
4-2-3-1, 4-1-4-1 oder doch das altbewährte 4-3-3?
MADRID. „Der Fußball muss den Spielern und den Zuschauern vor allem Freude bereiten. Ich bin nicht Trainer geworden, damit sich die Leute langweilen.“ Mit diesen Worten gab Zinédine Zidane, seit Montag offiziell Chefcoach der Profis von Real Madrid, im April einen ersten Einblick darüber, wie er sich den Fußball unter seiner Führung vorstellt. Nun hat der dreimalige Weltfußballer nach knapp eineinhalb Jahren bei der Castilla die Möglichkeit, seine Vorstellung von Fußball in der ersten Mannschaft zu implementieren und sich auf höchstem Niveau zu beweisen. Angesprochen auf seine Philosophie, gab „Zizou“ auf der Pressekonferenz an, „schönen und defensiv ausgeglichenen Fußball“ spielen lassen zu wollen. Zudem sei es sein Konzept „schnell zu spielen, nach vorne und in des Gegners Hälfte zu gelangen“. Doch wie sieht dies konkret auf dem Platz aus?
Die Castilla agierte überwiegend in einem 4-2-3-1 oder in einem 4-1-4-1. Auffällig dabei war, dass Zidane zumeist darauf verzichtete, einen rein defensiv ausgerichteten zentralen Mittelfeldspieler aufzustellen, sondern nur auf spielstarke Akteure setzte, welche Ballsicherheit im Zentrum versprechen. Ein klares Indiz, dass man auch in Zukunft mit der Besetzung Toni Kroos und Luka Modrić vor der Abwehr rechnen kann. Im Aufbauspiel lässt der Franzose mit hochstehenden Außenverteidigern und einem abkippenden Sechser agieren, um die tendenziell sehr offensive Ausrichtung entsprechend absichern zu lassen. Wie bei seinem großen Lehrmeister Carlo Ancelotti spielt das Thema defensive Balance also eine sehr große Rolle. Das Spiel nach vorne ist auf schnelles Kombinationsspiel ausgelegt, wobei die einzelnen Spieler dazu angehalten sind, das Risiko nicht zu scheuen und vertikale Schnittstellenpässe zu versuchen.
Vieles läuft über das Zentrum, was Spielern wie Isco oder James Rodríguez sicherlich entgegen kommen wird, aber auch die offensiven Außenspieler orientieren sich oftmals in Richtung Mitte, was den aufrückenden Verteidigern Platz verschaffen soll. Da Zidane jedoch ankündigte, auf jeden Fall weiterhin auf das Trio Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und Karim Benzema setzen zu wollen, könnte der 43-Jährige sein System auch ein wenig optimieren und auf das mittlerweile bewährte 4-3-3 zurückgreifen. Alles in allem lässt sich sein Spielstil jedoch nicht nur auf das Kombinationsspiel reduzieren, denn ab und an griff auch die Castilla auf lange Bälle zurück oder versuchte durch Rhythmuswechsel einzelner Akteure (meist Martin Ødegaard oder Borja Mayoral) für Überraschungsmomente zu sorgen.
Im Spiel gegen den Ball wird das eigene Verhalten eher situativ dem Gegner angepasst, hohes, energisches Pressen findet jedoch selten Anwendung. Der Fokus bei der Castilla lag in erster Linie darauf, kompakt zu verteidigen und zumeist mit acht oder neun Mann hinter den Ball zu kommen, um eher tief stehend bei entsprechenden Fehlern zuzuschlagen und durch dann aggressives Anlaufen das Spielgerät zu erobern. Bei Ballgewinn besteht das Ziel dann darin – ganz im Stile José Mourinhos –, so schnell wie möglich die sich bietenden Räume zu besetzen und den Angriff mit einem Torabschluss zu beenden.
Aufbauspiel als Risikofaktor
Selbstverständlich war aber auch das System der Castilla nicht frei von Schwächen. Durch die sehr offensiv ausgerichteten Außenverteidiger und das risikoreiche, direkte Kombinationsspiel wurde das Team – der Absicherung durch einen defensiven Mittelfeldspieler zum Trotz – bei Ballverlusten im Aufbau doch oftmals auf dem falschen Fuß erwischt, da die Staffelung in der Zentrale nicht immer fehlerfrei funktionierte. Dass man mit Modrić und Kroos allerdings über das wohl ballsicherste Mittelfeld Europas verfügt, könnte Zidane die Arbeit in diesem Hinblick natürlich erleichtern. Durch das fokussierte Spiel durch das Zentrum wurden zudem die Flügel oftmals ein wenig vernachlässigt, was der Franzose in Hinblick auf die personelle Besetzung der ersten Mannschaft auf dieser Position vermutlich zu ändern versucht.
[advert]
Durch die ihm nun zur Verfügung stehende individuelle Klasse ist jedoch davon auszugehen, dass Zidane seine Spielweise zu perfektionieren vermag und die offensichtlichen Schwachstellen aus der Castilla nicht ganz so gravierend zum Tragen kommen. Die zentrale Frage wird ohnehin sein, inwieweit es der neue starke Mann bei den Königlichen schaffen wird, dem Team die zuletzt so schmerzlich vermisste defensive Balance einzuimpfen. Denn drückte zu Saisonbeginn oftmals noch im Angriff der Schuh, ist es aktuell die teils konfuse Defensivleistung, die den Fans am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Man darf gespannt sein, inwieweit der Großmeister diese Probleme in den Griff zu bekommen vermag.
Bleibe immer up-to-date: Folge REAL TOTAL auf Facebook und Twitter!
Community-Beiträge