
Kleckern statt klotzen
MADRID. Der erste Gedanke zu dieser “Zeitreise” mag sein, dass die in jüngerer Vergangenheit propagierte Beständigkeit weiterhin Obdach im Santiago Bernabéu gefunden hat. “Never change a winning team”, heißt es doch so schön in der Welt des Sports – in dieser Zusammensetzung feierte man doch gemeinsam mehrere Champions-League-Titel.
Allerdings, exakt an dieser Stelle gibt es den gewaltigen Haken in der spanischen Hauptstadt: Die bis zur Vorsaison bewusst behutsame Transferpolitik hat nach Jahren des Erfolgs, vor allem auf europäischer Ebene, mit der Desaster-Spielzeit 2018/19 ein krachendes Ende gefunden.
Für umfangreiche Veränderungen sollte diesen Sommer die Behutsamkeit weichen, Zinédine Zidane freie Hand auf dem Transfermakrt gewährt werden, um mit entsprechenden Mitteln den Umbruch zu forcieren. “Unangenehme Entscheidungen” kündigte der Franzose an. Kurz: Real wollte nicht mehr kleckern, sondern klotzen.

Kann man jedoch noch von einem Umbruch reden, wenn nach drei Jahren nahezu dieselbe Mannschaft (wieder) auf dem Rasen steht? Untätigkeit auf dem Transfermarkt kann jedenfalls nicht zum Vorwurf gemacht werden, die Blancos waren durchaus ordentlich auf Shoppingtour unterwegs, scheiterten aber auch an Wunschspieler Paul Pogba. Reagiert hat man in den königlichen Büroräumen und zweifelsohne auf dem Spielermarkt zugeschlagen: Für Eden Hazard, Ferland Mendy, Éder Militão, Luka Jović und Rodrygo Goes gab man über 300 Millionen Euro aus, um dem Kader eine Frischekur zu verpassen. Der Effekt? Scheint verpufft!
Zum einen fehlt irgendwie noch ein ganz großer Name, denn Transfers wie Neymar und Pogba stehen schon den ganzen Sommer über im Raum und werden von vielen sehnsüchtig erwartet. Während der Brasilianer inzwischen vollkommen vom Tisch zu sein scheint, stellt der Pogba-Deal zumindest eine Hängepartie dar und erweist sich als immer komplizierter. Ungeduld macht sich breit! Und selbst der Transfer von Superstar Hazard vermochte es nicht, alles mitzureißen. Eine mäßige Vorbereitung und angebliche Gewichtsprobleme des Belgiers sorgten für negative Spekulationen um seine Person. Aktuell laboriert er zudem an einer Muskelverletzung im Oberschenkel und befindet sich noch im Aufbau.

Zum Kurswechsel gezwungen
Und vor allem dieses Verletzungspech sorgte gepaart mit den nicht möglichen Verkäufen von Gareth Bale und James Rodríguez dafür, dass Zidane von seinen Plänen abweichen musste, oder sich zumindest zu einem Umweg gezwungen sah. Kein neues System, dafür viele alte Gesichter: Spieler wie eben Bale oder Leih-Rückkehrer James spielten in den sportlichen Konzepten des Franzosen eigentlich keine Rollen mehr und sollten den Verein verlassen. Doch nun, wie gegen Real Valladolid (1:1), werden sie wieder gebraucht. Schön für die beiden, nicht jedoch für den angestrebten Tapetenwechsel. Doch “Zizou” ist nun abhängig von solchen “ungewollten” Akteuren, denn andere Talente mit Perspektive wie Dani Ceballos, Takefusa Kubo oder Martin Ødegaard wurden verliehen. Womöglich ein Fehler, die Alternativen sind rar.
Die (noch) nicht stattgefundene Grundsanierung des Kaders und damit einhergehend das Festhalten an satten Akteuren wird nun für viele Beobachter der Grund für das Remis gegen Underdog Valladolid sein und sorgt bereits nach zwei Spielen, trotz der Ausbeute von vier Punkten, für weiteren Unmut im Fanlager der Merengues.
Die Vorsaison ist noch nicht aus den Köpfen und diente ohnehin nicht dazu, euphorisch in die Zukunft zu blicken. So ist kurzfristig keine Besserung in Sicht und dicke Wolken des Zweifels hängen über dem Bernabéu fest. Nur wenn sich das Lazarett lichtet und die Neuzugänge zünden, kann der französische Kader-Architekt weiter an seinem Umbruch basteln und wieder Erfolge wie einst in der Saison 2016/17 feiern. Vielleicht passiert bis 2. September doch noch ein Transferwunder, dann sollten solche Déjà-vu-Zeitreisen endgültig zur Vergangenheit gehören.
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