
Ancelotti wählt López, dieser nutzt die Gelegenheit
MADRID. Gespannter als das Trikot an Sergio Ramos’ Brust erwartete der Madridismo das erste Pflichtspiel einer neuen Ära – den Auftakt in der Liga BBVA unter Madrids neuem Trainer Carlo Ancelotti gegen Betis Sevilla. Und der Italiener sorgte gleich für eine Überraschung – berief den „fitteren“ Diego López zwischen die Pfosten, ließ Legende Iker Casillas nur draußen, wodurch Ramos mal wieder als Kapitän auflaufen durfte. Ohnehin gab das Aussehen des Spaniers, der sich wieder vom „Dolph Lundgren“-Wasserstoffblond verabschiedete, heute mehr Anreiz für positiven Gesprächsstoff, als das, was der Kapitän stellvertretend für seine Mannschaft (zumindest in Durchgang eins) auf dem Platz ablieferte. Mit der Selbstbewusstsein-kleckernden Vorbereitung (sechs Siege, ein Unentschieden) gingen die Madrilenen auch in diese ersten von 38 Mal 90 Minuten gegen den Vorjahressiebten auf der Jagd zur 33. Meisterschaft. Dass die Sevillanos den Hauptstädtern das Leben so schwer machen würde, hat keiner erwartet – zumindest keiner der elf auf dem Platz. Mutig und frech scheuten die Gäste keinen Zweikampf, stets am Rande der Legalität mit einem Stollen in der Ferse und einem Arm an der Schulter. Und mit dieser unangenehmen Spielweise hätten sich die „Béticos“ bereits früh belohnen können, doch den riesigen Kopfball Jorge Molinas aus acht Metern machte der Madrider Riese zwischen den Pfosten mit einer nicht minder großen Parade zunichte. Tor-Bewacher López brillierte, Molina-Bewacher Ramos schlief.
Der Eindruck vom offenen Spielverlauf zweier Mannschaften, die sich auf gleicher Höhe befanden, blieb bestehen. Sevilla agierte geschickt, clever und mit hohem Einsatz – in der Offensive stellte sich das Überzahl-suchende Ancelotti-System gegen zwei sehr dicht hintereinander stehende Viererketten selbst ein Bein und bei Ballgewinn nutzten die Gäste den Raum der aufgerückten Hausherren mit direktem Zug zum Tor. Paradebeispiel: Minute 14. Ballverlust in der Vorwärtsbewegung, Sevillas Nosa nutzte Unordnung und Raum, stiefelte ohne Bedrängnis von der Mittelfeldlinie bis in den Strafraum, wo er von Ramos nur halbherzig und harmlos begleitet wurde und Molina den Querpass im Tor versenkte. Besaß ein früher Gegentreffer in der vergangenen Spielzeit meist einen Wecker-Effekt, fingen sich die Merengues nach dem 1:0-Gegentreffer fast den nächsten ein – aber Verdú war wohl zu überrascht, dass er im Strafraum so frei zum Schuss kam und drosch die Kugel an López‘ Kasten vorbei. Und beim spanischen Vizemeister? Wenig – zwei Mal kullerte der Ball bereits ins Betis-Netz, wurde jedoch abseitsbedingt zurück gepfiffen (vor der Halbzeit noch ein drittes Mal), ein Ronaldo-Freistoß ging weit drüber. Es dauerte, bis die königlichen Kombinationen saßen und ein Mittel gegen das engmaschige grün-weiße Gestrüpp gefunden wurde. Dann vier gute Chancen binnen zehn Minuten: für den „Schusspass“ des heute überragenden Marcelo auf den langen Pfosten fehlten Karim Benzema einige Schuhgrößen, kurz darauf vergab Ronaldo knapp, als im Strafraum mal nicht zwei Gegenspieler unter sein Hemd schlüpfen wollten, und eine Szene später setzte sich Mesut Özil mal stark durch, legte quer auf Benzema, der jedoch im letzten Moment noch entscheidend gestört wurde. In Minute 25 war es dann endlich soweit – der heute sehr aktive Benzema knallte das Spielgerät zum – inzwischen verdienten – Ausgleich ins Gehäuse. Dem 1:1 vorausgegangen war ein ruhiger und fast schon zu statischer Angriff der Merengues, die ihren Überzahldrang mal entscheidend ausspielen konnten, so lief die Kugel über mehrere Stationen an der Strafraumlinie entlang, ehe Isco Alarcón als letzte Station auf links den gestarteten Franzosen bediente. Tolles Tor, über das sich nicht nur Carlo Ancelotti, den es schon früh nicht mehr auf der Bank hielt, freute.
