
Das Problem liegt tiefer
MADRID. Luka Modric brachte es nach dem desaströsen Clásico mit wenigen Sätzen auf den Punkt. „Es ist nicht das erste Mal, dass das passiert. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen und mir scheint es, dass dem nicht so ist“, so die treffende Analyse des Kroaten im Anschluss an das 0:4 gegen den Erzrivalen. Nach dem nicht minder vernichtenden 0:5 im Camp Nou in der Saison 2010/11 musste man innerhalb von fünf Jahren zum zweiten Mal eine deutliche und demütigende Niederlage gegen die Katalanen hinnehmen. Nun aber zu sagen, dass es sich bei diesen Klatschen um unglückliche Einzelfälle gehandelt habe, ist zu einfach, denn dafür ist die Bilanz gegen Barça in den letzten Jahren einfach zu schwach und auch eindeutig. Vielmehr zeigte das Duell im Bernabéu gnadenlos auf, wo derzeit die großen Unterschiede zwischen beiden Vereinen liegen und warum Barcelona den Königlichen aktuell einige Schritte voraus ist: Auf der einen Seite ein Team, das als beeindruckendes Kollektiv zusammenarbeitet und bei dem jedes Rädchen ins andere greift, das ein System und eine Philosophie verinnerlicht hat und die Klasse seiner Ausnahmespieler gekonnt in Szene zu setzen zu weiß, auf der anderen Seite ein zusammengestelltes Star-Ensemble ohne erkennbare Struktur und ohne Gefüge, bei dem man das Gefühl hatte, ein jeder würde nur für sich selbst spielen.
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Ob die Gründe für das Auseinanderbrechen während des Clásicos nun in der an diesem Abend mangelhaften Taktik Rafael Benítez, in der schlechten Einstellung der Spieler oder der mangelhaften Spielpraxis von Leistungsträgern wie Karim Benzema zu suchen sind, ist eigentlich unerheblich. Denn die Begegnung zeigte eines unverkennbar: Reals Problem liegt tiefer. Während Barcelona auf eine über Jahre gewachsene, schon von Johan Cruyff in den 80er-Jahren initiierte, Struktur zurückgreifen kann, die ein einheitliches Spielsystem umfasst, welches sich von der Jugend bis in die erste Mannschaft durchzieht, ist man bei den Blancos meist jedes Jahr aufs Neue bemüht, die Scherben der letzten Spielzeit zusammenzuklauben. Während man bei Barça seit Jahrzehnten auf das klubtypische 4-3-3 setzt und sich sowohl Trainer als auch Spieler dem System anpassen müssen respektive überhaupt erst nach diesem ausgesucht werden, ist man in Madrid eigentlich seit Jahren auf Identitätssuche, da man sich durch wilde Wechsel der Übungsleiter und teils unerklärliche Transfers (sowohl was Zu- als auch Abgänge betrifft) immer wieder selbst im Weg steht.
Pérez zufrieden mit Status Quo
Dass Florentino Pérez großen Anteil an dieser Entwicklung besitzt, ist unbestreitbar. Selbstverständlich sind dessen Leistungen in Bezug auf die voranschreitende Entschuldung des Vereins und den Ausbau der Marke Real Madrids nicht unter den Tisch zu kehren, aber Fakt ist auch, dass das Vereinsoberhaupt im sportlichen Sinne nicht immer richtig gehandelt hat. Dass sich strukturell innerhalb des Vereins etwas ändern muss, wurde bereits im Sommer erkannt und durch die Verpflichtung von Víctor Fernández als neuer Jugendleiter ein erster Schritt in die richtige Richtung unternommen. Der unter anderem Ex-Coach des FC Porto und Celta Vigos zeichnet sich für den kompletten Nachwuchsbereich verantwortlich und sorgt dafür, dass die Ausbildung aller Jugendmannschaften nach einer einheitlichen Philosophie erfolgt und feste Spielsysteme respektive -abläufe implementiert werden. Doch verlaufen all diese Maßnahmen im Sand, wenn in der ersten Mannschaft nicht nach selbem Schema gearbeitet wird und der Kader weiterhin überwiegend nur nach Marketingaspekten zusammengestellt wird.
Berichten der MARCA zufolge wurden im Kreise der Vereinsspitze sowie sogar in Pérez’ Vertrauenszirkel Rufe nach der Rückkehr zum Sportdirektor-Modell laut, sodass das Vereinsoberhaupt einen Experten bei Transferfragen an seiner Seite weiß und dieser sich überdies für die sportlich-strategische Ausrichtung des gesamten Vereins, wie beispielsweise Matthias Sammer beim FC Bayern München, verantwortlich zeichnet. Pérez selbst steht dem allerdings skeptisch gegenüber und sieht den Verein mit der Installierung Fernández’ im Jugendbereich gut genug aufgestellt. Mit dem früheren Valdebebas-Verantwortlichen Ramón Martínez besitzt Pérez zwar mittlerweile einen Berater für sportliche Fragen, doch umfasst dessen Kompetenzbereich nicht die strategische Ausrichtung der Profis. Fraglich, ob der langfristigen Entwicklung des Vereins dadurch geholfen ist…
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