
Er ließ Pelé, Garrincha und Co. zaubern, zog im Mittelfeld die Fäden und legte somit den Grundstein für die Dominanz, die der “Seleção” die WM-Titel 1958 und 1962, sowie ihren heutigen Ruf einbrachte: Waldyr Pereira, Künstlername Didi, war Ende der 1950er-Jahre einer der begehrtesten Fußballspieler der Welt. Während die meisten seiner Landsleute der damals starken heimischen Liga treu blieben, verschlug es den schlaksigen Strategen von Botafogo Rio de Janeiro in transatlantisches Gefilde. Zum damals herausragendsten Verein Europas: Real Madrid.
[advert]
1959, auf dem Zenit seiner Schaffenskraft, sollte Didi – auch wenn diese Bezeichnung damals noch nicht verwendet wurde – der nächste “Galáctico” werden. Raymond Kopa hatte Real soeben gen Reimser Heimat verlassen, Alfredo di Stéfano sollte entlastet und langfristig sogar ersetzt werden. Und hier lag, zumindest in der Kommunikation, das große Problem. Mit den Worten “Ich habe gehört, du sollst mein Nachfolger sein. Aber du bist zu alt und nicht gut genug”, empfing der angesäuerte Argentinier (33) den bemitleidenswerten Brasilianer (30) kratzbürstig. Kein guter Start.
Er erfand “Ronaldos” Freistoßtechnik
Anstatt auch auf Vereinsebene ein mehr als formidables Starensemble zu dirigieren, gewann Didi also noch nicht einmal die Gunst Di Stéfanos – des unumstrittenen Königs von Madrid. Dabei war der “äthiopische Prinz” eigentlich ein Kaliber, das zum besten Verein Europas passte. “Fußball spielen war für ihn so einfach, wie eine Orange zu schälen”, staunte Pelé über seinen großen Ziehbruder einmal. Der zudem als Erfinder jener Freistoß-Technik gilt, wie sie sich später Ronaldinho, Juninho oder gewissermaßen auch Cristiano Ronaldo aneigneten. “Folha seca”, trockenes Blatt, wobei der Ball am Flugkurvenende extrem herunterfällt – eben wie ein trockenes Blatt. Vier Dekaden vor Roberto Carlos wurden diese Schüsse in den Sportgazzetten analysiert und diskutiert.
Sportgazzetten, die Didi zum Verhängnis werden sollten. “Ihm gelingt es nicht, den Geist von Real Madrid zu verkörpern”, stänkerte Di Stéfano, dem nachgesagt wurde, eifersüchtig auf Didis WM-Titel zu sein, weiter. Und die Hauptstadt-Medien hatten sich schnell entschieden, auf wessen Seite sie sich stellen würden.

Puskás und Kopa passten sich an, Didi nicht
Da half es dem defensiv anfälligen Weltmeister nicht, dass seine Antworten auf dem Platz nicht gerade einen “Calma, calma”-Effekt hervorriefen. Didi, zweifelsohne ein Ausnahmekönner, konnte vermeintlich non-existente Räume und Situationen voraussehen, Dinge tun, die seine Gegner auf dem falschen Fuß erwischten – selbiges aber auch mit seinen Madrider Mitspielern taten. Es gab gnadenlose Abstimmungsprobleme, besonders mit Superstar Di Stéfano.
Zu ähnlich waren ihre Spielanlagen, da sich “Don Alfredo” trotz seiner nominellen Mittelstürmer-Rolle nach wie vor tief fallen ließ, um das königliche Spiel aufzubauen, was eigentlich Didis Aufgabe sein sollte, an der Concha Espina aber Chefsache war. Auch andere Größen waren zum Umdenken gezwungen worden, die Spielmacher Ferenc Puskás (reeller Mittelstürmer) und Kopa (Rechtsaußen) erfanden sich in Madrid neu. Mit Erfolg. Für den Spielertypen Didi gab es aber keine positionelle Alternative. Zumal sich der Brasilianer mit der schnelleren Dynamik des spanischen Fußballs schwergetan haben soll.
Gazzetten-Krieg mit der Gattin
So tadelten zumindest die Zeitungen aus Madrid, welche sich im “Team Alfredo” befanden. Und der hatte den Daumen nunmal gesenkt, was beinahe ein öffentliches Mobbing zur Folge hatte. So lassen sich die damaligen Beurteilungen Didis aus der Feder der Tageszeitungen wie “ABC” und den prinzipiell unbeteiligten katalanischen Blättern wie “Mundo Deportivo” teilweise fast als gegensätzlich bezeichnen. Es war auch eine Journalistin, die in der Star-Fehde für den “Point of no return” sorgte: Didis Gattin, aus der Gilde der brasilianischen Schreiberlinge, vermischte Berufliches mit Privatem in Kampagnen für ihren Mann und gegen Di Stéfano – das Tischtuch war endgültig zerschnitten. Real Madrid und Didi war eine Ehe, die eine große Ära hätte verlängern können, doch schlussendlich glich es einer Ehe, die von Tag eins an unter keinem guten Stern stand.
Nicht einmal eine volle Saison
Auf gerade einmal 19 Liga-Spiele (sechs Tore) sollte der Reals Nummer 8 kommen. Dann nahm ihn Botafogo wieder auf. In Madrid sollte es für Didi, der in den folgenden Jahren mit Brasilien seinen WM-Titel verteidigte und später ein erfolgreicher Trainer wurde, einfach nicht sein. Nach nicht einmal einer Saison war sein Kapitel bei den Blancos beendet. Und damit endete auch eine Ära der Königlichen, die 1960 ihren letzten von fünf aufeinanderfolgenden Europapokalen mit einem 7:3-Sieg über Eintracht Frankfurt schon ohne ihr wahrscheinlich prominentestes Missverständnis errangen.
Community-Beiträge