
VICENTE DEL BOSQUE
„Iker Casillas hat Real Madrid verlassen. Für uns, die wir ihn kennen, ist es nun Zeit, den Blick zurück zu wenden und uns an all die Jahre zu erinnern, die vorübergegangen sind, seit er mit gerade einmal neun Jahren in die Ciudad Deportiva kam. Iker bildet und wird auch immer einen Teil der bewegten Geschichte Real Madrids bilden. Ein Klub, der ihn kommen sah, als er fast noch ein Kind war und den er nun nach 25 Jahren Erfahrung zwischen den Pfosten bestimmter Mannschaften verlässt, nachdem er alle Altersstufen durchlaufen hat. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft, welchen Eindruck er bei Señor (Luis) Molowny, Señor (Miguel) Malbo und Señor Mezquita, oder Mezqui für diejenigen, die seine Freundlichkeit und Nähe durch das Weglassen der letzten Silbe zum Ausdruck brachten, hinterließ. Diese drei loyalen Wächter der Werte Real Madrids auf ihrer Suche nach Kronjuwelen für die Cantera werden sehr stolz auf dich sein Iker, dort, wo sie jetzt sind. Ihre Arbeit wurde, in deinen und in anderen Fällen, durch eure Laufbahn in der ersten Mannschaft belohnt.
Es ist unbestreitbar, dass Ikers Präsenz in der ersten Mannschaft Real Madrids, mit der totalen Garantie für die Torwartposition, dem Team große Ausgaben zur Verpflichtung eines Torhüters erspart hat. Mit Iker war dieser Posten prächtig ausgefüllt. Er ist ein Vorbild als Spieler. Seine Laufbahn und Trophäen sowohl mit Real Madrid als auch mit der Nationalmannschaft Spaniens machen ihn zu einer Figur der Sportelite. Ein Fußballer, der von und für den Fußball lebt. Iker will immer spielen. Für ihn ist jede Partie, wie unwichtig sie für andere sein mag, eine neue Herausforderung. Eine Herausforderung, für die es sich lohnt, sich zu quälen.
Seine Statistiken im Laufe der Jahre beweisen, dass es nicht viele Partien sind, die er nicht zwischen den Pfosten stand. Vielleicht spielt ihm deshalb seine Erinnerung einen Streich, wenn er sich an eines seiner ersten Spiele, in denen er nicht gespielt hat und ihn zur Legende machte und einige, die damals mit ihm die Kabine in Madrid teilten, miteinschließt, erinnern und erklären soll. Ich weiß, dass er, sobald er diese Zeilen liest, lächeln und später protestieren wird, weil es egal ist, wie oft es ihm schon jeder einzelne Protagonist erklärt hat: Er denkt weiterhin, dass er Recht hat und wird davon nicht abrücken. Die Geschichte beginnt in der Saison 2001/2002. Ich war auf der Trainerbank von Real Madrid; Fernando Hierro und Raúl González waren die Kapitäne und Iker war bis zu diesem Zeitpunkt praktisch unumstrittener Stammspieler im Tor. Ende Februar entschieden wir im Trainerstab jedoch, dass Iker auf die Bank geht und César Stammtorwart in der Liga, im Pokal, wo er schon gespielt hat, und in der Champions League wird. Vielleicht lagen wir falsch, aber wir dachten wirklich, dass es das Beste für das Team sei. Es war ein rein sportlicher Entschluss. Und das ist der Punkt, wo er entschieden hat, die Geschichte zu ändern.
Iker behauptet, dass seine Ersatzrolle auf Initiative seiner Mitspieler gründete. Was komplett schleierhaft ist, da es weder Fernando noch Raúl in den Sinn gekommen wäre, uns um Ikers Ersatzrolle zu bitten; oder, dass wir solche Vorschläge annehmen würden. In den Wänden unseres Quartiers in Potchefstroom während der Weltmeisterschaft 2010 hallen immer noch die Schreie und Proteste sowie dazwischenliegende Lacher von Fernando Hierro, damals Sportdirektor der Nationalmannschaft, wegen diesem Thema wieder. Und es ist wie bei anderen Sachen auch, ‚Iker ist da sehr langatmig‘.
Eine Ära geht zu Ende: Nach insgesamt 25 Jahren nimmt Iker Casillas Abschied von Real Madrid. Die Klub-Legende wechselt zum FC Porto. REAL TOTAL blickt auf die glorreiche Karriere des „San Iker“ zurück.
