Einzelkritik

Das Hinrunden-Zeugnis 2015/16: Mittelfeld und Sturm

Der Rückrunden-Auftakt steht kurz bevor und es ist Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Wie Real Madrids gesamte Hinrunde glichen auch die Leistungen der Spieler einem permanenten Auf und Ab. REAL TOTAL wirft einen Blick auf die Einzelleistungen der Profis und stellt ein Hinrunden-Zeugnis aus. Teil II: Mittelfeld und Sturm.

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Karim Benzema war zweifelsohne Reals bester Offensivspieler in der Hinrunde

Mittelfeld

Toni Kroos

Einsätze: 22
Einsatzminuten: 1.850
Tore / Assists: 0 / 7
Durchschnittsnote: 2,91

Man könnte eigentlich eine Schablone über die Bewertungen der Leistungen des deutschen Nationalspielers in dieser Saison legen: Offensiv stets eine Bank, defensiv mit vielen Unzulänglichkeiten. Durch seine Ballsicherheit, seine Pressingsresistenz und auch seine Passqualitäten (und darunter nicht nur Querpässe) ist der Weltmeister für die Art von Fußball, die man mittlerweile bei Real zu spielen pflegt, unverzichtbar. Allerdings muss Zidane unbedingt das Positions-Problem rund um den gebürtigen Greifswalder lösen. Benítez setzte Kroos meist als den defensiveren Akteur der Doppelsechs ein, was diesem im Defensivspiel aber schlichtweg nicht liegt. Der 25-Jährige verlässt zu oft seine Verteidigungslinie oder rückt nicht konsequent ein, wodurch erhebliche Räume zwischen den Linien entstehen können. Dass der ehemalige Bayern-Profi ein hervorragender Pressingspieler sein kann, bewies er unter anderem bei seinen Sahne-Auftritten gegen Paris (0:0 und 1:0), als er jedoch als Achter beziehungsweise hängende Spitze agierte. Kroos machte seine besten Spieler, wenn Casemiro hinter ihm spielte und er dadurch mit hohem Risiko in die Pressing-Situationen gehen konnte, da er eine Absicherung im Rücken wusste. Dieser Problematik sollte sich „Zizou“ dringend annehmen, sei es durch einen Positionswechsel oder eine taktischen Umstellung.

Casemiro

Einsätze: 18
Einsatzminuten: 1.212
Tore / Assists: 0 / 3
Durchschnittsnote: 2,57

Eigentlich eher als Investition für die Breite des Kaders angesehen, ist der Brasilianer mittlerweile dank zeitweise sehr überzeugender Auftritte ein ernsthafter Kandidat für die Stammelf. Ist vermutlich der einzige Spieler im Kader, den man als reinen defensiven Mittelfeldspieler bezeichnen kann, und genau das macht ihn so wertvoll. Spätestens nach dessen überragender Performance gegen Atlético, als er sowohl als giftiger Zerstörer vor der Abwehr als auch mit einem starken Spielaufbau aus der Tiefe glänzte, hatte Casemiro bei Benítez (und auch den Fans) einen großen Stein im Brett. Erwischte nur selten einen schlechten Tag und lieferte beständig gute Leistungen ab. Ist ein hervorragender Balance-Spieler, der permanent Löcher stopft und sich bei Bedarf auch in die Abwehrkette fallen lässt. Durch seine enorme Zweikampfstärke eine Waffe, die aus taktischer Sicht goldwert sein kann. Büßte gegen Ende der Hinrunde allerdings an Konstanz ein und fand sich oft nur auf der Bank wieder. Es wird spannend zu sehen sein, wie Zidane mit dem Rückkehrer aus Porto in Zukunft plant.

Mateo Kovačić

Einsätze: 20
Einsatzminuten: 899
Tore / Assists: 1 / 1
Durchschnittsnote: 2,93

Der Überraschungstransfer in diesem Sommer, der jedoch von Landsmann Luka Modrić mit höchsten Lorbeeren versehen und von diesem bereits als zukünftiger Kandidat für den Ballon d’Or betitelt wurde. Als Stammspieler kann man den Kroaten aktuell freilich noch nicht bezeichnen, doch sein enormes Potential deutete der 21-Jährige schon oft genug an. Mit einer guten Technik sowie einem sehr explosiven Antritt ausgestattet, ist der von Inter Mailand gekommene Mittelfeld-Motor hervorragend als Bindeglied zwischen Defensive und Offensive geeignet. Aber auch im Spiel gegen den Ball ist Kovačić durchaus eine Bereicherung, da er stets taktisch diszipliniert agiert und die nötige Robustheit mitbringt. Zu Beginn überwiegend als Joker unterwegs, ließ er bei seinen wenigen Startelf-Auftritten sein Potential immer wieder aufblitzen. Leider machte er sich aber unter anderem sein starkes Spiel gegen Valencia (2:2) durch eine unnötige Rote Karte zunichte. Alles in allem jedoch eine qualitativ wie quantitativ sinnvolle Verstärkung, die in Anbetracht des Alters noch eine Menge Entwicklungsspielraum besitzt. Wie stark der Kroate wirklich ist, wird man wohl erst sehen, wenn er wirklich mal ein paar Spiele hintereinander von Beginn an bestritten hat. In diese Position zu kommen, muss dessen Ziel sein.

