
Ein untypischer Brasilianer als neuer Khedira-Konkurrent
MADRID. Wer ist eigentlich dieser neue Brasilianer im Starensemble Real Madrids? Diese Frage stellten sich nicht wenige Madridistas, als sie in den ersten Vorbereitungsspielen Carlos Henrique Casemiro im weißen Trikot in Aktion sahen. Mit Toren gegen Bournemouth und Olympique Lyon sowie vielen weiteren starken Auftritten zog der Mann im defensiven Mittelfeld die Blicke auf sich. Zwar kickte er in den letzten sechs Monaten schon für die B-Mannschaft des spanischen Rekordmeisters und gab sein Debüt für die erste Garde bereits im April gegen Betis Sevilla, doch so richtig zur Kenntnis nimmt man ihn erst seit wenigen Wochen, in denen er demonstrierte, zu einer echten Alternative für den Posten vor der Abwehr werden zu können. Der Chelsea-Rückkehr von Leihgabe Michaël Essien trauert sportlich gesehen niemand nach, denn Casemiro füllt nicht nur die Lücke des ghanaischen Zerstörers eins zu eins, sondern erzeugt zusätzlich Druck auf Sami Khedira. Neben den spielerisch überragenden Xabi Alonso, Asier Illarramendi und Luka Modric steht Chefcoach Carlo Ancelotti mit dem deutschen Nationalspieler also nicht nur ein robuster und zweikampfstarker „Staubsauger“ zur Verfügung, der die unauffällige – allerdings sehr wichtige – Arbeit des Balleroberns erledigt.
Untypisch für einen Brasilianer ist Casemiro kein Schönspieler – Hacke, Spitze, eins-zwei-drei sind ihm fremd. Er ist ein Taktiker und Abräumer, der mit der nötigen Härte in die Zweikämpfe geht und nicht davor scheut, sich sein Trikot dreckig zu machen. Vielleicht liegt es an seiner schmucklosen Spielweise, warum ihn in heute nur wenige Fußballbegeisterte kennen. Real Madrid lieh in zunächst für ein halbes Jahr vom FC São Paulo für die Castilla aus und entschied sich im Juni dazu, ihn für eine Ablösesumme von 5,3 Millionen fest für das A-Team zu verpflichten.
Vor zwei Jahren war Casemiro kein Unbekannter
Hätte Florentino Pérez dem brasilianischen Traditionsklub vor zwei Jahren ein solches Angebot für den 21-Jährigen unterbreitet, wäre er vermutlich ausgelacht worden. Damals, im Sommer 2011, galt Casemiro als eines der vielversprechendsten Talente Südamerikas und wurde von zahlreichen europäischen „Hausnummern“ umworben. Der AS Rom bot 17, Inter Mailand zwölf und Paris St. Germain zehn Millionen Euro für den zu jenem Zeitpunkt 19-Jährigen, der sich in seiner ersten Saison bei den Profis São Paulos zur unverzichtbaren Stammkraft spielte und obendrein mit Brasiliens U20-Auswahl Weltmeister wurde. „Es waren sogar Scouts vom FC Barcelona, AC Mailand, Benfica, Chelsea und Arsenal bei uns, um ihn zu beobachten“, verriet São Paulos Präsident, Juvenal Juvêncio, gegenüber der Zeitung AS.
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Vom begehrten zum gescheiterten Talent
Das Ergebnis wochenlanger Gespräche und Verhandlungen mit diesen Spitzenvereinen war jedoch der Verbleib Casemiros in seiner Heimat. Wie üblich für einen brasilianischen Verein pokerte São Paulo und teilte den Interessenten mit, sein Eigengewächs nicht unter 20 Millionen Euro abgeben zu wollen. „Wir wollten ihn nur für viel Geld verkaufen, aber hatten es auch nicht nötig, ihn ziehen zu lassen. Es war gerade einmal seine erste Saison und wir glaubten, nach einem weiteren starken Jahr von Carlos noch bessere Angebote für ihn zu erhalten“, so Juvêncio, der sich mit diesem Plan verzockte. Auf Casemiros grandiose Premierensaison folgte nämlich eine durchwachsene, die den Burschen von Wolke sieben knallhart zurück auf den Boden der Tatsachen holte. Er schien an den hohen Erwartungen, die der Klub und die Fans an ihn stellten, zu zerbrechen. Seine Leistungen schwankten zwischen Welt- und Kreisklasse, weshalb er es auch nicht über fünf Einsätze in der brasilianischen A-Nationalelf hinaus schaffte. Es war eine schwierige Zeit für Casemiro, dessen unkonstante Auftritte die Presse mit zu häufigen nächtlichen Diskotheken-Besuchen begründete. Sein Arbeitgeber nahm in öffentlich Schutz, doch diese Meldungen erreichten natürlich die Klubs, die im vorherigen Sommer noch eine Menge Geld für ihn bezahlen wollten. Marktwert und Interesse sanken rapide.
Die Castilla als Sprungbrett zum Glück
Um den begehrten Youngster, den viele schon als gescheitertes Talent bezeichneten, wurde es ruhig – bis Real Madrid im Januar 2013 beim FC São Paulo anklopfte. Kein Geringerer als José Mourinho machte sich dafür stark, den Rechtsfuß zunächst auf Leihbasis an die Concha Espina zu holen und ihm die Chance zu geben, die er schon als verloren ansah. Casemiro zögerte keine Sekunde und nahm den Flieger Richtung Spanien – wohl wissend, dass man ihn überwiegend für die zweite Mannschaft von Alberto Toril einplante. Sein Wechsel von der ersten brasilianischen Liga in die zweite spanische verstanden viele nicht, doch er sah das sechsmonatige Intermezzo als Gelegenheit, sich für höhere Aufgaben beim größten Klub der Welt zu empfehlen. Er hat nach seiner Achterbahnfahrt in Brasilien gelernt, bodenständiger zu werden und Tag für Tag hart zu arbeiten. Mit dieser Einstellung ging er die Herausforderung Real Madrid an und schaffte die Vereinsführung binnen weniger Zeit davon zu überzeugen, ihn für vier Jahre an die Profi-Truppe zu binden. Und zwar nicht als Reservist, wie die letzten Wochen zeigten. Manchmal muss man eben einen Schritt zurück machen, um weiter nach vorne zu gelangen…

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