
„Der Fußball auf der Straße erlaubte es mir, mich auszudrücken“
MADRID. Als Zinédine Zidane nach der Weltmeisterschaft 2006 seine Karriere beendete, verlor der Fußball nicht nur einen der besten Spieler aller Zeiten, sondern vermutlich auch einen der letzten wirklichen Spielmacher. „Zizou“ wusste nicht nur durch entscheidende Treffer, wie im WM-Finale 1998 oder im Endspiel der Champions League 2002 zu glänzen, sondern lebte in erster Linie davon, seine Mitspieler durch geniale Pässe in Szene zu setzen. Eine Eigenschaft, die in gewisser Weise auch den Charakter des eher introvertierten Franzosen widerspiegelt: Sich selbst rückte er nur ungern ins Rampenlicht, dafür ließ er lieber anderen den Vortritt. Wenig überraschend scheint es daher, dass es dem aktuellen Trainer der Castilla nach eigener Aussage viel mehr Freude bereitete, Tore vorzubereiten, als selbst als Torschütze in Erscheinung zu treten, wie er nun verriet: „Auf dem Feld war es für mich wichtiger, Vorlagen zu geben als zu treffen. Gegenwärtig gibt es nur wenige Spieler, die das sagen. Für mich war das so, es gefiel mir wirklich, meine Kameraden glänzen zu lassen.“
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Die unverwechselbare Genialität des Sohnes algerischer Einwanderer rührte speziell von dessen Vergangenheit als Straßenfußballer. Auf einem Betonplatz in Marseille lernte der spätere Weltstar das Fußball-ABC und verbrachte den Großteil seiner Kindheit zusammen mit seinen Freunden mit der Jagd nach dem runden Leder. Eine Erfahrung, die der 43-Jährige niemals missen wollen würde, da er durch das Spiel auf der Straße die Möglichkeit besaß, Dinge zu probieren und sich auszudrücken. Ein aus heutiger Sicht kostbares Gut, da diese Freiheit aufgrund der strengen Ausbildungspläne der Vereine heutzutage oftmals ein wenig zu kurz kommt: „Anfangs lernte ich den Fußball auf der Straße, im Viertel von Castellana, was es mir erlaubte, Dinge zu erfinden, Handlungen zu erfinden… Mit den Freunden zusammen sein, nur mit einem Ball und ohne Regeln, mit der Freiheit uns so auszudrücken, wie wir wollten. Das war unser Leben. Danach machte ich den Schritt zu den Profis, wo die Freiheit nur auf den letzten 30 Metern existierte. Dort lassen sie dich machen, was du willst. Ansonsten gibt es Pflichten: Stundenpläne, das Training.“

Eine verminderte Qualität der Ausbildung und Förderung der Nachwuchsfußballer impliziere dies allerdings nicht. Vielmehr sei es so, dass Jugendliche in diesen Tagen bereits sehr früh ein hohes Maß an (Selbst-)Verantwortung übertragen bekommen und dadurch auch schneller reifen. Demgegenüber stehe allerdings in gewisser Weise auch der Verlust einer unbeschwerten Kindheit, da die Toleranz für etwaige Fehler geringer ausfalle.
Ein Hauptgrund hierfür sei laut Zidane die Entwicklung der sozialen Netzwerke, die den Nachwuchsathleten ein Stück weit die Anonymität rauben würden: „Es gibt Ziele, aber man muss die Leidenschaft bewahren. Die Jugendlichen von heute, so nehme ich an, haben eine großartige Ausbildung und bekommen mehr Verantwortung auf dem Feld. Die Jungs haben keine Komplexe. Es gibt nichts, was sie stört, was ihnen Angst macht, was sie beeindruckt. Sie lassen sich mitziehen. Der heutige Fußball für die Jugendlichen ist anders, auch wenn man sich auf das Zeitalter der sozialen Netzwerke bezieht. Während meiner Zeit existierte das alles nicht. In unserer Freizeit ließen sie uns in Ruhe. Wir hatten das Glück, frei zu sein, waren frei, um uns zu amüsieren, um zu lernen, um unsere Dinge zu machen und auch unsere Dummheiten…“
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