Zuerst natürlich die Fragen, die wir den Experten stellten. Bis zum großen Duell am Samstag (16:15 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker) folgen jeden Tag Antworten von zwei weiteren Clásico-Fachmännern.
- Was ist für Dich das Besondere am Clásico?
- Wie glaubst du, wird das Spiel ablaufen?
- Und: Deine „krassesten“ Erinnerungen an den Clásico (gut oder schlecht)?
REAL TOTAL fragt, die Clásico-Experten antworten
Phil Kitromilides (englischsprachiger Reporter bei Realmadrid TV):
- Ich denke, die wirklich besondere Sache am Clásico ist, wie international er ist. Es ist nicht nur das größte Spiel in Spanien, sondern der Welt, und die ganze Welt schaut zu. Kein anderes Spiel kommt dem internationalen Prestige näher.
- Tore gibt es immer, also denke ich, werden auch einige fallen. Ein Unentschieden wäre natürlich gut für Real und würde den Abstand bei sechs Punkten halten. Ich sehe ein 2:2 oder vielleicht ein 3:2 für Madrid.
- Wie Cristiano im Camp Nou getroffen hat: Sowohl 2012 mit seinem „Calma“-Tor als auch den Siegtreffer letzte Saison. Beides brillante Tore, die auf ihre Art und Weise eine Menge bedeuteten.
José Emilio Amavisca, gewann von 1994 bis 1998 sechs Titel mit den Blancos:
- El Clásico ist das meistgesehene Fußballspiel der Welt. Die Rivalität zwischen diesen beiden Mannschaften löst Leidenschaft auf den fünf Kontinenten aus. In Spanien geht das noch über das Sportliche hinaus – bis ins Feld der Politik. Das Land steht praktisch still während dieser Begegnung. Niemand kann sich dem entziehen, auch wenn er nicht ein Fan einer der beiden Mitstreiter ist.
- Das Spiel wird, wie immer, voller Chancengleichheit und Emotionen sein. Die Ausgangssituation und Tabellensituation ist egal… es geht bei Null los und wenn du fähig bist, den größten Gegner zu bezwungen, bedeutet das eine große Portion Moral. Dieses Jahr scheint es, dass Real Madrid besser in den Clásico geht, doch der Clásico gleicht die Kräfte immer aus.
- Meine schönste Erinnerung ist, als wir 5:0 in der Saison 1994/95 gewannen. Danach endeten wir als Meister. Meine schlechteste Erinnerung: Jedes Mal, wo ich verlor. Es hinterlässt einen sehr schlechten Geschmack im Mund und es ist schwierig, das zu vergessen.
Alex Aljoe, Moderatorin bei Realmadrid TV:
- Der Clásico ist ein äußerst außergewöhnliches Spiel. Und so viel mehr als nur Fußball: Es verbindet Menschen aus der ganzen Welt. Menschen, die eine Leidenschaft teilen, und das ist Weltklasse-Fußball. Es bringt auch die besten Fußballer des Planeten zusammen auf ein Spielfeld. Es gibt kein Spiel, das es mit dem Clásico aufnehmen kann.
- Es wird extrem eng, denn beide Teams wissen, worum es geht. Auch wenn es noch sehr fr+h ist, en Real-Sieg würde ihnen eine sehr gute Chance auf den Titel geben. Das Spiel wird vermutlich einem gewohnten Muster folgen: Vorsichtig zu Beginn, mit beiden Seiten, die sich abtasten, und weiter offen in der zweiten Hälfte.
- Mein Lieblings-Clásico ist von letzter Saison im April, nur zwei Monate nachdem ich zurück nach Madrid zog, nachdem ich in der Premier League arbeitete. Ich erkannte, dass kein Spiel in England dem Clásico nahe kommt und zeigte mir, dass ich die richtige Entscheidung traf, wieder in La Liga zu arbeiten. Barcelona schienen unschlagbar damals und dann so verdient im Camp Nou zu gewinnen, gab Real Antrieb, auch die Champions League zu gewinnen.

Rubén Pintor, Häuptling des Münchner Real-Fanklubs Peña Madridista de Múnich:
- Für mich ist ein Spiel gegen Barcelona immer ein besonderes Spiel. Warum, ist schwer zu beschreiben: Ich glaube, dass kann man nur verstehen, wenn man ein richtiger Fan von Real Madrid ist. Die Rivalität macht aus einem Clásico was Besonderes; die Freude, wenn wir siegen ist unglaublich – für mich vergleichbar mit einen Meisterschaft! Und: Gegen Barcelona zu gewinnen bedeutet meistens am Ende Meister zu sein!
