
MADRID. Das königliche Lazarett lichtet sich nur langsam. Seit Saisonbeginn werden die Spieler von Real Madrid von Verletzungen heimgesucht. In den bisher absolvierten 20 Partien in allen Wettbewerben mussten insgesamt 17 Spieler kürzer treten. Neuestes Opfer ist Isco, der aufgrund muskulärer Probleme seine Teilnahme an der Länderspielen Spaniens gegen England und Belgien absagen musste und für den Clásico gegen den FC Barcelona am 21. November fraglich ist. Doch wie kommt es zu so einer großen Anzahl an Verletzungen und welche Rolle spielt das umstrittene Ärzteteam der Madrilenen dabei? Ein Überblick über die Situation beim spanischen Rekordmeister.
Interne Differenzen mit dem Chefarzt
Es ist nicht verwunderlich, dass viele Anhänger der Blancos den Leiter der medizinischen Abteilung, Dr. Jesús Olmo, als Sündenbock auserkoren haben. Nicht erst seit bekannt wurde, dass der Chefarzt Interna aus der Mannschaftskabine an seinen guten Freund, den Real-Präsidenten Florentino Peréz, weitergegeben haben soll, wird er in den Katakomben des Trainingszentrums gemieden. Eine anonyme Vertrauensabstimmung unter den Spielern, eingeleitet von Kapitän Sergio Ramos, soll Olmo laut AS und MARCA deutlich verloren haben. Dabei wollte das Team erreichen, die medizinische Abteilung zumindest von der Umkleidekabine fern zu halten. Wie die Affäre weiterging, ist nicht bekannt. „Ich werde nicht lügen, das ist die Realität“, bejahte Ramos nach der Niederlage in Sevilla die Frage, ob es interne Differenzen gäbe, wollte aber nicht weiter darauf eingehen: „Wir müssen die Saison bestmöglich beenden, und dann können wir reden.“
„Bei Muskelverletzungen gibt es viele Faktoren“
Tatsächlich ist Olmo wohl einer der am wenigsten beliebten Mitarbeiter bei den Königlichen. Ihm aber die Hauptschuld an der Verletzungsmisere umzuhängen, wäre zu einfach. Dr. Ximo Mas, Physiotherapeut und einer der Assistenten von Olmo, versuchte die große Anzahl an Spielern mit muskulären Problemen bereits vor zwei Wochen zu erklären: „Bei muskulären Verletzungen gibt es einige Faktoren wie Übertraining, Ernährung, Spielanzahl, Alter oder Vorverletzungen. Wir hatten viel Pech – und die restlichen Verletzungen entstanden durch Gewalteinwirkungen wie Fouls oder Zusammenstöße.“ Diese Faktoren könne man nicht beeinflussen, wie es etwa bei den Nationalspielern Gareth Bale oder James Rodríguez im den letzten Wochen der Fall war: „Der Trainer (Rafael Benítez, Anm.) hat bereits erklärt, dass 60 Prozent der Muskelverletzungen bei Aufenthalten bei der Nationalmannschaft ausgebrochen sind.“
Medizinische Abteilung neu aufgestellt
Außerdem hätten in der vergangenen Saison unter Carlo Ancelotti als Cheftrainer viele Spieler zu früh wieder grünes Licht für einen Einsatz bekommen. Solche Handlungen haben dann auch Konsequenzen für die neue Spielzeit, wie man beim seit über einem Jahr nicht länger als zwei Monaten am Stück fitten Waliser Bale sehen kann. Aus diesem Grund haben die Verantwortlichen bei Real im Sommer das Ärzteteam ausgetauscht. Teile der Neuaufstellung waren die Verpflichtung von Mas, der von Levante geholt wurde und bereits bis 2013 in Madrid tätig war, sowie die Beförderung Olmos, dem mehr Verantwortung übertragen wurde. Die Spieler sollen bereits mit der Absetzung der Physiotherapeuten Pedro Chueca, Dani Pirri and Juan Muro unzufrieden gewesen sein. Dass sich die medizinische Situation nun erst recht verschlechtert habe, macht die Stimmung in der Mannschaft nicht besser. Auch wenn Benítez beteuert, nie mit einem besseren Ärzteteam zusammengearbeitet zu haben.
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Internationale Vorbereitung verantwortlich?
Auch abseits der polarisierenden Abteilung ranken sich die Theorien. Eine davon ist die zu kräftezehrende Vorbereitung. Es ist kein Geheimnis mehr, dass sich die langwierigen und zähen Reisen durch Asien und den Rest der Welt bei kaum einem Kadermitglied allzu großer Beliebtheit erfreuen. Die Trips dienen vor allem dazu, hochkarätige Sponsoren zufrieden zu stellen und neue Märkte zu erschließen. Dass dabei tausende Reisekilometer zurückgelegt werden und zwischen den vielen Testspiel-Turnieren nicht immer optimal trainiert werden kann, ist nebensächlich. Nichtsdestotrotz teilt sich Real dieses Schicksal mit so gut wie jedem Verein, der in der Champions League etwas zu melden hat und schien mit starken Auftritten, etwa beim International Champions Cup, nicht viel falsch zu machen. „Fakt ist, dass wir am 31. August keinen einzigen verletzten Spieler in unseren Reihen hatten“, hielt auch Dr. Mas fest.
In Wahrheit spielen wohl viele Faktoren eine Rolle an der Situation. Aber solange nicht der Großteil der Stars wieder auf dem Trainingsplatz erscheint, werden die Diskussionen weitergehen. Auch gute Leistungen der derzeit kraftlos wirkenden Mannschaft können die Verletztenmisere nicht vergessen lassen. Einen Lichtblick bietet die Rückkehr von James Rodríguez, der wieder bei vollen Kräften zu sein scheint. Mit der Nationalmannschaft erreichte der Kolumbianer ein 1:1 gegen Chile und war der einzige Torschütze seiner Auswahl. Eine Spitze gegen Benítez, der ihn in Madrid offenbar zu lange auf der Bank schmoren ließ, ließ sich der 24-Jährige danach allerdings nicht nehmen. Ein neues Kapitel, das den Haussegen in Madrid nicht unbedingt gerade rückt.
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