
Zinédine Zidane blickte nervös auf die Uhr, ging die Coaching Zone im Estadio Santiago Bernabéu kopfschüttelnd auf und ab. Gerade hatte Ex-Blanco Joselu Deprtivo La Coruña mit einem Blitz-Doppelpack in Front gebracht. Ein Schock. Ein böses Omen, schließlich waren schon viele frühere Madrilenen wie Fernando Morientes oder auch Álvaro Morata zu Punkte- oder gar Titelkillern geworden.
Sollte Zidanes Team tatsächlich Zuhause gegen den 16. der Liga all die harte Arbeit der vergangenen Wochen wegwerfen? Den historischen Rekord von 35 ungeschlagenen Spielen verpassen? Mit einem knappen Vorsprung vor dem FC Barcelona das Kalenderjahr 2016 beenden? Nein! Mariano Díaz hatte etwas dagegen. Und Don Sergio Ramos natürlich. Oder besser gesagt: Elf Freunde. Denn ohne die punktgenauen Hereingaben von Lucas Vázquez und Toni Kroos wären die Tore nie zustande gekommen. Ohne den Willen jedes Einzelnen, den Glauben an drei weitere Punkte, hätten Vázquez und Kroos nie die Gelegenheit bekommen, Mariano und Ramos zu assistieren.

Dass im Nachhinein viele wieder von Glück sprechen, ist in Ordnung. Denn du brauchst Glück, um binnen zehn Minuten das Ruder derart herumzureißen. Es ist aber nicht nur Glück. Es ist kein Zufall, 35 Spiele in Folge ohne Niederlage zu beenden. Zidane hat einer vor genau einem Jahr noch tot gesagten Mannschaft eine unglaubliche Siegermentalität verliehen. Sie zu einer Einheit geformt. Sie mit seinem Charisma dazu gebracht, nicht nur für sich, sondern auch für ihn alles bis zur letzten Sekunde in die Waagschale zu werfen. Genau diesem Zusammenhalt ist der neue Vereinsrekord zu verdanken.
Klar, Zidane wird sich in Zukunft mindestens zwei Mal überlegen, ob er so kräftig durchrotiert und Schlüsselspieler wie Luka Modrić, Karim Benzema oder Cristiano Ronaldo auf einen Schlag schont. Nach elf Monaten im Profigeschäft hat der Franzose verständlicherweise noch nicht ausgelernt, das betont er selbst immer wieder. Er ist sich darüber im Klaren, dass er ohne die Last-Minute-Rettung von Ramos angeprangert worden wäre. Doch das spielt jetzt keine Rolle. Alle sind glücklich. Sogar Ronaldo, der trotz guter körperlicher Verfassung am Samstagabend auf der Tribüne Platz nehmen musste.
Auch dafür verdient Zidane ein Lob. José Mourinho, Carlo Ancelotti und Rafael Benítez schafften es nie, dem torhungrigen Portugiesen Ruhepausen schmackhaft zu machen. Als Zidane diese Entscheidung traf, stand der Rekord für ihn an zweiter Stelle. Denn wen interessieren am Saisonende 35 ungeschlagene Spiele, wenn man seine ganz Energie in der Hinrunde verbraucht und in der entscheidenden Phase nicht voll auf der Höhe ist? Gelingt Zidane nach der Klub-Weltmeisterschaft das, was seinem früheren Mentor Ancelotti vor zwei Jahren nicht gelang, könnte es eine glorreiche Saison werden. Eine Saison, nach der sogar die größten Kritiker und Neider nicht mehr nur von Glück sprechen.
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