
Der italienische Del Bosque
MADRID. Carlo Ancelotti ist der neue Trainer von Real Madrid. Der neue Trainer von Florentino Pérez, wie der Präsident selbst es einen Tag vor der Verkündung des Deals stolz formulierte. Als sich Ende Mai mit der Verkündung des Abschieds von José Mourinho herauskristallisierte, dass der Italiener Paris St. Germain für den spanischen Rekordmeister verlassen würde, zögerte Pérez keine Sekunde lang. Er griff zum Telefon und rief den Mann an, den er in seiner vorherigen Amtszeit schon zwei Mal vergeblich an die Concha Espina lotsen wollte. Die Zusage des 54-Jährigen und das Okay der Franzosen ließen Pérez durchatmen. Anders als damals, als AC Mailands Vize-Präsident Adriano Galliani einem Wechsel vehement einen Riegel vorschob. Um keinen Preis ließen die „Rossoneri“ Ancelotti ziehen, weil sie wussten, was sie an ihm hatten. Der Fußball-Lehrer aus Reggiolo ließ nicht nur erfolgreichen Fußball spielen, sondern schaffte es auf besondere Art und Weise, die vielen Einzelkönner in seinem Kader zu einer Einheit zu formen. Das Resultat: Zwei Champions-League-Siege binnen vier Jahren.
[advert]
Einen Trainer mit den Attributen eines Ancelotti hatte Real Madrid auch. Sein Name: Vicente del Bosque. Oder auch: Die Ruhe und Besonnenheit in Person, der Vater und Mentor aller Spieler, der Freund eines jeden Arbeitskollegen. Pérez sah oder wollte die Wichtigkeit des heutigen Nationaltrainers Spaniens für die Mannschaft und den Verein nicht sehen und entschloss sich im Sommer 2003, seinen auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Es sollte der größte Fehler seiner Zeit als Präsident der Blancos werden. Mit Del Bosque, der ein einzigartiges Verhältnis zu seiner Star-Truppe um Zinédine Zidane, Luís Figo und Raúl González Blanco aufbaute, ging nämlich der Erfolg – langfristig. Fünf komplett überforderte Trainer folgten auf ihn, bis Pérez 2006 das Handtuch warf . Mit „Don Vicente“ hatte er es sich verscherzt, weshalb eine Rückkehr unmöglich war und weiterhin unmöglich sein wird. Sein letztes Ass im Ärmel sollte Ancelotti, der „italienische Del Bosque“, werden, doch dieser musste bei den „Rossoneri“ bleiben. Die Ära der „Galácticos“ scheiterte endgültig.
Ein Disziplinfanatiker wie Mourinho – aber ein lieber
Drei Jahre später kehrte Pérez zurück und versprach, alles wieder gut zu machen, den Erfolg zurückzubringen. Manuel Pellegrini gab der Bauunternehmer nach nur einer Saison einen Laufpass, holte für den Chilenen José Mourinho, der sich nach dem gewonnenen Champions-League-Finale mit Inter Mailand anbot. Fast eine halbe Milliarde Euro wurde ab 2009 für Spieler investiert, doch sogar mit „dem besten Trainer der Welt“, wie ihn Pérez mehr als nur einmal nannte, konnten nicht die gewünschten Ziele erreicht werden. In drei Spielzeiten wurden nur zwei Trophäen errungen und vom größten Coup, „la Décima“, träumt der Madridismo noch immer. Das Mourinho-Projekt ging letzten Endes aber nicht etwa wegen schlechtem Fußball oder seinen begrenzten Möglichkeiten als Trainer baden, sondern aufgrund des Charakters des Portugiesen. „The Special One“ war sogar einem Verein wie Real Madrid zu „special“. Sei es der Umgang mit der Presse oder mit Personen aus dem Klub (Beispiel Jorge Valdano) oder aus der Mannschaft (Beispiel Iker Casillas). Zu viele Nebenkriegsschauplätze wurden eröffnet, weshalb das Sportliche – vor allem in 2012/13 – ins Abseits geriet.
Aus der One-Man-Show Mourinhos, der spätestens nach dem Valdano-Rauswurf alle Zügel fest in seinen Händen hielt, hat man gelernt. Pérez, der in den letzten drei Jahren praktisch nur zusah und nicht einmal nach der heftigen Kritik des neuen Chelsea-Coachs an Casillas einschritt, wählte Ancelotti vor allem wegen seinem guten Umgang mit Spielern aus. „Carlo ist menschlich eine Eins. Er sorgt dafür, dass jeder Spieler glücklich ist. Er weiß, wie er die Spieler zu behandeln hat – ob jung oder alt“, so Lucas Moura, Spieler seines Ex-Klubs PSG. Sogar das Herz von Zlatan Ibrahimovic, der Fußball-Diva schlechthin, wusste der zweifache Familienvater für sich zu gewinnen. Der schwedische Top-Star: „Ich habe schon mit vielen großartigen Trainern zusammengearbeitet, aber noch nie mit einem, der eine derart gute Beziehung zu seinen Spielern hatte. Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Ich war eine gewisse Disziplin gewohnt, die mich unter Mourinho und Capello hat wachsen lassen. Aber die Methode von Carlo ist sanfter und geduldiger. Er überträgt den Spielern Verantwortung, aber auch viel Selbstvertrauen. Das liebe ich.“
Von allen Trainern, die ich hatte, war Carlo derjenige, der alles am ruhigsten und besonnensten handhabte. Sorgen und Spannungen behält er für sich, wodurch im Team permanent Ruhe herrscht und sich jeder auf den Fußball konzentrieren kann. Das Geheimnis unseres Erfolgs war die Normalität von Carlo. Er ist sehr intelligent. Milan-Ikone Paolo Maldini über seinen Ex-Trainer
Natürlich sind die 21-jährige Erfahrung als Profi-Coach und Erfolge in Italien, England und Frankreich auch Pluspunkte, doch diese stehen nicht im Vordergrund. Ancelotti ist ein Mann, den alle mögen. Ein Disziplinfanatiker wie sein Vorgänger, aber ein lieber. Mit Sympathieträger und Real-Legende Zinédine Zidane an seiner Seite wird er das angekratzte Image der Königlichen wieder aufbessern. Und wenn auf dem Platz wirklich elf Freunde stehen, kommt das Allerwichtigste – der Erfolg – von ganz alleine…
Keine News verpassen mit REAL TOTAL auf Twitter, Facebook und Google+
Community-Beiträge