Reportage

Vor dem Super Cup: Das „neue Atlético“ im Kader-Check

Das Super-Cup-Finale stellt nicht nur für Real Madrid den Auftakt in eine spezielle Saison dar, auch Atlético hat 2018/19 etwas Besonders in Sicht – das Champions-League-Finale im Wanda Metropolitano. Das Endspiel im eigenen Wohnzimmer zu erreichen, wird oberste Priorität auf Simeones Wunschzettel haben, weswegen schon 123 Millionen Euro ausgegeben wurden. REAL TOTAL blickt auf die Kaderentwicklung der „Colchoneros“ und schätzt die Chancen des Lokalrivalen ein.

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Paris Saint Germain v Club Atletico de Madrid - International Champions Cup 2018
Simeone und Co. haben 2018/19 große Ziele und schon 123 Millionen ausgegeben – Foto: Paul Miller/Getty Images for ICC

MADRID. Transfers hin oder her – den größten Erfolg für den vermeintlichen Arbeiterklub in diesem Sommer stellte der geplatzte Wechsel Antoine Griezmanns dar. Der kokettierte Transfer des Franzosen zum FC Barcelona wäre ein tiefer Schlag für die Simeone-Elf gewesen. Ist es aber nicht: Trotz zahlreicher Spekulationen blieb der Schlüsselspieler und frisch gebackene Weltmeister am Manzanares und wird weiterhin das Herzstück im rotweißen Angriffsspiel bilden. Hier dürfen die „Matratzenmacher“ kräftig durchschnaufen.

Routiniers sagen Adiós

Dafür mussten sich die Fans von anderen Identifikationsfiguren verabschieden:  Die beiden Altmeister Fernando Torres und Gabi haben den Verein verlassen. Während „el Niño“ eine neue und womöglich letzte Herausforderung bei Sagan Tosu in Japan gefunden hat, zieht es Gabi zu Al-Sadd in Katar. Gabi stammt aus der Jugend Atléticos und wird als Kapitän vermisst werden. Sein Abgang wird schmerzlicher für die „Rojiblancos“ eingestuft, als der von Torres – zumindest aus sportlicher Sicht. Auch wenn Torres einen guten Ruf bei den Anhängern genießt, liegen dessen sportlichen Glanzjahre bereits einige Spielzeiten zurück. Fünf LaLiga-Treffer konnte er in der abgelaufenen Saison beisteuern, zehn wettbewerbsübergreifend. Fester Stammspieler ist er nicht mehr gewesen. Zeit für neue Gesichter!

Atletico de Madrid Press Conference - UEFA Champions League Final
Gabi und Torres sind zwei der acht Abgänge – Foto: Handout/UEFA via Getty Images

Neues Potential für die „Matratzenmacher“

Nicht nur aufgrund der Abgänge war „Atleti“ alles andere als untätig in diesem WM-Sommer. Rodri (22) kommt für 20 Millionen Euro von der Ligakonkurrenz aus Villareal. Er wird bereits als der Nachfolger Gabis gehandelt, bringt allerdings nicht die Erfahrung mit wie sein Vorgänger, steckt dafür voller Potential. In der Offensive hat man Gelson Martins verpflichten können. Der 23-jährige Portugiese hat einen Marktwert von 35 Millionen Euro und kommt ablösefrei von Sporting Lissabon. Martins ist in der Lage die von Torres hinterlassenen Fußstapfen auszufüllen und fühlt sich im Sturmzentrum oder auf Rechtsaußen wohl. Das Schnäppchen hat in der abgelaufenen Saison für Sporting in allen Wettbewerben 13 Treffer erzielt und 13 weitere vorbereitet.

Ablösefreie Schnäppchen bis 70-Millionen-Zugänge

Den spektakulärsten Transfer hatte man sich dann aber doch etwas kosten lassen: Mit Thomas Lemar aus Monaco sind die Dienste eines weiteren Weltmeisters gesichert. Im zarten Alter von 22 Jahren ist Lemar noch entwicklungsfähig, hat aber schon bewiesen was er drauf hat. Sein Spielstil kann mit dem von Marco Asensio verglichen werden, wenngleich die Torausbeute (zwei Treffer) in der Ligue 1 noch ausbaufähig war (drei Tore und zehn Assists wettbewerbsübergreifend). Weil Lemar mit vielen großen Klubs in Verbindung gebracht wurde, ist dessen Transfer zu Atlético definitiv als Kampfansage an die europäische Konkurrenz zu werten und zeigt, dass Simeone um den Henkelpott mitreden möchte.

Soll künftig den Unterchied ausmachen: Thomas Lemar kommt aus Monaco – Foto: Javier Soriano / Getty Images

Die Verpflichtung von Antonio Adán – Betis’ Ex-Keeper, welcher einst in Reals Jugend ausgebildet wurde – ist zwar vor dem ersten Stadtderby der Saison erwähnenswert, bleibt aber eine Randnotiz, zumal sich der 31-Jährige hinter Oblak einreihen muss. Neben Jonny Castro (Linksverteidiger, für sieben Millionen von Celta Vigo) und Santiago Arias (Rechtsverteidiger, für elf Millionen von Eindhoven) bleibt aber noch der siebte und bisher letzte Neuzugang besonders erwähnenswert: Nikola Kalinic brachte es 2017/18 auf sechs Tore und sechs Vorlagen für den AC Mailand und heuert für 14,5 Millionen bei den Rot-Weißen an. Mit seinen 30 Jahren könnte der Kroate eine echte Alternative und Waffe im Mittelsturm mit prächtigem Preis-Leistungs-Verhältnis sein.

Fazit: Atlético scheint gewappnet für alle Titel

Sieben kamen für 123,5 Millionen, Acht gingen für 45 Millionen – mal wieder schreibt Atlético im Gegensatz zu Real eine rote Transferbilanz. Aber: Rein sportlich betrachtet, hat sich Atlético im Vergleich zum Vorjahr verstärken können. Die individuelle Klasse der Neuzugänge kompensiert den Verlust an Erfahrung, welche die beiden abgewanderten Routiniers nun nicht mehr einbringen werden. Auch dank der neuen beiden Außenverteidiger und der jungen wie auch erfahrenen Verstärkung in der Offensive scheint man nun besser doppelt besetzt auf allen Positionen zu sein, als noch 2017/18. Dazu kommt ein in vielen Jahren aufgebauter Spielerstamm aus Stars wie Diego Godón, Koke, Filipe Luís und viele mehr – von den Weltmeistern Griezmann und Lucas Hernández ganz zu schweigen.

Ist das die “perfekte Mischung” für die “Finale dahoam”-Mission? Zum ganz engen Favoritenkreis auf den Henkelpott zählt Atlético möglicherweise noch nicht, aber man scheint in jedem Fall gewappnet, um bei allen Titeln mitzureden. Trotz der durchschnittlichen Saisonvorbereitung (ein Sieg, zwei Remis, zwei Pleiten) ist die Mannschaft nicht zu unterschätzen: Das Team scheint in der Lage, jeden Gegner zu bezwingen – ob durch Kampf oder nun auch spielerisch – und das große Endspiel im eigenen Stadion zu erreichen. Die erste Kostprobe des “neuen Atléticos” erhalten die Königlichen am Mittwochabend (21 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker und bei DAZN) im estländischen Tallinn, wenn es um den europäischen Super Cup geht – spätestens dann sehen wir, ob Simeones Ausgaben sich auszahlen oder es mal wieder nur ein teurer Sommer war.

Flug, Hotel und Stadion-Ticket ab 339 Euro

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von
Christian Graber

Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".

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