- Ich meine, dass wir ganz locker siegen würden 0:5 oder 0:4. Ich tippe aber auch immer dasselbe.
- Ich kann mich gut erinnern an viele gute Momente, zum Beispiel: Ich war dabei bei Real Madrids 4:1 über Barcelona im Bernabéu (2008), genau eine Woche davor sind wir Meister geworden. Leider war ich auch dabei im Bernabéu, als Real Madrid 2:6 verlor (2009)… was für eine riesige Niederlage!
Sportjournalist und Barça-Experte Alex Truica:
- Da muss man etwas ausholen: Das Besondere ist zum einen, dass es ein Spiel zweier so gegensätzlicher Rivalen ist, ein Kulturkampf, der über die Jahre und durch die Historie bedingt zu einem bedeutungsschwangeren Spiel weit über das Sportliche hinaus angewachsen ist. Politik, Kultur, Geschichtliches – es spielt einfach so viel mehr rein als nur das Sportliche. Hinzu kommt, dass der Clásico natürlich auch rein sportlich gesehen immer unglaublich brisant ist – einfach dadurch bedingt, dass beides absolute Top-Teams sind, die jedes Jahr um den Titel konkurrieren (ja, ihn meist unter sich ausmachen) und es in Spanien bei Punktgleichheit auf den direkten Vergleich ankommt. Das führt dazu, dass bei kaum einem Spiel mehr Emotionen vorherrschen – bei Spielern, Verantwortlichen, Fans, den (nicht immer objektiven Journalisten) – teilweise auch nicht nur bei Fußballfans beider Lager, sondern auch darüber hinaus. Der Kulturkampf führt dazu, dass sich das Land in Weiß und Blau-Rot teilt. Mehr Emotionalität gibt es vielleicht nur bei Derbys in Südamerika. Diese Mixtur macht den Clásico so besonders. Es ist einfach mehr als nur ein Fußballspiel.
- Ein Clásico ist nie wirklich vorherzusehen – zumindest nicht mehr seit der Guardiola-Mourinho-Ära. In jedem Spiel kann alles passieren. Bestes Beispiel sind die letzten beiden Clásicos: Wohl niemand hätte ein 4:0 Barcelonas im Bernabéu vorhergesagt – im Rückspiel gewann dann, ebenfalls ziemlich überraschend, plötzlich Madrid im Camp Nou. Von daher: Man weiß wirklich nie. Favoriten gibt es keinen, auch Form zählt meist nicht. Der Clásico an sich birgt ja eine ungemeine Motivation für beide Teams – ein vorher guter oder schlechter Lauf spielt zumeist also keine Rolle. Früher hätte ich gesagt: Es läuft spielerisch zumindest so ab, dass Barça mehr Ballbesitz hat und auf Sicherheit und Kontrolle aus ist, während Madrid auf schnelle Gegenstöße und/oder eine Überrumpelungstaktik aus ist. Aber wie die letzten Spiele zeigten, kann man sich besonders bei ersterem nicht mehr sicher sein. Leider.
- Meine „krassesten“ Erinnerung ist ein Clásico, den ich vor Ort erlebte. Ich war beim 2:1 im Oktober 2013 im Camp Nou, beim berühmten „La Vaselina de Alexis“- Tor, dem Lupfer über Diego López. Mehr Freude, Entzückung, Glückseeligkeit und Erleichterung – es war eine wahrer Gefühlsrausch – habe ich bei einem Tor vielleicht nie mehr erlebt, abgesehen von Messis Doppelpack gegen die Bayern im CL-Halbfinale. Krass war auch das rauschhafte 5:0 der Pep-Ära, der wohl ikonischte Sieg Barças überhaupt. Da war ich leider nicht vor Ort – aber das Spiel gilt gemeinhin unter Barça-Fans als vielleicht beste Darbietung aller Zeiten. Das schöne am Clasico ist ja: Intensiv sind die Spiele immer, egal, wie die Partie ausgeht. Bei keinem anderen Spiel wirst du besser unterhalten – und sei es, weil sich alle an die Gurgel gehen.
Kult-Fan und Gesangswunder Toñín „el Torero“, der seit 26 Jahren Socio ist:
- Das Spezielle an el Clásico ist die Atmosphäre, die sich schon unter der Woche aufbaut. Dieses Klima der Abneigung gegen uns… allein schon, wenn sie mich mit der Capote (Stierkämpfertuch; d. Red.) sehen… Was auch immer dann passiert: Die ersten Minuten eines Clásicos sind einfach spektakulär!