Luka Modrić

Einsätze: 23
Einsatzminuten: 1.758
Tore / Assists: 1 / 3
Durchschnittsnote: 2,55

Legte los wie die Feuerwehr und knüpfte nahtlos an seine starke Form aus der Vorsaison an. Der Kroate war in der ersten Hälfte der Hinrunde zweifelsohne der beste und wichtigste Akteur im Kader und trug das Team durch tolle Auftritte zu vielen Siegen. Mit anmutiger Eleganz lenkt der Regisseur die Königlichen Offensivaktionen und ist bei der Initiierung nahezu jedes Angriffes beteiligt. Und auch beim Spiel gegen den Ball unheimlich wichtig, da er sich für keinen Weg zu schade ist und enorm viele Löcher stöpft. Wie Kroos auch war Madrids Nummer 19 allerdings zu oft auf sich allein gestellt, da sich die Defensivbemühungen der Sturmabteilung bekanntlich nicht wenige Male in Grenzen hielten. Dass diese intensive und kraftaufreibende Spielweise nicht spurlos am mittlerweile 30-Jährigen vorbeigeht, zeigten die letzten Begegnung der Hinrunde, als Modrić physisch ein wenig abbaute und nicht mehr so spritzig und geistig frisch wie noch zu Saisonbeginn wirkte, was sich auch in untypischen Ballverlusten widerspiegelte. Zidanes Hauptaufgabe wird es sein, die richtige Dossierung der Einsätze für den Kroaten zu finden, damit man im Saisonendspurt auf einen Luka Modrić in Bestform zählen kann.

James Rodríguez

Einsätze: 12
Einsatzminuten: 740
Tore / Assists: 3 / 6
Durchschnittsnote: 3,09

Nach dessen glanzvoller Debütsaison verlief die diesjährige Hinrunde für den Kolumbianer mehr als ernüchternd. Aufgrund der Copa Ámerica mit Trainingsrückstand in die Saison gestartet, langte es am ersten Spieltag nur für die Bank, einen „Jornada“ später folgte jedoch ein Glanzauftritt beim 5:0 über Betis Sevilla inklusive (obligatorischem) Traumtor. Danach war aber erstmal Schicht im Schacht, denn James verletzte sich auf der Länderspielreise schwer und fiel fast zwei Monate aus. Bei seinem Comeback gegen Sevilla (2:3) gab der Südamerikaner zwar erneut eine überzeugende Antwort, doch in den kommenden Wochen erreichte der 24-Jährige seine Leistungsgrenze nur selten. Dies mag zum einen im etwas unterkühlten Verhältnis zu Benítez begründet liegen, mit dem er allem Anschein nach die beste Beziehung pflegte, aber es war auch James’ Auftreten auf dem Platz, das Fragen aufwarf. Offensiv ungewohnt wirkungslos und ohne Durchsetzungsvermögen, defensiv überwiegend gar nicht existent, wirkte er eine Zeit lang wie ein Fremdkörper im Spiel. Auch wenn Benítez für seine Entscheidung, den WM-Torschützenkönig 2014 gegen Valencia auf die Bank zu setzen, hart kritisiert wurde, war sie in Anbetracht der vorangegangenen Leistungen eigentlich folgerichtig. Unter Zidane gilt es für den letztjährigen Überflieger nun in die Spur zu finden, durch seinen ordentlichen Auftritt gegen Deportivo nach seiner Auswechslung gelang jedenfalls der erste Schritt in die richtige Richtung.

