Historie

Der einzige Madrilene, der Ovationen im Camp Nou erhielt

Diego Maradona, Ronaldinho, Andrés Iniesta... Das Publikum im Bernabéu war einigen gegnerischen Spielern schon wohlgesonnen. Im Camp Nou hat jedoch nur einmal ein Spieler Real Madrids Ovationen erhalten. Und den kennt fast keiner. Seine Geschichte ist bedrückend, aber erzählenswert, da darf am Tag seiner Geburt ein Beitrag über Laurie Cunningsham nicht fehlen.

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1956 geboren, 1989 gestorben: Real-Legende Laurie Cunningham – Foto: imago images / Colorsport

Schwarze Hautfarbe, maximales Talent

Am 8. März 1956 wird Lawrence Paul Cunningham in London geboren. Er profitiert vom Schulsystem im englischen Fußball, dort kann er sein Talent zeigen. Denn Arsenal und Co. wollen ihn nicht. Weil er schwarz ist? Cunningham kommt nach der Schule bei Leyton, einem Zweitligisten unter, fasst hier Fuß im Profigeschäft. Bald kann sein Können nicht länger ignoriert werden – West Brom zeigt sich tolerant und intelligent. Sie haben mit Cunningham, Cyrille Regis und Brendon Batson Ende der 70er drei Spieler mit schwarzer Hautfarbe gleichzeitig auf dem Platz. Ein Novum im damaligen England.

Warum auch nicht? Die „Three Degrees“ sind schließlich ziemlich gut. Allen voran der Außenbahnzauberer Cunningham, den man in seinen WBA-Glanzzeiten nur Laurie nennt – und jeder in England weiß, ohne Nachnamen, wer gemeint war. Seine irrwitzige Schnelligkeit und Ballkontrolle – letztere ist auf den schlechten Plätzen dieser Tage ein wahres Kunstwerk – kombinierte Laurie mit neuartigen Finten, die das Publikum faszinierten. Das Heim-Publikum. Auswärts wurden die dunkelhäutigen Spieler ausgepfiffen. Normalität. Die größte Stunde des Zurückzahlens: 1978 biegen die „Three Degrees“ ein spektakuläres Spiel bei Manchester United in einen 5:3-Sieg um, die Pfiffe verstummen.

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1979: Erst Nationalmannschaft, dann Madrid

Im Mai 1979 geschieht das Undenkbare: Laurie Cunningham wird zum ersten schwarzen A-Nationalspieler Englands in einem offiziellen Spiel. Fünf weitere Einsätze sollten sie ihm zugestehen. Der „Black Flash“ hat sich da längst zu einem großen Namen in Europa gemausert. Im UEFA Cup gegen Valencia um Weltmeister und „Weltfußballer“ Mario Kempes stellt Cunningham diesen in den Schatten und war an jenem Abend laut Kollege Batson „unspielbar“. Real Madrid streckte die Fühler aus. Auch wenn die Königlichen damals nicht (mehr) der Übermacht glichen, wie man das aus normalerweise kennt – die Sonderstellung ist die Gleiche. Natürlich geht Laurie 1979/80 in die spanische Hauptstadt. Dort dreht der 23-Jährige auf, schnürt beim Debüt einen Doppelpack, gewinnt in seiner ersten Real-Saison das nationale Double. Höhepunkt: Der 10. Februar 1980. Clásico im Camp Nou. Die Königlichen sind die bessere Mannschaft und gewinnen 2:0, und einer schwebt über allen.

Nach Ovationen im Camp Nou ging’s bergab

Barças damaliger Abwehrstar Migueli: „Er machte uns mit seinen Antritten und Dribblings verrückt, er war elektrisierend.“ Cunninghams direkter Gegenspieler Rafael Zuviría, der Wochen zuvor noch den jungen Maradona aus dem Spiel nahm, hatte keine Chance. Nach dem entscheidenden 2:0, welches Cunningham mit Tempodribbling und anschließender Außenristflanke vorbereitete, applaudierte das blau-rote Publikum dem übermächtigen Star des verhassten Gegners. An guten Tagen seiner ersten eineinhalb Jahre in Madrid war Cunningham zweifelsohne einer der besten Spieler der Welt. Es war der Anfang vom Ende: Für die EM 1980, im Anschluss an seine erste großartige Saison in Spanien, wurde der „schwarze Blitz“ ignoriert. Ein seelischer Tiefschlag, welcher Laurie zu schaffen machte. England schied in der Vorrunde aus.

1980/81, seine zweite Saison in Madrid, glich einem Martyrium. Die exotischen Flügelstürmer, besonders die zusätzlich spielstarken wie Cunningham, „durften“ in dieser Zeit noch zusammengetreten werden. Laurie kämpft. Und pünktlich zum Europapokalfinale war Laurie wieder Laurie, und auch am 27. Mai 1981 einer der besten Madrilenen, die aber ohne den fitten Freigeist dem FC Liverpool mit 0:1 unterlagen. Darauf folgten eigentlich nur noch Verletzungen. Das brachte den Königlichen auf Dauer auch nichts mehr und schließlich ließen sie den gestutzten Himmelsstürmer 1983 nach 66 Einsätzen und 20 Toren ziehen. Und der zog zurück nach England, nach Frankreich, nach Belgien und wieder nach Spanien. Das einzige was noch internationale Klasse hatte, war sein Name. Laurie wurde nie wieder vollständig fit.

111 Gründe, Real Madrid zu lieben

Zurück zum Glück – bis zum Unglück 1989

Mit der „Crazy Gang“ des FC Wimbledon konnte er 1988 als Einwechselspieler seinen dritten Titel gewinnen. Den überraschenden FA Cup gegen Liverpool. Jetzt wurde der tragisch gefallene Star von einst vom englischen Publikum bejubelt, nicht mehr ausgepfiffen. Es wurde wieder schöner in Cunninghams Leben. Vor allem aber, weil er auch abgesehen vom Fußball mit allem seinen Frieden gemacht und gefunden hatte. Und wieder glücklich wurde: Er fand seine große Liebe in Spanien und lief ab 1988 für Rayo Vallecano auf. Auch das spanische Publikum war froh, den spektakulären Sympathieträger zurückzuhaben. Hier wurde er geliebt, mehr als in seiner eigentlichen Heimat. Am letzten Spieltag schießt er das Tor, welches Rayo in der ersten Liga hält. Auch privat ist jetzt alles in bester Ordnung, seine Frau ist schwanger, sie werden in Spanien bleiben. Doch am 15. Juli 1989 ist Cunningham nicht angeschnallt. Er hat einen Autounfall. Er wird nur 33 Jahre alt, sein Sohn Sergio ihn niemals kennenlernen. Manche haben eine gewisse Tragik einfach gepachtet. Ruhe in Frieden, Laurie!

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Baumgart's Fussballblog

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