Interview

„Séptima“-Held Mijatović über Raúl, Sanz und Tod seines Sohns

Eine Real-Legende lässt ganz tief blicken! In einem XXL-Interview mit dem spanischen Online-Magazin „A la Contra“ hat Predrag Mijatović für einen Superstar unüblich offen über die spannendsten und schwierigsten Momente seines Lebens gesprochen – vom anfangs schwierigen Verhältnis zu Raúl über sein Tor zu „La Séptima“ bis hin zum Tod seines Sohnes Andrea. Zudem verrät der heute 51-Jährige, als was er heute arbeiten würde, wenn es nicht zum Profi gereicht hätte und welche Bedeutung seine umstrittene Freundschaft zu Davor Šuker inmitten des Balkan-Krieges für ihn hatte.

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Predrag Mijatović ist das Sinnbild von Real Madrids siebten Champions-League-Triumph – Foto: imago images / Camera 4/International

Predrag Mijatović über…

…seine Kindheit in Titograd (heute Montenegros Hauptstadt Podgorica): „Ich war das dritte Kind einer Arbeiterfamilie, hatte zwei ältere Schwestern. Ich war ein glücklicher Junge, hatte von klein auf einen Ball am Fuß. Meine älteste Schwester sagte, dass ich entweder ein Fußballer oder ein Niemand werden würde, weil sie es nicht normal fand, dass ich immer einen Ball bei mir hatte. Wir lebten in keiner Hinsicht im Überfluss, aber uns fehlte es nie an den Basics, die man für das Leben braucht. An Geburtstagen oder an Weihnachten interessierte mich nur ein Ball, keine anderen Spielzeuge. Ich habe viele gehabt, in verschiedenen Größen und von verschiedenen Marken.“

…seinen Beruf, wenn aus der Fußball-Karriere nichts geworden wäre (sein Vater war Arzt): Ich würde aktuell sicher Corona-Patienten behandeln. Der große Wunsch meiner Mutter war es, dass ich Arzt werde. Meine große Schwester ist Krankenschwester. Es wäre nur logisch gewesen, wenn ich Arzt geworden oder in irgendeiner anderen Form in Gesundheitswesen gelandet wäre. Auch heute interessiere ich mich für alles, was mit Medizin zu tun hat. Vielleicht, weil ich als kleiner Junge immer meinen Vater bei der Arbeit gesehen habe. Wenn ich kein Fußballer geworden wäre, wäre ich heute sicher in Krankenhäusern und wäre glücklich dabei, den Corona-Kranken zu helfen.“

111 Gründe, Real Madrid zu lieben

…seine in der Nationalmannschaft entstandene Freundschaft zu Ex-Blanco Davor Šuker: „Kennengelernt hatten wir uns vorher. Aber gemeinsam für die Nationalmannschaft zu spielen und eine WM (U20-WM 1987; d. Red.) zu gewinnen, machte Davor und mich – aber auch andere Spieler – zu guten Freunden. Diese WM prägte uns als junge Fußballer, die große Karrieren vor sich haben würden.“

…Gespräche mit Šuker, nachdem sich die Kroaten von der jugoslawischen Nationalelf getrennt hatten: „Das kam danach. Sie hörten auf, für die Nationalelf zu spielen, wurden unabhängig. Als wir beide nach Spanien gingen – er 1992 nach Sevilla und ich 1993 nach Valencia – trafen wir uns wieder und sprachen. Weil es damals keine Handys gab, konnten wir uns ja keine Nachrichten schicken. Ab diesem Zeitpunkt hatten wir wieder Kontakt, wurden endgültig Freunde als wir beide nach Madrid wechselten. Diese Freundschaft hat bis heute Bestand.“

…die Polemik seiner Freundschaft zu Šuker: „Die Leute mit mehr Lebenserfahrung verstanden das sehr gut. Freundschaft und Liebe stehen nun einmal über allem. Aber die Nationalisten sahen das anders, fanden das komisch. Diese Kommentare konnten mir aber nie etwas anhaben. Ich alleine entscheide, zu wem ich eine Freundschaft pflegen will und zu wem nicht. Diese Entscheidung kann niemand beeinflussen. Politische Themen schon gar nicht. All das, was ich mit Davor und anderen kroatischen Spielern habe, kann doch nicht von politischen Themen tangiert werden. Davor und ich haben uns immer gut verstanden. Wir sind sicher der Beweis dafür, dass Freundschaft keine Grenzen kennt. Das ist nicht nur bei Davor und mir der Fall, sondern war auch zwischen vielen anderen kroatischen und montenegrinischen Sportlern so. Ich finde, der Sport muss über solchen Entscheidungen und politischen Interessen stehen. Wir Sportler stehen diesbezüglich ohnehin etwas abseits, weil wir in unserem Alltag nicht alles mitbekommen. Wir haben ja auch nicht das Recht, patriotischer zu sein als jemand in Belgrad oder Zagreb, der unter viel schlechteren Bedingungen lebt. Wir sind privilegiert, leben gut. Der Patriotismus darf für uns keine Obsession werden. Ich finde, die Sportler sollten sagen, was sie denken. Es sollte für sie aber nicht zur Obsession werden.“