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Isco

Einsätze: 21
Einsatzminuten: 1.464
Tore / Assists: 3 / 8
Durchschnittsnote: 3,15

Nachdem der Fan-Liebling vergangene Spielzeit unter Carlo Ancelotti zeitweise zu den Hauptprotagonisten des Teams zählte, war man rund um das Bernabéu gespannt, in welche Richtung die Entwicklung beim offensiven Mittelfeldspieler gehen würde. Eine mehr als vielversprechende Vorbereitung ließ die Hoffnung wachsen, dass sich der 23-Jährige auf dem Weg in die Stammelf befinden könnte. In der Saison selbst konnte der spanische Nationalspieler den Erwartungen allerdings nicht immer gerecht werden, auf zwei gute bis sehr gute Auftritt folgten in der Regel zwei schwache. Genie und Wahnsinn liegen beim dribbelstarken Andalusier oftmals nah beinander, ist er in manchen Partien durch ein starkes Dribbling oder einen spielentscheidenden Pass der Matchwinner, trifft er in anderen Begegnungen permanent die falschen Entscheidungen und bringt sich so um den verdienten Lohn. Woran der Edeltechniker vor allem arbeiten muss, ist die Effektivität seiner Aktionen. Ähnlich wie bei James knisterte es wohl auch bei ihm und Benítez ordentlich, weshalb der Ex-Coach in seinen letzten Partien an der Seitenlinie gar nicht mehr auf Madrids Nummer 22 zurückgriff. Zidanes Nominierung gegen Deportivo zeigte, dass er gewillt ist, auf Isco zu setzen, jetzt muss dieser das mit Leistung auch zurückzahlen.

Gareth Bale

Einsätze: 16
Einsatzminuten: 1.219
Tore / Assists: 12 / 10
Durchschnittsnote: 2,6

Startete mit tollen Auftritten (auf neuer Position), wie so einige, sehr gut in die Saison, ehe auch der Waliser nach dem 3. Spieltag durch eine Verletzung komplett aus dem Rhythmus gebracht wurde. Der 26-Jährige kam zwar relativ schnell wieder auf die Beine, doch nach zwei unterdurchschnittlichen Auftritten folgte der nächste verletzungsbedingte Rückschlag und der „walisische Express“ war erneut zum Zuschauen gezwungen. Nach dem zweiten Comeback beendete Benítez (glücklicherweise) auch das Experiment mit Bale auf der Zehnerposition und beorderte eine Rückkehr zum altgedienten 4-3-3 mit dem Linksfuß auf dem Flügel. Dies tat sowohl der Mannschaft als auch dem Spieler extrem gut und nach kurzer Eingewöhnungszeit legte Madrids Nummer 11 eine wahrliche Leistungsexplosion hin. Permanent anspielbereit und mit guter Bindung zum Spiel war Bale der Ausgangspunkt vieler Angriffs-Situationen und endlich wohnte dessen Pässen und Flanken auch die nötige Präzision inne, wovon auch Cristiano Ronaldo und Karim Benzema extrem profitierten. In den letzten Partien war Bale ein absoluter Leistungsgarant, was auch der Blick auf die Zahlen untermauert. Diese Leistung muss er jetzt nun aber endlich einmal über einen langen Zeitraum konservieren.

Lucas Vázquez

Einsätze: 15
Einsatzminuten: 672
Tore / Assists: 1 / 5
Durchschnittsnote: 2,91

Aufgrund einer sehr durchwachsenen Vorbereitung eher kritisch beäugt, spielte sich der Canterano im Laufe der Rückrunde mehr und mehr in die Herzen der Fans. Egal ob als rechter Verteidiger oder Außenstürmer – Vázquez erledigte seine Aufgaben stets gewissenhaft und mit großem Fleiß. Im Spiel nach vorne kann der quirlige Rechtsfuß durch seine Dribbelstärke stets eine Waffe darstellen, die vor allem als Einwechsel-Option äußerst interessant erscheint. Defensiv ist der 24-Jährige jedoch nicht minder wertvoll, da er seine Abwehraufgaben stets konsequent erfüllt und vor allem durch seine Schnelligkeit auch in der Arbeit nach hinten eine Bereicherung darstellt. Wird auch unter Zidane weiter zu seinen Einsätzen kommen, mehr als sporadisch dürften diese in Anbetracht der namhaften Konkurrenz jedoch nicht ausfallen.

Denis Cheryshev

Einsätze: 6
Einsatzminuten: 117
Tore / Assists: 1 / 1
Durchschnittsnote: 4

Abgesehen von seiner unrühmlichen Rolle bei der Copa-Disqualifikation eine verkorkste Hinrunde für den Russen, der mit großen Erwartungen nach Madrid zurückgekehrt war. Nach einem tollen Jahr bei Villarreal und einer ebenso passablen Vorbereitung spielte Cheryshev bei Benítez jedoch eigentlich nie eine Rolle. 117 Minuten sprechen eine sehr deutlich Sprache. Ob der 25-Jährige auch in der Rückrunde das königliche Trikot trägt, ist aktuell mehr als fraglich.

