Kommentar

Zidanes Umgang mit Reals Krise: Der Beginn der Kapitulation

Schwierigkeiten bei einem Zweitligisten, nächster Rückschlag in LaLiga: Real Madrid setzt seinen Abwärtstrend der ersten Saisonhälfte auch nach dem Jahreswechsel fort. Die krisengebeutelte Mannschaft riskiert damit ernsthaft die Zukunft ihres Trainers. Wenn Zinédine Zidane aber nicht selbst aufwacht, ist der Super-GAU unvermeidlich. Ein Kommentar von REAL TOTAL-Redakteur Kerry Hau.

475
Zidane erlebt seine größte Krise als Real-Trainer – Foto: Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images

Keine Lust auf Fußball

Ein bisschen hoffen durfte man ja. Auf gute Vorsätze. Oder wenigstens auf einen Weckruf durch Papá Noel, die Heiligen Drei Könige oder sonstwen. Davon scheinen die verwöhnten Millionenkicker von Real Madrid aber nicht viel zu verstehen. Vielleicht war die Weihnachtspause für den einen oder anderen schlichtweg zu kurz, um in sich zu gehen und die eigenen Leistungen der vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen. Dass sich mit Sergio Ramos und Karim Benzema dann auch noch zwei, zumindest in guten Zeiten eigentlich hilfreiche Akteure pünktlich zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs verletzt abmeldeten, passte ins Bild. Derartige Ausfälle steckte die Mannschaft vor einem Jahr aber noch problemlos weg. Nicht etwa nur, weil sie in der Breite hochwertiger besetzt war, sondern weil sie vor allem Bock hatte. Auf Fußball. Auf Erfolge.

[advert]

Klar, nach fünf Titelgewinnen in einem Kalenderjahr ist es nur menschlich, in ein Loch zu fallen. Man kann in diesem Sport nicht immer siegen. Aber man kann zumindest etwas dafür tun. Das Real Madrid anno 2018 trabt nur lust- und bisweilen kopflos über den Platz. Hat sogar gegen einen Zweitligisten im Pokal Probleme. Droht in der Meisterschaft den Anschluss an die direkten Champions-League-Plätze zu verlieren. Und droht daher in der Königsklasse gegen Paris Saint-Germain eine Klatsche. Das wirklich Schlimme daran ist aber aber: Niemand will es so recht einsehen. Die Fans bekommen Woche für Woche leere Versprechen der Besserung zu hören. Dabei geht es spätestens nach dem 2:2 bei Celta Vigo auch ernsthaft um die Zukunft von Zinédine Zidane. Ein Legendenstatus – und den hat der Franzose im Estadio Santiago Bernabéu auf alle Zeit sicher – garantiert keinen Job. Erst recht nicht in Madrid. Alfredo Di Stéfano musste auch als Trainer gehen, als er keine Titel gewann. Daran wird jeder Coach an der Concha Espina gemessen.

Jahr ohne große Titel ist verzeihbar, Team ohne Herz nicht

Zidane würde aufgrund seines freundschaftlichen Verhältnisses zu Florentino Pérez und seines beträchtlichen Erfolgs in den letzten zwei Jahren vielleicht sogar eine Saison ohne große Titel verziehen werden. Voraussetzung dafür wäre aber, dass seine Mannschaft zumindest spielerisch einen Schritt nach vorne anstatt nach hinten macht. Das ist momentan nicht der Fall. Abgesehen auf das Fünf-Tore-Spektakel Anfang Dezember gegen den FC Sevilla wartet das Bernabéu in dieser Saison noch auf begeisternden Fußball. Das ist zu wenig! Nicht nur die Spieler müssen daran etwas ändern und ihre Komfortzone verlassen. Auch Zidane! Dass er Wintertransfers ausschließt, ist wegen der verfügbaren Optionen auf dem Markt und des nach wie vor vorhandenen Potentials im Kader ja noch irgendwie nachvollziehbar. Mit seinem gegenwärtigen Krisenmanagement schaufelt er sich aber sein eigenes Grab.

Warum gab er seinen Stars nach dem Grottenkick in Vigo einen kompletten Tag lang frei? Wollte er sie etwa dafür belohnen? Natürlich kam niemand auf den Gedanken, ein Zeichen zu setzen und freiwillig auf dem Trainingsgelände an sich zu arbeiten. Sicher, ein Straftraining à la Felix Magath mit Medizinbällen wäre auch in Anbetracht der vielen englischen Wochen eine zu radikale Reaktion des Trainers gewesen. Er hätte seine Männer aber wenigstens für zwei, drei Stunden nach Valdebebas bestellen, persönliche Gespräche führen und die taktischen Fehler bei den beiden Gegentoren gegen Celta anhand von Videoanalysen aufarbeiten können. Immerhin hielt er am Dienstag nach eigenen Angaben eine längere Ansprache, um sich mit seinen Spielern darauf zu einigen, „nach Lösungen für unsere Probleme zu suchen“.

Weniger Ancelotti, mehr Mourinho

Zidane sollte aber allmählich klar sein, dass diese Probleme schon seit Monaten bestehen. Und seine Rolle als ziemlich bester Spielerfreund keinen motivierenden Effekt mehr auf sein Team hat. Phrasen wie „Wir müssen härter arbeiten“ drehen den Spieß nicht um. Aus meiner Sicht kann in der aktuellen Lage nur eine Dosis Schärfe, wie sie José Mourinho einst häufig in Madrid gebraucht hat, noch eine Trendwende herbeiführen. Das Glück mit Durchhalteparolen zu erwarten – wie Carlo Ancelotti im Jahr 2015 – ist jedenfalls der falsche Ansatz. Es ist der Beginn der Kapitulation.

