
Trennung mit Hindernissen: ein Einsatz in letzten zehn Spielen
Ja, die Tage des Sami Khedira bei Real Madrid sind gezählt. Aber rechtfertigt das einen derartigen Umgang, der in den letzten Wochen noch mehr Kopfschütteln verursacht, als ohnehin in den Monaten zuvor? Ich rede nicht von Carlo Ancelottis Umgang und der aussichtslosen sportlichen Situation des einstigen Publikumslieblings, sondern vom mangelnden Respekt einiger „Fans“.
Ich hole noch mal etwas aus. Fakt ist: Obwohl der italienische Trainer zuletzt mehrfach betonte, öfter auf den Deutschen zurückgreifen zu wollen (zum Beispiel am 10. April), ist der Mann aus Stuttgart so überflüssig wie die Europapokalvitrine bei Atlético. Bei den letzten zehn Pflichtspielen wirkte er nur ein Mal mit (gegen Schalke, Zufall?) – bei Auswärtsfahrten heißt’s inzwischen schon „Komm‘ Sami, bleib daheim, halt dich fit“, wie am letzten Sonntag, als es ins 500 Kilometer entfernte Vigo ging und der 28-Jährige über Instagram aus dem Trainingszentrum in Valdebebas vom „hart arbeiten“ berichtete, und dass er den „Sommer kaum abwarten“ könne. Natürlich nur wegen des Wetters. Ob die eingedroschene Ironie vom letzten Satz rüber kam?
An seiner Stelle würde ich mich auch auf Sommer stellvertretend für Tapetenwechsel, neue Herausforderung, neue Umgebung und neue Fans freuen. Denn was sich hier Anhänger bezeichnet, gleicht manchmal einem wirklichen, inzwischen müllbehäuften Anhänger mit geflickten Reifen, mit dem Vorwärtskommen unmöglich ist. Ja, Khedira wirkt ebenfalls überholt, ist seit seinem Kreuz- und Innenbandriss Ende 2013 nicht mehr der Alte (außer komischerweise in der Nationalmannschaft). Und konnte das unter Ancelotti wohl auch nie sein. Als „Schoßhund“ unter José Mourinho war er perfekt, drei Jahre lang unbestrittener Stammspieler, aber im nicht so defensiv-konterlastigen und weniger körperbetonten System des Italieners gibt es keinen Platz für den inzwischen verletzungsanfälligen Weltmeister. Als wären die drei Plätze im Mittelfeld nicht schon begrenzt genug, wurde in Person des ebenfalls kaum eingesetzten Lucas Silva bereits im Winter für Ersatz gesorgt. Von 2010 bis heute kämpfte, rannte und „drecksarbeitete“ der Schwabe in 161 Spielen (nur ein Deutscher lief öfter für Real auf) – im Sommer läuft sein Vertrag aus und man wird trotz der derzeitigen „Trennung mit Hindernissen“ im Guten auseinander gehen. Schlammschlacht à la Özil oder Di María? Ausgeschlossen, dafür ist der Spieler zu intelligent und zu respektiert von den „wahren“ Madridistas.
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Hinter dem Bildschirm mutiger als Ramos: „Haten“ kann jeder
Doch dann sind da die anderen. Die einen Kader ohne den „bestbezahlten Patienten der Welt“ als „traumhaft“ (Belege) bezeichnen oder sich sogar lustig machen, wenn der Deutsche für einen guten Zweck Artikel einiger Team-Kollegen versteigert – als würden seine getragenen Schuhe und Trikots unbeliebter als Barcelona-Schlüpfer sein. Vom Kommentargemetzel, wenn der Weltmeister dann mal spielt oder – was fällt ihm ein – auf der Bank sitzt, will ich gar nicht anfangen. Hier fehlt es an Rücksicht und Respekt! Im Internet kann man schnell mal „haten“, aber wenn Khedira oder Neymar dann vor einem stehen, ist die Kamera schneller ausgepackt als diverse Beleidigungen mit „-sohn“ in die Tastatur gerotzt. Por qué, warum? Alles schon vergessen? Nicht nur aus sportlichen Gründen gebührt der zweikampfstarken Nummer 6 Anerkennung. Wer hat beispielsweise hierzulande vielen die Augen beim Thema Cristiano Ronaldo geöffnet? Khedira berichtete häufig vom alles andere als eigensinnigen, sondern wohltätigen Wesen des genauso zu Unrecht gescholtenen Weltfußballers, der sich auch als inoffizieller Integrationsbeauftragter um neue Spieler kümmert. Wann gab es vom bescheidenen, disziplinierten und ebenfalls an Andere denkenden Schwaben (zuletzt unterstützte er eine Kinderorganisation in Brasilien und überraschte Nachwuchskicker in Stuttgart) negative Schlagzeilen – sportlich wie privat? Dem Muslim wurde nichts geschenkt, in der Kindheit wie in Madrid, er hat seine Bodenständigkeit nicht verloren, fährt gerne mal mit den Öffentlichen, unterstützt Organisationen wie den WWF, besitzt weder Ordner voller Werbeverträge noch zwielichtes Management oder Umfeld und auch die unterstellten hohen Gehaltsforderungen klingen doch nach sehr einfachen Vorwürfen angesichts der gescheiterten Vertragsverlängerung mit den Königlichen. Seiner öffentlichen Wahrnehmung wird er gerecht, ist Vorbild durch und durch und weiß (im Gegensatz zu manchen Madrider Kapitänen) auch über soziale Netzwerke Kollegen zu beglückwünschen oder verabschieden. In Reals Hymne ist von „caballero del honor“ die Rede – Khedira ist so ein Ehrenmann.
„Bis zur letzten Minute meines Vertrages werde ich für Real alles geben. Das ist für mich auch eine Frage der Ehre, auch wenn die ‚Gesetze unseres Geschäftes‘ das nicht immer leicht machen. Danach werde ich mich einer neuen und spannenden Herausforderung stellen. Real Madrid wird aber immer in meinem Herzen bleiben! Hala Madrid“, schreibt der Weltmeister auf seiner Website. In meinem Herzen wirst du auch bleiben, und in denen vieler anderer Madridistas – denn nur das hat „Comando Khedira“ verdient!
Real-Trikot mit KHEDIRA-Aufdruck – weiß-kurz, pink oder weiß-lang!
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