Interview

„Benítez mochte mich nicht, machte mich aber zu einem besseren Spieler“

Die Stars von Real Madrid sprechen öffentlich in den höchsten Tönen von Rafael Benítez. Ob es in der Zukunft auch dabei bleiben wird? Der 55-jährige Cheftrainer verstand sich nicht immer mit all seinen Spielern blendend. Einer davon: Steven Gerrard. In der am 24. September erscheinenden Autobiographie „Steven Gerrard – My Story“ packt der 35-Jährige aus und erzählt von einem nicht harmonischen, aber durchaus hilfreichen Verhältnis.

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Rafael Benítez Steven Gerrard
Steven Gerrard und Rafael Benítez verbrachten sechs Jahre gemeinsam in Liverpool

„Er fragte meine Mutter: ‚Mag Steven Geld?‘“

LOS ANGELES/LIVERPOOL. Solange Rafael Benítez mit Real Madrid nicht die UEFA Champions League und die spanische Meisterschaft gewinnt, wird seine Zeit beim FC Liverpool als die erfolgreichste in der Karriere gelten. An der Merseyside gewann der 55 Jahre alte Spanier mit der Königsklasse und dem FA Cup zwei unbestritten prestigeträchtige Wettbewerbe. Insbesondere aufgrund des historischen Triumphs auf internationaler Bühne genießt Benítez in der englischen Industriestadt noch heute den Status eines Helden. Der Iberer war und ist dort beliebt – aber nun auch nicht bei jedem.

Einer davon ist kein geringerer als Steven Gerrard. Derjenige, der die „Reds“ zwölf Jahre lang als Kapitän aufs Feld führte. Der Cheftrainer und der Spielgestalter pflegten zwar ein professionelles Verhältnis miteinander, aber alles andere als ein freundschaftliches. „Ich glaube, er mochte mich als Person nicht. Ich bin mir nicht sicher, weshalb, aber das ist das Gefühl, das ich habe“, so Gerrard: „Es fing wahrscheinlich bereits an, bevor er überhaupt mit mir sprach, als er meine Mutter traf. Gerard (Houllier) stellte Rafa bei meiner Mutter vor. Rafa schüttelte ihre Hand, begrüßte sie und fragte sofort sehr direkt: ‚Mag Steven Geld?‘ Abgesehen von dem ‚Hallo, schön, Sie kennen zu lernen…‘ waren das die ersten Worte von Rafa an meine Mutter. Ich dachte: ‚Was ist das denn für eine Frage?‘“

„Andere nannte er beim Vornamen, ich war aber immer ‚Gerrard‘“

Den 35-Jährigen, der Liverpool nach insgesamt 26 Jahren im Sommer gen Los Angeles verließ, beschlich früh das Gefühl, dass der jetzige Übungsleiter Real Madrids nicht all seine Akteure gleich behandelt. „Ich dachte, dass er unsere Spanisch sprechenden Spieler bevorzugen würde. Er war besonders ein Fan von südamerikanischen Spielern, was in Ordnung ist. Das sorgte nicht für Probleme zwischen uns. Auf Pressekonferenzen nannte er andere Spieler bei ihrem Vornamen, ich aber war immer ‚Gerrard‘. In der Kabine war es dasselbe. Er würde Namen vorlesen und Spitznamen benutzen. Bei mir wäre es aber einfach nur ‚Gerrard‘. Ich kann nach dem Telefon greifen und all meine ehemaligen Liverpool-Trainer sprechen – außer Rafa. Es ist beschämend, denn wir erlebten gemeinsam wahrscheinlich den größten Abend unserer Karrieren – den Champions-League-Sieg 2005 in Istanbul –, doch es gibt zwischen uns keine Verbindung“, bedauert Gerrard.

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„Ich hatte den Hunger, von ihm ein Kompliment zu erhalten“

Dennoch konnte der 114-fache englische Nationalspieler diesem Umstand auch etwas Positives abgewinnen. Die Disharmonie habe ihm es sogar ermöglicht, sich weiterzuentwickeln. „Unsere Beziehung war absolut professionell und sein kühles Wesen brachte mich dazu, ein besserer Spieler zu werden. Ich hatte den Hunger, von ihm ein Kompliment zu erhalten. Aber es war auch der Hunger danach, ihn wissen zu lassen, dass er mich als Spieler wirklich braucht. Wir waren wie Feuer und Eis. Es hätte mich nicht besser spielen lassen, wenn er plötzlich damit begonnen hätte, mich ‚Stevie‘ zu nennen. Ich wollte nur das nächste Spiel gewinnen und wusste, dass Rafa uns in der Regel dabei helfen konnte“, meinte „Stevie G“.

Dem schloss er voll des Lobes sogar noch an: „Er war taktisch der beste Trainer, mit dem ich in Liverpool und England gearbeitet habe, deshalb hat es mich nicht beschäftigt, wie er mich rief. Auf menschlicher Ebene bevorzuge ich einen sympathischen Trainer wie Gerard Houllier oder Brendan Rodgers, aber in Sachen Fußball habe ich wirklich nichts dagegen, mit einem kälteren Menschen zusammenzuarbeiten. Eine emotionslose und distanzierte Beziehung kann manchmal mehr Erfolg produzieren.“ In der Kabine der Königlichen ist man sich derzeit sicher, dass das auch mit einer guten Stimmung zwischen Trainer und Team gelingt…

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

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