Sturm

Cristiano Ronaldo

Einsätze: 25
Einsatzminuten: 2.550
Tore / Assists: 25 / 10
Durchschnittsnote: 3,04

Eine seltsame Halbserie des Portugiesen, deren Bewertung ein mittelmäßiges Fazit ergibt. Die Zahlen sprechen eindeutig wieder für ihn, doch neben einigen Gala-Auftritten lieferte der dreifache Weltfußballer eben auch einige unterirdische Vorstellungen ab, bei denen er speziell durch seine nicht vorhandene Bindung zum Spiel sowie seine extrem negative Körpersprache auffiel. Ronaldos Einfluss auf das Spiel der Königlichen ist global betrachtet immer noch enorm, da allein dessen körperliche Präsenz das taktische Verhalten des Gegners beeinflusst. Was das Spiel ohne Ball angeht, ist der 30-Jährige ohnehin weiter unerreicht. In puncto Laufwegen sucht man im Weltfußball vergeblich einen weiteren Spieler mit ähnlicher Intelligenz für Räume und das Timing, in diese hineinzustoßen. Auch wenn der Torjäger zeitweise (zurecht) hart in der Kritik stand, muss man ihm auch zu Gute halten, dass die Formkurve in den letzten Wochen stark nach oben zeigte. Ronaldo partizipierte wieder vermehrt am Spiel und wirkte sehr spritzig und agil. Untypisch ist allerdings die Menge an Großchancen, die die Nummer 7 in dieser Spielzeit bislang liegen ließ, und wodurch man auch einige Punkte abgab.

Karim Benzema

Einsätze: 18
Einsatzminuten: 1.289
Tore / Assists: 18 / 1
Durchschnittsnote: 2,31

Ist das der stärkste Benzema, den es je gab? Vermutlich, ja. Neben seinen spielerischen Qualitäten hat der Franzose in dieser Spielzeit auch endlich seinen Killerinstinkt entdeckt und präsentiert sich vor des Gegners Gehäuse so eiskalt und treffsicher wie noch nie in seiner Karriere. Ließ „Benzegol“ in der Vergangenheit noch in schöner Regelmäßigkeit gerne mal riesige Hochkaräter liegen, trifft die Nummer 9 in dieser Saison nahezu nach Belieben. Und noch viel wichtiger: Auch die Ermittlungen rund um dessen angebliche Verwicklung in den Erpressungskandal um Nationalmannschafts-Kollege Mathieu Valbuena brachten den 27-Jährigen nicht aus der Bahn und er antwortete mit starken Leistungen auf dem Platz. Es ist müßig darüber nachzudenken, wo man aus Sicht der Blancos nun stehen könnte, hätte sich Benzema in der Mitte der Hinrunde nicht verletzt. Auch der Blick auf den Notenschnitt verrät: In dieser Hinserie definitiv der konstanteste und stärkste Offensivakteur bei Real.

Jesé Rodríguez

Einsätze: 14
Einsatzminuten: 579
Tore / Assists: 2 / 2
Durchschnittsnote: 3,0

Es bleibt dabei: Jesé kommt seit seinem Kreuzbandriss einfach nicht richtig auf die Beine und spielte auch unter Benítez überwiegend nur die zweite Geige. Die Vorbereitung gestaltete sich aus Sicht des Linksaußen zwar positiv, doch nach einem enttäuschenden Auftritt im ersten Saisonspiel blieb bis auf Weiteres erst mal nur der Bankplatz. Als zwischenzeitlich auch die Offensive von erheblichen Verletzungen geplagt war, konnte sich der Canterano mit teils ordentlichen Auftritten zwar wieder ins Rampenlicht spielen, langfristig allerdings über die Reservistenrolle hinauszukommen scheint schwer. Mit Ronaldo ist Jesés Position eigentlich unantastbar besetzt und für die Mittelstürmer-Position, auf der Benítez zeitweise mit ihm plante, ist der 22-Jährige, der vor allem von seiner Schnelligkeit und Dynamik lebt, schlichtweg nicht die Optimalbesetzung. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich dessen Situation nun unter Zidane verändert.

Real Madrids Trikots 2015/16: weiß-kurzgraublau und weiß-lang

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von
Yannick Frei

Hauptberuflich im Nachwuchsfußball zuhause. Von den Großmeistern Figo und Zidane verzaubert, bin ich bis heute ein glühender Anhänger des größten Klubs der Welt.

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