- Das Spiel wird mit vielen Nerven beginnen, da Barça mit einer Neiderlage aus dem Titelrennen wäre. Und für sie ist es das Schlimmste, wenn wir dort gewonnen. Sie hassen uns, für die sind wir der Teufel!
- Das schlimmste Erlebnis war das 0:5 in Barcelona in Mourinhos erster Saison (2010). Und das Beste? Eine Saison darauf, als wir dort mit dem Sieg die Liga entschieden. Beim Verlassen des Stadions wurden wir von allen auf das übelste beschimpft. Das war grandios!
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David Álvarez (spanischer Kommentator bei Realmadrid TV):
- Nunja, es ist das beste Spieler, das emotionalste, das intensivste, das ein Fan von Real Madrid oder Barcelona erleben kann. Das ist die maximale Rivalität! Ein Duell der Giganten, welches, in diesem Fall, einen großen Schritt Richtung Reals Meisterschaft bedeuten kann.
- Ich hoffe, dass Real Madrid seine beste Version zeigt – die aus dem Camp Nou in der letzten Saison oder aus dem Calderón in dieser Saison. Wenn Madrid das Kostüm der wichtigen Spiele trägt, ist es sehr schwierig, das zu übertreffen. Trotz der Schwierigkeiten, der Verletzungen… erwarte ich ein großes Real Madrid! Gleichermaßen erwarte ich auch ein großes Barcelona, mit dem Druck, dass nur ein Sieg zählt, damit Real nicht davon eilt. Neun Punkte wären viele, aber nicht entscheidend.
- Meine besten Clásico-Erinnerungen bringen mich zurück an das 5:0 vor 20 Jahren im Bernabéu, denn ich war dort. Auch der Sieg im Pokalfinale unter Mourinho war gigantisch, oder die letzten zwei Liga-Siege im Camp Nou… Für einen Madridista ist es immer speziell, gegen Barça zu gewinnen. Auf der anderen Seite ist es unmöglich, das 2:6 im Bernabéu zu vergessen… denn auch da war ich dabei und habe für RMTV gearbeitet. Und das war ein sehr schwer zu verarbeitendes Spiel!
Stefan Kohfahl, Leiter der Real Madrid Fußballschule:
- Es ist das bedeutendste Ligaspiel der Welt, in dem viele der besten Fußballer der Welt aufeinander treffen. Das Spiel hat Geschichte und größte Emotionen. Das spürt man als Madridista noch etwas mehr! Da läuft ein innerlicher Countdown ab und die Spannung nimmt stetig zu.
- Die Verletzung von Gareth Bale ist als Nachteil nicht von der Hand zu weisen, insofern hoffe ich, dass alle anderen Verletzten und Rekonvaleszenten am Samstag an Bord sind und ihre Leistung zu 100 Prozent abrufen können. Ich werde bei REAL TOTAL und Marca jede Nachricht über das Fitwerden der Spieler verfolgen. Es wird ein besonders intensives Spiel, da Barça praktisch gewinnen muss. Barça wird viel Spielinitiative übernehmen, die Standards und Konter von Real müssen dann sitzen. Bale fehlt da meiner Meinung, meine Hoffnung geht da aber zu einem immer besser werdenden Ronaldo. Die Hauptaufgabe wird die Defensivabteilung verrichten müssen. Das klappt und am Ende sind ein Remis oder ein später Sieg drin.
- Das war der Pokalsieg 2014. Wir haben ein Haus bei Barcelona und ich habe das Spiel mit meiner damals 80-jährigen Tante und meiner Schwester in einer Fankneipe von Barça anschauen müssen. Alles war in blau-rot getaucht, knappe 80 Zuschauer waren in Barça-Trikots gekleidet. Entsprechend zeigte ich Zurückhaltung, aber bei dem sensationellen Solo-Tor von Bale sind die Gäule mit mir durchgegangen. Ich fand mich nach kurzer emotionaler Abwesenheit jubelnd auf den Knien vor dem Fernseher wieder. Außer dem Fuchteln von ein paar Aufgeregten mit lauten Kommentaren ist aber nichts weiter passiert. Negativ war dagegen der letzte Clásico im Bernabéu, welches ich als Gast Real Madrids verfolgen durfte. Barça hat die damalige Benítez-Elf auseinander genommen. Ich saß neben dem Jugendleiter in der Loge und wir haben erst nach dem Spiel wieder geredet. Das war ein richtiger Schockzustand.