Real Madrid Kalender 2018 – jetzt bestellen!

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
Kommentare
"Ein Jahr ohne große Titel? Verzeihbar. Ein Team ohne Herz? Nicht!"

Dieser Titel fasst es schon ganz gut zusammen. Guter Artikel, der ebenfalls die Gemütslage vieler von uns widerspiegelt. Man muss hoffen, dass eine spürbare Wende kommt. Ohne diese Wende wird leider nichts von alleine passieren, denn genau diese "wird schon wieder- Einstellung" wird uns sportlich dieses Halb-/Jahr, sehr viele Nerven kosten.
 
Das 5:0 gegen Sevilla täuscht gewaltig, weil deren Mannschaft damals immer noch im Schockzustand aufgrund der schweren Erkrankung des Trainers war. Darüber hinaus war sie auch noch völlig falsch aufgestellt, da wichtige Leistungsträger auf der Bank schmorten oder gar nicht erst im Kader waren. Damit will ich Reals Leistung nicht schmälern, aber man konnte deutlich sehen, dass Sevilla zu der Zeit einfach keine Mannschaft war, die spielen wollte und es dadurch unseren Jungs verhältnismäßig einfach gemacht hat.
Zidane hatte diese Saison schon mehrere Anlässe, um ganz kräftig auf den Tisch zu hauen und der Mannschaft klar zu machen, dass es so nicht weiter gehen kann, aber trotzdem ist eine spürbare Verbesserung nicht eingetreten. Zizou muss auch seine Personalentscheidungen überdenken. Ich sehne auch diese Wende herbei, da ich viel von ihm halte und er ein wahrer Segen für den Verein is, aber je länger diese ausbleibt, desto weniger glaube ich an sie unter ihm als Trainer.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist schon sehr traurig über einen Trainer zu lesen, der in so kurzer Zeit unerreichbares für die zukünftigen Trainer bei Real erreicht hat, jetzt bereits sein AUS zu prophezeien!
Ich kann mir ehrlich gesagt keinen anderen als Zizou vorstellen - und ich bin absolut überzeugt, in Madrid ebenfalls nicht!

Gebt Zidane und unserer Mannschaft das Vertrauen es die restliche Saison besser zu machen, das Loch in dem alle liegen, haben sie sich ja bereits selbst geschaufelt!!!!
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist schon sehr traurig über einen Trainer zu lesen, der in so kurzer Zeit unerreichbares für die zukünftigen Trainer bei Real erreicht hat, jetzt bereits sein AUS zu prophezeien!

Ich kann mir ehrlich gesagt keinen anderen als Zizou vorstellen - und ich bin absolut überzeugt, in Madrid ebenfalls nicht!

Gebt Zidane und unserer Mannschaft das Vertrauen es die restliche Saison besser zu machen, das Loch in dem alle liegen, haben sie sich ja bereits selbst geschaufelt!!!!

Ich möchte Zidanes Trainererfolge echt nicht schmälern. Als Newcomer 2x in Folge die CL zu gewinnen und gleichzeitig Meister zu werden, ist eine krasse Leistung. Aber zu behaupten, dass diese Erfolge für andere Trainer mit so einem unglaublichen Kader unerreichbar gewesen wären, ist mir dann doch zu viel des Guten.
 
Ich möchte Zidanes Trainererfolge echt nicht schmälern. Als Newcomer 2x in Folge die CL zu gewinnen und gleichzeitig Meister zu werden, ist eine krasse Leistung. Aber zu behaupten, dass diese Erfolge für andere Trainer mit so einem unglaublichen Kader unerreichbar gewesen wären, ist mir dann doch zu viel des Guten.

...kein anderer Trainer hätte nach dem Benitez Chaos die Mannschaft so erreichen können wie Zinedine Zidane!
 
Zidanes 2,5-Jahresvertrag war von Anfang an falsch, sage ich nach 1,5 Jahren, in der man der Konkurrenz national wie auch international überlegen war...
 
Hm ich kann mir vorstellen, dass die Mannschaft nach den massiven Erfolgen in den letzten Jahren einfach ein Motivationsproblem hat, dass sicher auch mit dem Trainer zusammenhängt, der das Team nicht richtig motivieren kann (bis jetzt). Dennoch denke ich das Zidane sehr wohl weiß wie die Lage aussieht und seine Statements vor der Presse haben sicher nicht viel mit seinem Auftreten vor der Mannschaft zu tun. Kann mir gut vorstellen, dass wir das Ruder noch in dieser Saison rumreißen (vllt auch nur in der CL oder im Pokal)...ansonsten brauchen wir vllt wirklich nochmal einen oder zwei Königstransfers für die Offensive, um den derzeit aufgestellten Spielern mehr Druck zu machen.
 

Verwandte Artikel

Kommentar nach Oviedo: Real muss Vinícius schützen

Während Real Madrids Gastspiels in Oviedo waren bereits vor dem Spiel, insbesondere...

Kommentar: Arda Güler hätte Real Madrids 10 nicht verdient gehabt

Kylian Mbappé ist es, der bei Real Madrid die 10 von Luka...

Wer den Lucas nicht ehrt, ist den Cristiano nicht wert

Mit Lucas Vázquez geht ein ganz besonderer Madridista. Einer, warum die Bindung...

Kommentar nach PSG-Desaster: Real hat ein Vinícius-Problem

Beim Debakel gegen Paris Saint-Germain bei der FIFA Klub-WM konnte sich kein...