehemaligen Stellvertreter desjenigen, der dich mehr hasst als alles auf dieser Welt so herzlich umarmen?
 
Guter und spannender Artikel! Aber was habe ich da verpasst? Tebas eine Gehaltserhöhung?! Für was? Aber zurück zu Madrid. Real hat sich für den Weg als Gentleman-Club entschieden, was ich sehr schätze und bewundere. Allerdings ist es auf jeden Fall kein einfacher Weg. In welchen Situationen bleibt man diplomatisch, in welchen Situationen haut man auch mal auf den Tisch als Vorsitzende? Einerseits kann ich so zum Beispiel JAS etwas verstehen, da Laporta bislang offiziell „erst“ angeklagt wurde, so wie auch der Verein. In einem solch speziellen wie auch kritischen Fall um die Katalanen ist auch gewisse Vorsicht gefragt, bevor jemand voreilig handelt ohne bestätigte Schuldzuweisungen von der Staatlichen Seite. Allerdings vergisst man dabei leider auch schnell mal die eigenen Bedürfnisse des Clubs. Sevilla hat da mMn für ein gutes Vorbild gesorgt mit diesem Statement. Und natürlich wünscht man sich auch von JAS, dass er bei aller Diplomatie Laporte nicht gleich wie ein Freund behandelt. Die Ultra Sur übertreibt in meinen Augen allerdings oftmal. Was Perez, JAS und co. jahrelang geleistet haben ist der Wahnsinn. Natürlich gehören moralische Werte zu den Grundsteinen. Aber gerade in Zeiten wie diesen, in denen man gegen Clubs konkurriert, welche von von reichen Staaten geführt werden und in Europa allgemein eine finanzielle Unsicherheit herrscht, ist es doch umso beachtlicher, wie Perez und co immer noch Kaliber wie Bellingham, Tchou, Camavinga.. an Land ziehen können. Und die aufgeführten Aktionen ersehe ich nicht als eine gravierende Verletzung der moralischen Werte. Man hätte allerdings wie gesagt gewiss besser handeln können.
 
Laporta sollte man eigentlich nicht mal die Hand reichen nach der polemischen Rauchbombe die er im April über uns gezündet hat. Krimineller Dreckspopulist
 
Die US beschwert sich also das Perez nicht mehr die Werte reals vertritt . Aber die US steht für Werte des Vereins? Genau mein Humor

Gegenfrage: Machen den die Grada Fans das? Bei welcher der Capo eine Koksnase ist und die eigenen Leute bescheisst? Will man lieber solche "Fans" im Stadion?
Die US sorgt wennschon für guet Stimmung. Sei das in der Marceliano oder bei jedem CL Auswärtsspiel.
 
Da kommt einem doch auch der Verdacht, dass wir vielleicht selbst etwas Dreck am Stecken haben...

Das ist die Schwachsinnigste Schlussfolgerung aller Zeiten. Wieland man auf sowas kommen????nur weil die Chefetage Stil und klasse hat, ihr Gesicht wahrt und die Größe hat einen Rivalen zu begrüßen, heißt es doch nicht dass man was verschleiern will. Rivale ist dabei Zuviel gesagt, Barca ist ja kein Rivale für uns. Bis jetzt waren sie es vielleicht, durch die ganzen Vorkommnisse der letzten Monate ist Barca für mich nur noch witzfigur. Ich nimm sie wieklich nicht ernst, wie ein kleines Kind, das ständig am schreien ist, nur um Aufmerksamkeit zu erlangen. Barca und ihre gestörten Management-Riege wissen ganz genau was auf sie zukommt, das einzige was denen bleibt ist von sich ablenken, und andere dafür beschuldigen, sonst nichts. Ich bin mir auch sicher dass eine saftige Strafe kommt, nicht umsonst worden sie angeklagt. Niemand traut sich das, wenn er nicht gerade was stichfestes in der Hand hält.
 
Danke für den Artikel, solche Dinge bekommt man im deutschsprachigen Raum sonst schwer mit.
Ich hoffe mal und gehe nicht wie andere User hier davon aus, dass Madrid auch in irgendeiner Form in den Skandal verwickelt ist. Viel eher denke ich, dass (wie auch schon Artikel erwähnt) man sich so sehr verbrüdert wegen der Super League. Ich verstehe, dass man eine gute Beziehung pflegen möchte aber ich würde mir hier auch mehr Klartext vonseiten des Clubs wünschen.
 
Die US beschwert sich also das Perez nicht mehr die Werte reals vertritt . Aber die US steht für Werte des Vereins? Genau mein Humor

Gegenfrage: Machen den die Grada Fans das? Bei welcher der Capo eine Koksnase ist und die eigenen Leute bescheisst? Will man lieber solche "Fans" im Stadion?
Die US sorgt wennschon für guet Stimmung. Sei das in der Marceliano oder bei jedem CL Auswärtsspiel.

Kennst du dich aus bei der Grada bzw in der Fanclubszene generell? Würde mich interessieren, wie die so aussieht bei Real Madrid.
 

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