
7 statt 10
Die Rückennummer 7 hat bei Real Madrid eine ganz besondere Bedeutung. Im Bernabéu tragen die größten Spieler traditionell nicht unbedingt die allgemein verbreitete Star-Nummer 10, sondern die ursprünglich dem rechten Außenstürmer zugeteilte 7. Und das ist nicht erst seit Cristiano Ronaldo oder Raúl González Blanco der Fall. Einer der Ersten, die die “Siete” königlich weihten, war Juan Gómez González. Genannt Juanito.
Der beste Spieler der Liga im “Himmel”
Im November 1954 bei Málaga geboren, führte Juanito, der in der Jugend zwei Jahre für Atlético Madrid spielte, den FC Burgos in die Primera División und wurde dort gleich in seiner ersten Spielzeit 1976/77 zum besten Spieler der Liga gewählt. Im Alter von 22 Jahren nutzte der kleine Rechtsaußen 1977 seine Chance und wechselte zum Liga-Primus Real, wo er sehr bald Stammspieler werden und bis 1987 ziemlich regelmäßig spielen wie siegen sollte.
Juanito war bei den Merengues nicht nur wegen seiner Dribblings und Tore so beliebt – 121 netzte er in 410 Partien ein – sondern vielmehr wegen seiner Identifikation mit dem Verein, seiner leidenschaftlichen Einstellung. “Für Real Madrid zu spielen ist wie den Himmel zu berühren”, sagte er vor seiner Präsentation. Fast noch mehr geliebt wurde der Andalusier, weil er niemals aufgab. Legendär sind die Aufholjagden der damaligen Madrilenen im Europapokal: Nach oftmals deutlichen Niederlagen in katastrophalen Auswärtsspielen bog Real die Paarungen meistens noch im damals gefürchteten Bernabéu um – wo die vor allem aus Spaniern und Eigengewächsen bestehenden Blancos über sich hinauswuchsen und praktisch unbezwingbar waren. Aus dieser Zeit resultiert Reals “Remontada”-Mythos, dank der die Blancos schon einige Partien drehten.
Als Reals „Remontada“-Mythos entstand
Bekannteste Beispiele: 1:3 bei Inter Mailand, aber 5:1 im Bernabéu. Oder: 1:5 bei Borussia Mönchengladbach, 4:0 im Bernabéu. Beides im UEFA-Cup 1985/86! War das Old Trafford von Manchester United das Theater der Träume, so war das Estadio Santiago Bernabéu dieser Tage für europäische Gäste das Theater der Albträume. Denn dort waren 90 Minuten sehr, sehr lang, wie eine gewisse Nummer 7 zu drohen pflegte, teils italienisch, teils spanisch: “Noventa minuti en el Bernabéu son molto longos!”

Jubel bei der Auswechslung
Und jene Nummer 7 war der Kopf vieler dieser Aufholjagden. Mit seiner martialischen Einstellung ging Juanito in solchen Spielen voran. Hängte sich stets zu 110 Prozent rein, obwohl er offensiver Stammspieler bei einem absoluten Topklub war – schon damals nicht selbstverständlich. Besonders emotional waren seine exzessiven Torjubel, er legte auch mal in Freudensprünge hin, wenn er kurz vor Schluss bei einem bereits sicheren Sieg ausgewechselt wurde. Was bei den Fans unglaublich gut ankam und eine Verbindung schaffte. In einer Zeit, als Tattoos noch nicht inflationär zu sehen waren, hatte sich Kult-Fan Toñín “el Torero” seinen Juanito sogar auf seiner Haut verewigen lassen.
Auf den Kopf gestiegen
Dass aus dem auch fußballerisch durchaus talentierten Juanito nicht ein noch größerer Spieler geworden ist, lag wohl ebenfalls an seinen Emotionen, die er längst nicht immer im Griff hatte. Zwei Jahre Sperre wegen deftiger Schiedsrichterbeleidigung, später nochmals vier Jahre (nur international), nachdem er dem am Boden liegenden Bayern-Star Lothar Matthäus im Europapokal 1987 auf den Kopf trat. Sein letztes Jahr beim spanischen Rekordmeister. Wegen Problemen dieser Art lief der Spanier auch nur 35 Mal für die Nationalmannschaft auf. Im Trikot von Real Madrid gewann Juanito in zehn Jahren zehn Titel: fünf Meisterschaften, zweimal die Copa del Rey, zweimal den UEFA-Pokal, einen Liga-Pokal. 1983/84 heimste er zudem dank 17 Toren die “Pichichi”-Trophäe ein (gemeinsam mit Jorge Da Silva von Real Valladolid).
Verunglückt 1992, aber für immer unsterblich
Juanito spielte noch für Málaga und Fuengirola bis 1991 aktiv Fußball, danach wechselte er umgehend ins Trainergeschäft, trainierte UD Mérida. Doch am 2. April 1992 kam Juanitos Handeln schlagartig zu einem jähen Ende und die Ikone bei einem Autounfall ums Leben. Auf der Heimfahrt von einem Europapokal-Spiel seiner Madrilenen gegen den heutigen FC Turin (2:1). Juan Gómez González wurde nur 37 Jahre alt. Immerhin sah er seinen Klub ein letztes Mal jubeln, jedoch schien ohne Juanito Reals Europapokal-Glück aufgebracht – Madrid verlor das Rückspiel mit 0:2, verpasste den Finaleinzug. Damals hatten die Fans wohl noch nicht den Geist Juanitos beschworen, heute tun sie es stets vor brenzligen Spielen.
Die 7: Selten für Etablierte
Sein früher Tod hat trotz aller Tragik nur noch mehr zu seinem Legendenstatus beigetragen – fast jedes Jahr gibt es eine große Choreographie zum Todestag. Einer, der nicht vergessen wird. Einer aus einer Riege von großen Spielern, die bei Real Madrid die Nummer 7 getragen haben und noch tragen werden. Von denen der Großteil, wie Juanito selbst, Emilio Butragueño oder auch Raúl Gonzalez sie schon bekamen, als sie im Profibereich noch kaum etwas geleistet hatten, und erst in diese Nummer hineinwuchsen. Sollte sie bei Real Madrid aber tatsächlich einmal nicht mehr vergeben werden, dann wohl am ehesten zu Ehren Juanitos. Denn in jeder 7. Spielminute erklingt im Bernabéu:
“Illa, illa, illa, Juanito maravilla, se ve, se siente, Juanito está presente!”
Illa, illa, illa, Juanito das Wunder, man kann es sehen, man kann es fühlen, Juanito ist anwesend.
Und dann sollen es alle Madrilenen so machen wie er – egal mit welcher Nummer auf dem Rücken.
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