Das Jahr 1999: Im Alter von gerade einmal 18 Jahren debütiert Casillas für die Profi-Mannschaft von Real. Am 12. September jenen Jahres war es beim 2:2 gegen Athletic Bilbao so weit.
In seiner Premieren-Saison kam der junge Iker auf insgesamt 46 Einsätze. 27 in der Liga, zwölf in der Champions League, fünf in der Copa del Rey und zwei bei der Klub-Weltmeisterschaft.
Der Spanier profitierte von der Verletzung der deutschen Nummer eins Bodo Illgner und konnte diesen dauerhaft aus dem Tor verdrängen. Dennoch sagte Casillas respektvoll: „Bodo ist ein absoluter Top-Torwart, von dem ich viel gelernt habe und weiterhin viel lerne.“
Als 19-Jähriger traf Casillas Anfang Mai 2001 im Halbfinale der Königsklasse auf Bayern München.
In der Spielzeit 2001/02 räumte der 20-jährige Casillas mit Real den Henkelpokal ab. Nach 2000 schon zum zweiten Mal. Siegtorschütze beim 2:1 gegen Bayer Leverkusen war Zinédine Zidane.
Längst war Casillas in Europa jedem Fan und Experten ein Begriff geworden.
August 2003: Casillas mit den „Galácticos“ David Beckham (links) und Luís Figo (Mitte).
Vier Jahre später: Auf internationalem Parkett treffen sich Casillas und die Bayern erneut. Nach den Erfolgen in 2000 und 2002 mussten die Königlichen gegen den deutschen Rekordmeister im Wettbewerb allerdings schon zum fünften Mal in Serie frühzeitig (Achtelfinale) die Segel streichen.
Dafür sollte Casillas in der Spielzeit 2006/07 wieder spanischer Meister werden. Nach 2001 und 2003 sein persönlich dritter Liga-Titel.
„Olé!“ Casillas und die Meister-Trophäe.
Dezember 2010: Casillas erhält zum dritten Mal die Auszeichnung de besten Torhüters der Welt.
Ein Titel, den der Mann aus Móstoles in bis dato zwölf Profi-Jahren noch nicht gewinnen konnte, war die Copa del Rey. Das änderte sich jedoch im April 2011, als Real den FC Barcelona in einem packenden Endspiel mit 1:0 bezwang.
Eine Liebeserklärung an den Verein.
Das neue Kapitäns-Duo: Casillas und Vize Sergio Ramos.
Die traditionelle Feier am Cibeles-Brunnen.
August 2011: Ramos und Casillas stemmen die Trofeo Santiago Bernabéu in die Höhe.
November 2011: Auszeichnung für Casillas für die meisten internationalen Spiele als spanischer Akteur.
2012: Casillas inzwischen zum vierten und fünften Mal zum besten Keeper des Planeten ernannt.
Der Schlussmann und Innenverteidiger Pepe. Acht Jahre lang sollten sie sich eine Kabine teilen. Als José Mourinho Casillas Anfang 2013 auf die Bank verdonnerte, stellte sich der Portugiese auf dessen Seite und forderte Respekt gegenüber der Klub-Ikone.
April 2012: Die Blancos triumphieren im Camp Nou mit 2:1 und sichern sich damit praktisch ihre insgesamt 32. Meisterschaft. Für Casillas die mittlerweile fünfte.
13. Mai 2012: Da ist das Ding! Casillas streckt den Liga-Titel als Kapitän in die Höhe.
Die Legende bei der Titel-Party an der Cibeles.
Feierei mit Weltstar Cristiano Ronaldo, für den es die erste Meisterschaft mit Real war.
August 2012: Real und Casillas schlagen Barcelona im Supercopa-Finale.
April 2013: Ein Treffer fehlte beim 2:0-Sieg gegen Borussia Dortmund zum Einzug ins Champions-League-Finale. Casillas, hinter Diego López inzwischen Reservist, tröstet den weinenden Spielführer Ramos.
August 2013: Casillas nimmt die Trofeo Bernabéu entgegen. Die Partie wurde damals als Abschiedsspiel für Legende Raúl genutzt.
