
Weichen für mittelfristige Zukunft können jetzt gestellt werden
MADRID. „Die Niederlage besitzt eine Würde, die der Sieg nicht kennt“, sagte einst einmal Jorge Luis Borges, einer der berühmtesten und bedeutendsten Schriftsteller Argentiniens und Südamerikas. Eine eigentlich simple Phrase, die zugleich jedoch ein großes Maß an Tiefgründigkeit aufweist – und sich vor allem wunderbar auf den Sport und den Fußball übertragen lässt. In vielen Biographien großer Sportler ist zuhauf zu lesen, dass ihre größten Niederlagen gleichzeitig auch das Fundament für ihre größten Triumphe bildeten. Weil diese Rückschläge dazu führten, noch härter an sich zu arbeiten und die richtigen Schlüsse gezogen wurden. Weil jene Enttäuschungen die entscheidenden Prozentpunkte herauskitzelten, um am Ende doch ganz oben zu stehen. Und weil sie diese Rückschläge vor allem als Chance begriffen, aus den zuvor vergangenen Fehlern zu lernen und diese entsprechend zu korrigieren.
Nun stellt Reals jüngste 0:3-Niederlage im Clásico gegen den Erzrivalen aus Barcelona wahrlich keine Niederlage epochalen Ausmaßes dar, dafür bewegten sich beide Mannschaften zu lange auf Augenhöhe. Zudem darf das Zustandekommen der beiden ersten Treffer für die Katalanen aus Madrider Sicht – wenn auch klar selbstverschuldet – durchaus als kurios beschrieben werden. Am Ende lässt sich konstatieren, dass Barça das Spielglück (oder in diesem Fall auch das Madrider Unvermögen) in den wichtigen Momenten auf seiner Seite wusste und in den spielentscheidenden Situationen das nötige Maß an Cleverness und Abgebrühtheit an den Tag legte. Daraus nun aber Weltuntergangsszenarien abzuleiten, wäre der falsche Weg. Vielmehr sollte man diese Niederlage – so schmerzhaft sie in ihrem Zustandekommen auch war – als Chance begreifen, um die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen.
Dass das Thema Meisterschaft bei nun 14 Zählern Rückstand auf die Spitze (bei einer Partie weniger) für die Blancos nun mehr oder weniger erledigt sein dürfte, ist klar. Allerdings bietet sich den Königlichen nun auch eine einmalige Gelegenheit, die vor Saisonbeginn bereits angeschobene Umstrukturierung des Kaders konsequenter voranzutreiben sowie entsprechende Justierungen an Problemstellen im Kader vorzunehmen – und durch die noch immer vorhandenen Titelchancen in Königsklasse und Pokal könnte man diese Spielzeit, die in der Nachbetrachtung möglicherweise als ein in der Fußballbranche immer ein wenig negativ konnotiertes „Übergangsjahr“ bezeichnet werden wird, sogar noch mit Tafelsilber vergolden.
Die perfekte Gelegenheit für die zweite Reihe
Die größten „Profiteure“ der veränderten Ausgangslage in der Liga dürften vor allem die bislang kaum berücksichtigten Akteure aus der zweiten Reihe sein. Marcos Llorente, Dani Ceballos, Jesús Vallejo und Borja Mayoral zeigten bei ihren (wenigen) Auftritte zwar durchweg gute Leistungen, besitzen jedoch noch nicht das Standing, welches letzte Saison Spieler wie Álvaro Morata oder James Rodríguez hatten. Zidane betonte immer wieder, dass die Jungprofis einfach noch ein bisschen Zeit benötigten, ein wenig mit Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen hätten. Nun bietet sich allerdings die perfekte Gelegenheit, den Nachwuchs-Akteuren die nötige Spielzeit zu verschaffen und ohne den ganz großen Druck in die Mannschaft zu integrieren – und somit das Team für die mittelfristige Zukunft einzustellen.
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Gleichzeitig kann der Fokus nun getrost auf die Pokal-Wettbewerbe gelegt werden, die Belastungssteuerung sogar entsprechend auf Königsklasse und Copa del Rey ausgelegt werden. Dass die Mannschaft trotz der Situation in der Liga ohne wenn und aber die Qualität besitzt, um diese beiden Titel gewinnen zu können, steht außer Frage. Nun könnte man sich die Lage in der Meisterschaft auch entsprechend zunutze machen, den zuletzt zeitweise überspielt wirkenden Leistungsträgern wie Toni Kroos, Luka Modrić oder Marcelo mehr Entlastung verschaffen und den Nachrückern gleichzeitig zu mehr Spielpraxis verhelfen. Und so in den K.O.-Spielen dann möglicherweise das entscheidende Quäntchen mehr an Frische mitzubringen.
Druck auf die Etablierten muss steigen
Fest steht aber auch: Der Druck auf die Etablierten muss wieder ein wenig steigen, der Spannungsabfall nach all den Titelgewinnen in den letzten Jahren machte sich in dieser Saison nicht nur in den entscheidenden Szenen im Clásico deutlich bemerkbar. Möglicherweise gilt es sogar, die angedachte Untätigkeit am Winter-Transfermarkt zu überdenken und an aktuell akuten Schwachstellen wie dem Sturmzentrum entsprechend nachzujustieren. Noch hat man die Gelegenheit, die mit bislang drei gewonnenen Titeln ja alles andere als katastrophale Saison zu einem hervorragenden Ende zu bringen, auch wenn Erfolge in der Champions League oder der Copa nie planbar sind. Aber man kann die bittere Clásico-Pleite als Anlass nutzen, um sich für die Zukunft noch besser aufzustellen und weiter an einer Mannschaft basteln, die auch in fünf Jahren um sämtliche Titel konkurrieren kann.

Gleichzeitig verbietet sich allerdings auch akute Schwarzmalerei für die aktuelle Spielzeit: Besonders gegen Barcelona waren es Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachten. Überhaupt sind es kleine und feine Stellschrauben, an denen es zu drehen gilt. Dieses Real Madrid ist immer noch in der Lage, jedes Team auf dieser Welt zu besiegen – ja sogar zu dominieren. Nur gilt es dafür nun, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Dann kann es tatsächlich gelingen, „noch stärker zurückzukommen“, wie Zidane und einige Spieler unmittelbar nach dem Clásico fast trotzig in die Mikrofone sprachen. Und möglicherweise blickt man am Ende der Saison einmal mehr auf eine Niederlage zurück, die den Grundstein für einen großen Erfolg legte. Weil man die richtigen Schlüsse zog. Weil man noch härter arbeitete. Weil man den Rückschlag als Chance begriff, es in den entscheidenden Momenten besser zu machen.
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