Mit dem verdienten Tor endete jedoch eine starke Phase der Hausherren und sie fielen wieder in alte Muster und dem engen Grün-Weiß-Muster der Gäste zum Opfer, die nach wie vor in der Physis überlegen waren. Vor dem Halbzeitpfiff hätten diese fast erneut getroffen – Daniel Carvajal verschlief bei einem Eckball für einen Wimpernschlag, wie sein Gegenspieler Nosa die Motoren startete und die einstudierte Standardsituation an der Latte des Madrider Gehäuses zerschellen ließ. Der Außenverteidiger war neben den Torhütern eine weitere Personalie, die in Spanien heiß diskutiert wurde – in der Offensive machte der Canterano stets einen guten Eindruck, war hinten jedoch oft wacklig oder körperlich überlegen, sodass in einer Szene selbst Ronaldo ihm hinten rechts aushalf – die oft fehlende Unterstützung Özils zeigte sich in dieser Szene jedoch ebenfalls.
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Marcelo spielt sich in den Himmel, beschert Isco den Siegtreffer
Zeit für die zweiten 45 Pflichtspielminuten unter Carlo Ancelotti, dessen Gesichtsfarbe im ersten Durchgang keine allzu netten Worte in der Kabine versprachen. Schon die ersten Sekunden nach Wiederanpfiff ließen vermuten, dass der 54-jährige Übungsleiter seiner Mannschaft den Ernst der Lage begreiflich machte. Allen voran: Benzema und Ronaldo, die nun näher und mehr zusammen spielten und nur Sekunden nach dem Wiederbeginn zwei Chancen hatten. Der Portugiese traf sogar wuchtig die Latte. Ebenfalls erwähnenswert: die galaktische Vorarbeit über Özil, Isco und Marcelo mit feinen, schnellen und direkten Pässchen. Ronaldo rückte, wie in der „Pretemporada“ schon regelmäßig gesehen nun öfter nach innen, Ancelotti wollte dem brasilianischen Linksverteidiger noch mehr Platz gönnen. Nach weiteren Chancen durch das königliche Sturm-Duo wechselte der Italiener durch: Carlos Casemiro (debütierte für Madrid bereits gegen Betis), Ángel Di María und Álvaro Morata kamen für den bemühten Sami Khedira, den vielleicht zu oft abgetauchten Özil sowie für Benzema. Der Argentinier brachte sich, wie die anderen auch, gut ein und sorgte in zwei Szenen für weitere Torgefahr. Betis beschränkte sich längst nur noch auf ihr Konterspiel und zitterte! Nicht nur, weil ihnen Kraft und Luft ausging und Ronaldo parallel sich noch mit praller Brust an Fallrückziehern versuchte, sondern auch weil Marcelo den Platz zu starken Aktionen nutzte – an seine spektakuläre Direktabnahme sollte Morata jedoch nicht ran kommen. Ein Treffer lag in der Luft und er konnte nur für die Hausherren fallen, die sich diesen inzwischen auch verdient hätten.
Die Art und Weise, wie der 2:1-Siegtreffer dann in der 86. Minute fiel? Begeisternd, mitreißend! Inmitten der geballten, königlichen Offensive schmiss sich ausgerechnet der Kleinste, Isco, in eine perfekte (na, von wem wohl?) Marcelo-Flanke und versenkte den Ball damit aus wenigen Metern per Kopf! Das Tordebüt des Andalusiers für die Madrilenen hätte er sich nicht toller ausmalen können, der Madridismo und sein neuer Coach ebenfalls nicht.
Aus dem 2:1-Sieg über Betis Sevilla gibt es viel Aufbereitungsarbeit, Madrids neuer Trainer wird nun einen idealen Geschmack erhalten haben, mit welcher Inbrunst manche Teams in La Liga gegen das große Madrid antreten und dann im zweiten Durchgang aufgrund des hohen Aufwands kollabieren. Welche Schlüsse der zweifache Familienvater aus diesen 90 Minuten ziehen wird, kann man am Montag, den 26. August ab 21 Uhr in Granada sehen – dort steigt das zweite Pflichtspiel in der Ära des Carlo Ancelotti. Zuvor treten die Blancos jedoch am Donnerstag ab 22:30 Uhr im Spiel um die Trofeo Santiago Bernabéu in Raúls Abschiedsshow gegen Al-Sadd an. Vielleicht dann auch mit Iker Casillas zwischen den Pfosten – auch wenn Diego López heute null Angriffspunkte für eine Degradierung geboten hat.
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