April 2014: Zum zweiten Mal gewinnt Casillas den spanischen Pokal. Wieder musste Barcelona im Finale dran glauben. Diesmal siegte Madrid mit 2:1.
Jubel bei Casillas, Jubel bei den Madridistas.
Dem Copa-del-Rey-Triumph setzten die Merengues einen Monat später noch die Krone auf. Im Endspiel der Champions League traf man auf Atlético und bezwang den Stadtrivalen nach 120 Minuten mit 4:1!
Casillas war als Kapitän derjenige, der den langersehnten zehnten Titel auf europäischen Terrain überreicht bekam. Ein Foto für die Ewigkeit.
Auf diesen Moment hatte auch Casillas lange gewartet.
Ramos und Casillas: gemeinsam sind sie zweimal Europameister, einmal Weltmeister und schließlich auch Champions-League-Sieger geworden. Seit 2005 verteidigten sie dasselbe Trikot.
Casillas bei der Feier am berühmten Cibeles-Brunnen. Um 5 Uhr morgens herrschte mitten in Madrid nichts als Ekstase.
Auch im Bernabéu-Stadion wurde der riesige Triumph ausgiebig gefeiert. Mit dabei: Casillas’ Sohn Martín.
Die Titeljagd ging erfolgreich weiter. Am 12. August 2014 heimsten die Blancos dank eines 2:0 über den FC Sevilla den UEFA Super Cup ein…
…und etwas mehr als vier Monate später den Klub-WM-Titel. Ein perfektes Jahr mit vier Trophäen!
Es war der letzte Pokalgewinn für Casillas im Real-Trikot. Zum Ende des Spieljahrs 2014/15 sollte kein weiterer herausspringen. Sowohl in der Copa del Rey als auch in Meisterschaft und Königsklasse ging man leer aus. Es hätte sicherlich ein schöneres Ende für die Legende, die im Alter von neun Jahren in die Jugendakademie der Madrilenen kam, geben können.
„Iker, ewiger Dank für alles.“
Wenn ich vorher die Leidenschaft Ikers, jedes Spiel zu bestreiten, herausgestellt habe, will ich hinzufügen, dass ich in zeitlichem Abstand dazu bei ihm auch Wesenszüge erkannt habe, die mich überrascht haben. Ich glaube, diese sind ein Produkt der Reife, die mit dem Alter kommt. Bei Ende der letzten Versammlung der Nationalmannschaft, als die Liga soeben geendet hatte, und in der Zeit voller Gerüchte über Transfers sagte er mir, als wir uns am Flughafen verabschiedeten und uns einen schönen Sommer wünschten: ‚ Trainer, was auch immer passieren mag, du weißt, dass du auf mich auch als dritter Torwart zählen kannst.‘
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Auf persönlicher Ebene war Iker immer ein bescheidener Junge. Eigentlich ist das eine seiner herausragendsten Qualitäten für diejenigen, die ihn kennen, aber in seinem Beruf kennt sein Ehrgeiz keine Grenzen. An dieser Stelle dieses Kommentares für ihn scheint mir die Konstatierung seiner Reife angebracht. Und ich glaube, dass Iker eines Tages an dieser Geste noch weiter wachsen wird. Es ist nicht einfach, wenn du für lange Zeit die Nummer eins warst, die Einsicht zu besitzen, dass diese Etappe vielleicht sehr bald enden könnte. Man muss die Geste in all ihrem Wert anerkennen. Und ich glaube nicht, dass es mit wertschätzen getan ist, ich glaube, dass wir in der Nationalmannschaft gezwungen sind, unsere wichtigsten Spieler zu umsorgen. Ich sage nicht, dass unsere anderen Spieler das nicht verdienen, aber ich glaube, dass wir, wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten gesagt habe, als Teil der Fußballwelt verpflichtet sind, über die Essenz und ihre Helden zu wachen. Speziell über Iker, Puyol, Ramos, Iniesta, Torres, Busquets, Alonso, Villa, Silva, Cesc, Piqué und alle anderen, die es möglich gemacht haben, die besten Momente unseres Sports zu erleben.
Jetzt ist der Moment, eine neue Etappe zu beginnen. Neue Gelegenheiten wahrzunehmen, bei denen er weiter sein Siegergen unter Beweis stellen kann und weiter unser Vertrauen gewinnen kann, um auch in Zukunft Teil der Nationalmannschaft zu sein.“
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