
Casillas und Pérez – ein angespanntes Verhältnis
MADRID. Neben Enttäuschung und größtenteils Trauer, die der Abgang von Iker Casillas hervorruft, gibt dieser gleichzeitg auch Rätsel auf. Die Umstände des Abschieds der Klublegende lassen doch dezente Zweifel aufkommen, dass hinter den Kulissen des Estadio Santiago Bernabéu alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Besonders die Beziehung zwischen „San Iker“ und Präsident Florentino Pérez war über die Jahre hinweg wohl nie die beste. Laut María del Carmen Fernández habe der Bauunternehmer schon immer einen gewissen Vorbehalt gegen ihren Sohn entwickelt: „Wir bemerkten es, als er 2005 kurz vor seinen ersten großen Vertrag stand. Anstatt ihn ein paar Jahre vorher zu verlängern, wie er es jetzt bei (Sergio) Ramos machen will, wartete er, bis der Vertrag kurz vor dem Auslaufen war. Ich sagte ihm: ‚Wenn dein Chef bis zum letzten Tag gewartet hat, um zu verlängern, dann will er dich nicht.‘“
Die damaligen Vertragsverhandlungen hätten sich lange hingezogen, am Ende entwickelte sich daraus ein echter Poker. Schon damals sei die (finanzielle) Wertschätzung von Seiten Pérez’ lange Zeit äußerst gering ausgefallen: „Sein Berater Ginés Carvajal sagte uns, dass der Präsident nur gewillt sei, uns eine bestimmte Summe zu geben und wir wiesen diese zurück. Unser Sohn hatte Angst, dass er am Ende mit nichts dastehen würde, aber wir überzeugten ihn, zu warten. Deshalb beachtete er uns dann und am Ende holten wir saubere 200 Millionen (Peseten; d. Red.) mehr vom Präsidenten heraus. Iker war genauso ein ‚Galáctico‘ und wir wollten nicht, dass er weniger verdient als Roberto Carlos. Mein Sohn ärgerte sich über Carvajal, weil der nur an Raúl dachte und er nichts dafür tat, bessere Konditionen herauszuholen. Ich sah das als normal an, weil schlussendlich die Berater für den Klub arbeiten. Wenn sie es schaffen, etwas für den Präsidenten zu sparen, teilen sie das zur Hälfte auf.“
Zuteil wurde dem fünfmaligen Welttorhüter diese Wertschätzung allerdings unter der Ägide von Pérez-Nachfolger Ramón Calderón. Casillas zählte zu dessen Lieblingen: „Calderón war ein Gentleman, nicht wie Pérez, der weder mit uns noch mit unserem Sohn einen Umgang pflegte. Er entschied, mit Iker zu verlängern, obwohl ihm noch drei Jahre von dem Vertrag blieben, den er mit Florentino aushandelte. Calderón sagte, dass er es sich verdiene und gab ihm 1.500 Millionen Peseten. Er fragte meinen Sohn, wie viel er verdienen möchte. Dieser fragte uns um Rat und wir sagten ihm: ‚Nicht eine Pesete weniger als Raúl.‘ Und so war es dann auch. Carvajal machte gar nichts.“
Die Ära Mourinho: Erst Lob, dann Ablehnung
Nachdem die vorzeitige Ausdehnung des Kontrakts unter Dach und Fach gebracht wurde, trennte sich Casillas von seinem Berater. Carvajal forderte daraufhin die Auszahlung seiner Provision aus dem mit Calderón ausgehandelten Vertrag (geschätzte fünf Millionen Euro). Der Canterano wollte dem jedoch nicht nachgeben, woraufhin der Ex-Agent ihn verklagte. Innerhalb der Familie war man jedoch der Meinung, dass der Verein dafür aufkommen solle und ergriff Gegenmaßnahmen. „Iker bat uns, dass wir den Klub verklagen, um uns zu stärken, denn in 98 Prozent der Fälle macht sich der Klub verantwortlich“, so del Carmen. Und tatsächlich: 2009 verklagte der Torhüter seinen Arbeitgeber.
[advert]
Kurz darauf kehrte Pérez zurück, nachdem Calderón des Wahlbetrugs überführt worden war. Dass die Handlung Casillas’ beim alten und neuen Klubchef nicht auf große Begeisterung stieß, erklärt sich von selbst. Es soll sogar soweit gereicht haben, dass dieser der Madrider Ikone den Weltmeister-Titel mit Spanien 2010 missgönnt habe: „Wir wissen, dass dies Florentino schwarz ärgerte. Er wollte nicht, dass mein Sohn an der Spitze steht und noch weniger, dass einer Person, die er hasst, Weltmeister wird.“
Das Verhältnis zwischen Pérez und Casillas war angezählt, sportlich schien jedoch weiterhin alles im grünen Bereich. Auch unter Neu-Trainer José Mourinho konnte der Welt- und Europameister brillieren und „the Special One“ bezeichnete seinen Schützling 2011 noch als „besten Torwart der Welt“. Gemeinhin gilt Mourinho in der Folge durch die Degradierung der Vereinsikone als einer der Hauptgründe für die Entwicklungen der letzten Jahre. Möglicherweise passierte dies aber nicht gänzlich auf Initiative des Portugiesen: „Im ersten Jahr unter Mourinho hörte dieser nicht auf, zu sagen, dass er der beste Torwart der Welt sei. Aber das änderte sich, als der Klub sah, dass wir die gerichtliche Auseinandersetzung weiterführen.“
2012: Casillas zieht die Klage zurück
Die Verhandlungen zwischen den Eltern und Generaldirektor José Ángel Sánchez zogen sich bis in den April 2012 hinein. Dort spitzte sich die Situation vor dem bitteren Champions-League-Aus gegen Bayern (3:4 n. E.) zu. „Mein Sohn war sehr nervös, weil Real ihn unter Druck setzte, dass wir zurückziehen und die Verhandlung am Tag nach der Partie war. Wir hielten Real in Atem“, so die Mutter. Am Verhandlungstag selbst entschied Casillas dann, die Anklage zurückzuziehen und fand einen Konsens mit Carvajal: „Er ließ uns im Regen stehen und einigte sich mit Ginés, ihm eine Summe zu zahlen, die der Klub ihm zurückgeben würde.“
Real Madrids neues Heim- und Auswärts-Trikot 2015/16 online bestellen
Community-Beiträge