Reportage

„Er war stärker als die anderen“ – die Anfänge des Casemiro

Carlos Casemiro gelingt endgültig der Durchbruch bei Real Madrid. Der 23-Jährige überzeugt im Mittelfeld und könnte auch im Champions-League-Kracher gegen Paris St. Germain am Mittwoch (20:45 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker) eine wichtige Rolle spielen. Einer, der nie an einer großen Karriere des Brasilianers zweifelte, ist sein Entdecker Nilton Moreira.

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Carlos Casemiro
Die Formkurve von Carlos Casemiro zeigt steil nach oben

„Schon damals hatte er eine Menge Selbstvertrauen“

MADRID. Das Ausleihen eines Spielers rentiert sich für große Vereine nicht immer. Oft stagniert die Entwicklung der Betroffenen bei anderen Klubs oder Verletzungen bremsen die Akteure endgültig aus. Im Fall von Carlos Casemiro scheinen die Verantwortlichen von Real Madrid aber alles richtig gemacht zu haben. Seit seiner Rückkehr vom einjährigen Gastspiel beim FC Porto kristallisiert sich der 23-Jährige immer mehr als große Verstärkung im Mittelfeld der Königlichen heraus, zuletzt beim 3:0-Heimsieg über Levante. Einer, den diese Leistungssteigerung nicht überrascht, ist Nilton Moreira. Der Brasilianer entdeckte Casemiro, als er sechs Jahre alt war.

„Ich habe Casemiro kennengelernt, als ich meine Fußball-Schule in São José dos Campos im Jahr 1997 eröffnete. Seine Cousine spielte damals für das Team der Mädchen. Sie sprach mit mir über ihn und ich nahm ihn auf. Schon damals hatte eine Menge Selbstvertrauen“, fiel Moreira die breite Brust des Jungen auf. Aber auch in anderen Bereichen hatte er den anderen Kindern viel voraus: „Er begann in der U9 und stieg dann in die U11 auf. Er war viel stärker als die anderen Kinder in seinem Alter. Aber es war mehr seine Dynamik als seine Körperkraft. Er hatte hervorragende Fähigkeiten, den Ball zu spielen und zu kontrollieren.“

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„Wir sahen ihn als nächsten Dunga“

Carlinhos, wie er in der Schule schon bald genannt wurde, entwickelte sich prächtig. Beim Fußballspielen konnte er auch die sozialen Schwierigkeiten vergessen, die seine aus bescheidenen Verhältnissen stammende Familie durchmachte. Die Mutter des Sechsjährigen arbeitete von früh bis spät, um ihren ältesten Sohn und dessen zwei jüngere Brüder zu ernähren. Da war die Fußballschule von Moreira auch eine willkommene Tagesstätte: „Ich habe ihn auf fast jeder Position spielen lassen, außer im Tor. Er konnte überall spielen: in der Verteidigung, defensives Mittelfeld, offensives Mittelfeld, manchmal ganz vorne. Er hatte immer schon eine gute Ballbehandlung mit beiden Beinen und eine gesunde Einstellung“, erklärte er der spanischen Sportzeitung AS.

In der Schule spielte das große Talent, bis die Akademie von São Paulo anklopfte. Der Traditionsverein, mit dem Moreira eine Kooperation hatte, kannte den damals 13-Jährigen schon seit längerem. „Sie haben ihn schon lange davor beobachtet. Dort wurde er zum defensiven Mittelfeldspieler, auch wenn er auf dem Flügel anfing. Er machte bei São Paulo sofort den Unterschied aus. Es wirkte, als würde er mit jüngeren spielen, aber sie waren genauso alt, wie er. Sein Schuss war fantastisch und er gewann viele Titel: den Junior Copa São Paulo, landesweit der wichtigste Pokal dieser Altersklasse, und er führte Brasilien als Kapitän zum U20-WM-Titel gemeinsam mit Neymar und Lucas Moura in der Mannschaft. Als er klein war, sahen wir ihn als nächsten Carlos Dunga oder Mauro Silva. Wegen seiner Genauigkeit und Ballverteilung.“

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„Casemiro ist in Porto erwachsen geworden“

Allerdings entwickelte sich aus dem selbstbewussten Auftreten des U20-Weltmeisters auch in der Heimat ein wenig schmeichelhafter Spitzname: „Casemarra“, eine Kombination aus Casemiro und dem portugiesischen Wort für arrogant, „marrento“. Für 5,3 Millionen Euro wechselte er 2013 schließlich in die zweite Mannschaft der Königlichen. Ein wichtiger Zwischenschritt, wie Moreira meint, denn vor allem seiner technischen Entwicklung half das Training in der Castilla: „Ich habe immer schon gesagt, dass sein Stil wegen seiner Dynamik und Athletik sehr gut nach Europa passen würde. Auch wenn ich glaube, dass er auf der Sechser-Position am besten aufgehoben ist. Heute ist er ein kompletter Spieler, für das europäische Spiel wie geschaffen.“

Und die Verwandlung ist noch nicht abgeschlossen. Zuletzt schwärmte Real-Coach Rafael Benítez von der Lernbereitschaft seines Schützlings. Der Schlüssel in Casemiros Entwicklung sei jedoch die Zeit in Porto gewesen, wo er in der Zentrale zeitweise wie ein Routinier aufspielte. „Er ist dort erwachsen geworden. Er wurde selbstständiger und bekam noch mehr Vertrauen in seine Fähigkeiten. Und als er nach Madrid zurückkam, hatte er eine gute Form. Er wird ein sehr wichtiger Spieler für Benítez werden, das konnte man in Derby sehen sehen. Ich verstehe nicht, warum Dunga ihn nicht für die WM-Qualifikation einberufen hat“, bemängelt Moreira die Politik des Nationaltrainers.

Demnächst will er Madrid einen Besuch abstatten, um ein paar seiner Schüler bei spanischen Vereinen vorspielen zu lassen. In der Hauptstadt macht der Fußballlehrer aber nicht nur Geschäfte. Ein Besuch beim Real-Spieler, den er als sechsjährigen Jungen kennenlernte, ist Pflicht: „Er ist wie ein Sohn für mich. Ich habe ihm seinen ersten Ausweis besorgt, seinen Reisepass und ich war bei seiner Hochzeit. Ich bin sehr stolz auf ihn.“

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