Raphael Lugowski, Chefredakteur von www.barcawelt.de:
- Die Besonderheit dieser Begegnung spiegelt sich meines Erachtens und ganz allgemein gesprochen in der historisch gewachsenen Rivalität, die aufseiten der jeweiligen Anhänger besondere Emotionen hervorruft. Wer eine Verbindung mit einem der beiden Vereine eingeht, kann sich gewissen Gesetzmäßigkeiten kaum entziehen, und umso intensiver er sich mit seinem Verein und der Geschichte beschäftigt, desto stärker macht er sich die Rivalität und Emotionalität zu eigen. Aus dieser Haltung heraus erwachsen große Erwartungen und die Hoffnung, die eigene Mannschaft werde den Gegner in die Schranken weisen. Kaum etwas im Sport schmeckt daher so süß wie ein Sieg im Clásico. Wenn man die Freude nach einem sportlichen Triumph messbar machen könnte, läge El Clásico wohl ganz weit vorne. Mir ergeht es in dieser Hinsicht nicht anders als meinen Barça-Freunden. Für mich ist der Clásico aber vor allem ein sportliches Erlebnis der besonderen Art. Die größten Vereine der Welt mit den besten Spielern der Welt geben sich die Ehre und laden zum unerbittlichen Kampf um die Vormachtstellung in Spanien. Die Spieler sind bis in die Haarspitzen motiviert und wollen einem Millionenpublikum ihr Können unter Beweis stellen. Die Voraussetzungen für ein Fußball-Spektakel sind vor diesem Hintergrund ausgezeichnet und dieser Umstand allein rechtfertigt den hohen Stellenwert dieser Partie in der Welt. Dies ist indes noch keine Garantie dafür, dass am Ende tatsächlich ein ansehnliches Fußballspiel auf hohem Niveau entsteht.Für andere wiederum mag El Clásico einen ganz anderen Stellenwert haben. Ältere Semester z.B. dürften einen ganz anderen Blick auf das Spiel haben als ich und sich in ihrer Haltung zu dem Spiel stärker von den historischen Begebenheiten leiten lassen. Andere wiederum sehen das Spiel im Zusammenhang mit der Unabhängigkeitsbewegung und wollen die Popularität der Begegnung dazu nutzen, ihren politischen Standpunkt zu kommunizieren; ein Sieg bedeutet für sie mehr als nur drei Punkte. All das befeuert die mediale Aufmerksamkeit und macht das Spiel zu einem ganz besonderen Ereignis.
- Jedenfalls nicht so, wie ich mir den Verlauf im Einzelnen vorstelle. Wann immer ich mir über den möglichen Spielverlauf in der Vergangenheit Gedanken gemacht habe, lag ich falsch. Jeder Clásico schreibt seine eigene Geschichte und man kann angesichts der beidseits vorhandenen Klasse nur schwer voraussagen, wie er sich entwickeln wird. Gegenwärtig scheint der FC Barcelona sich in keiner guten Phase zu befinden, gegen Real Sociedad sah die Mannschaft 90 Minuten lang kein Land. Die Liste bestehender Defizite ist lang: Wenig Intensität, schlechtes Positionsspiel, technische Unzulänglichkeiten, taktische Mängel etc. All das konnten wir gegen Real Sociedad und auch in den Spielen davor beobachten. Der Rückstand auf Real Madrid beträgt mittlerweile sechs Zähler, ob die spielerische Diskrepanz genauso groß ist, kann ich nicht beurteilen – ich schaue kaum Spiele von Real Madrid. Allerdings konnte ich nachlesen, dass auch Real Madrid bisher nicht immer überzeugen konnte.
- Ich glaube, ich werde mich noch in 30 Jahren daran erinnern, wie Barça die Madrilenen mit 5:0 nach Hause geschickt hat. Es war eine Sternstunde des Fußballs. Dieser Clásico hat alles verändert und die Grenzen des Möglichen im Fußball hinausgeschoben. Die andere Erinnerung datiert vom letzten Jahr, als Barça im Santiago Bernabéu mit 4:0 gewann. Der Sieg in dieser Höhe kam für mich sehr überraschend, ich habe mir nicht mal im Traum ausgemalt, dass das Spiel einen solchen Verlauf nehmen könnte – und das ohne Lionel Messi. Die Geschlossenheit der Leistung ohne den größten Leistungsträger der Mannschaft war beeindruckend und verdeutlichte die Qualität, die in der Mannschaft schlummert. Für mich war dieser Erfolg einer der wertvollsten der letzten Jahre und ich sehne mich seitdem nach einer Leistung, die der gezeigten Darbietung nahekommt. Trotz aller Freude über die individuelle Klasse der Spieler ist mein Glück am größten, wenn kollektive (taktische) Faktoren für den Erfolg verantwortlich zeichnen.
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