…seine Erinnerungen an den kürzlich verstorbenen Real-Präsidenten Lorenzo Sanz: „Mein Abgang aus Valencia war ziemlich turbulent. Ich kam 1996 nach Madrid und wollte wichtige Titel gewinnen. Und ich habe mich nicht falsch entschieden. Ich hatte eine großartige Beziehung zu Lorenzo. Keines zwischen Präsident und Spieler, sondern ein familiäres. Sein Tod hat mich getroffen. Ich war ihm immer dankbar dafür, dass er mir die Chance gegeben hat, beim besten Klub der Welt zu spielen.“

…sein Tor, das Real „La Séptima“, den siebten Europapokal, beschert hat: Wenn ich für jedes Mal, das ich dieses Tor gesehen habe, einen Schnaps trinken würde, würde ich ziemlich betrunken enden. Ich habe es tausendmal gesehen. Dieses Tor hat sich bis zu meinem Tod in mein Gehirn eingebrannt. Das war der glücklichste Moment meiner sportlichen Karriere.“

…den Spitznamen „Ferrari Boys“ der damaligen Mannschaft: „Einige von uns kauften sich in dem Jahr ein Auto. Im ersten Jahr, als wir noch nicht im internationalen Geschäft waren, haben wir uns immer Mittwoch oder Donnerstag zum Abendessen getroffen. Das wurde Routine und hat unserer Leistung keinen Abbruch getan. Also ist der Spitzname berechtigt. Wir waren aber eine gesunde Truppe. Wenn man jung ist, ist es gesund fortzugehen. Nur wenn man fortgeht und sich nicht unter Kontrolle hat, wird es zum Problem.“

…seine liebste Anekdote aus dieser Zeit: Im ersten Jahr, als er noch ein Youngster war, beschwerte sich Raúl bei Fabio Capello darüber, dass Šuker und ich ihm nie den Ball gaben und nur zu zweit spielten. Ein Tag später zitierte Capello uns drei zum Gespräch. In Wahrheit hatte Raúl schon ein Stück weit recht, aber damals stritten wir das ab. Wenn ich zwischen Raúl und Davor entscheiden musste, war Davor immer meine erste Wahl für einen Pass.“

…den Tod seines Sohnes Andrea (Zerebralparese) im Jahr 2009: „Andrea kam 1994 zur Welt, mit den Jahren ging es ihm zunehmend schlechter. Ich lernte, mit dem Problem zu leben, schaffte es, Motivation daraus zu schöpfen. Mein Sohn hat mir sehr dabei geholfen, zu verstehen, dass viele Dinge nicht an uns liegen. Seine Krankheit war sehr hart, aber sie hat mir dabei geholfen, ein besserer Mensch zu sein.“

…Spieler wie Marcelo, Higuaín, Ronaldo und Pepe, die zu seiner Zeit als Sportdirektor groß wurden: „Ich kann nur sagen, dass wir einen guten Job gemacht haben. Die Zeit bringt jeden dorthin, wo er es verdient. Wir haben ein Team zusammengestellt, das zweimal hintereinander die Liga gewonnen hat. Manche Spieler haben sogar noch an den letzten großen Erfolgen Reals mitgewirkt. Dementsprechend bin ich stolz.“

…Sportdirektoren und warum Real Madrid keinen mehr hat: “Viele denken, dass der Sportdirektor nur zum Unterschreiben gut ist, aber das ist nicht der Fall. Ich halte seine Figur für sehr wichtig, vor allem in den großen Vereinen. Der Sportdirektor ist die Person, die ein Sportprojekt erstellen und sehen muss, wie alles funktionieren muss. Er ist derjenige, der als Bindeglied zwischen dem Personal und dem Management fungieren muss. Oft gibt es Probleme, weil es kein gutes Verhältnis zwischen den Mitarbeitern und den Entscheidungsträgern gibt. Der Sportdirektor fungiert als Vermittler und kann beide Parteien zusammenbringen. Er kann auch die Spieler und den Trainer beraten und motivieren, denn er hat bereits Fußball gespielt. Er bringt eine neue Vision. Dass Madrid es nicht hat, hängt vom Präsidenten ab. Vielleicht wird der Zeitpunkt kommen, an dem sie sich entscheiden, wieder auf diese Rolle zu setzen.”

…die Art und Weise, wie er gerne in Erinnerung bleiben würde: „Vor allem als ein guter Mensch. Als jemand, der keinem anderen wehgetan hat.“

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