Interview

Stielike: „Vinícius? Niemand in dem Alter ist 45 Millionen wert“

Auch der deutsche Europameister und Ex-Blanco Uli Stielike leidet unter der Corona-Pandemie und der Saisonunterbrechung in China. Der Trainer des chinesischen Erstligisten Tianjin Teda nutzt die freie Zeit und spricht mit der spanischen AS über die Situation in seiner neuen Wahlheimat, seine Erwartungen an die Zeit nach Corona und seinen momentanen Eindruck der Königlichen.

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Ex-Blanco „Uli“ Stielike ist schockiert über Ablösesummen für Jungspieler – Foto: imago images / Imaginechina

„Weder Vinícius noch sonst jemand ist 45 Millionen wert – nicht in dem Alter“

MADRID/BOCHUM. Uli Stielike ist Europameister 1980, Vizeweltmeister 1982 – und ehemaliger Blanco. Von 1977 bis 1985 trug der Deutsche das weiße Trikot und sich selbst mit sieben Titeln in die Geschichtsbücher der Königlichen ein. Rund 35 Jahre später versucht mit dem jungen Brasilianer Vinícius Júnior ein weiteres Talent, eine feste Größe in der Geschichte der Königlichen zu sein. Mit einem Preisschild von satten 45 Millionen Euro kam der Dribbelkünstler aus Brasilien an die Concha Espina – für die deutsche Fußballegende ein skandalöser Preis: „Ich finde es beschämend, dass solche Summen bezahlt werden. Weder Vinícius noch sonst ein Spieler seines Alters ist so viel Geld wert.“

Stielike fordert Geduld bei Hazard

Als Ex-Spieler verfolgt der Deutsche das rege Treiben seines Ex-Klubs natürlich weiterhin, ebenso wie neue Transfers – und Abgänge: „Es gibt nur einen Cristiano (Ronaldo; d. Red.). Ich denke es ist normal, dass ein Team bei dem Abgang eines solchen Schlüsselspielers Zeit benötigt, um sich anzupassen.“  Als neuer Hoffnungsträger und Erbe der legendären Trikotnummer 7 fand Eden Hazard im Sommer 2019 den Weg ins Bernabéu. Zwei schwere Verletzungen bremsten die Ankunft des Belgiers bei seinem Traumverein jedoch aus und erschwerten die erste Saison. Mut dürfte den Madridistas da die Worte des Deutschen machen: „Wir haben noch nicht des echte Talent des Jungen gesehen. Als er sich gerade einlebte, kam die Verletzung.“

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Kroos, Casemiro, Modrić: „Nicht alt, sondern erfahren“

Ohnehin macht der gebürtige Bochumer deutlich, dass nicht nur die Offensive wichtig für den Erfolg ist. Angesprochen auf die Leistungsträger Carlos Casemiro und den jungen Federico Valverde macht der ehemalige Mittelfeldspieler deutlich, wie wichtigMänner mit solchen Charakteristika“ für den Erfolg einer Mannschaft sind: „Die Offensive gewinnt Spiele, doch die Defensive gewinnt Titel.“ Laut dem Deutschen bekämen diese Spieler „nicht genug Wertschätzung“ da immer nur demjenigen applaudiert würde, „der die Tore schießt, nicht aber dem mit dem Ballgewinn.“ Als ehemaliger defensiver Mittelfeldspieler spricht der 65-Jährige wohl aus eigener Erfahrung, sind die Madridistas doch für ihre Vorliebe für Offensiv-Spektakel bekannt. Seine Zeit bei Real Madrid endete für ihn im Alter von 30 Jahren, nach eigenen Worten als „altes Eisen“. „Damals wurden wir mit 30 aussortiert, da gab der Klub den Spielern maximal eine Vertragsverlängerung um ein Jahr.“ Auch eine Einschätzung zur eventuell notwendigen Verjüngung des Mittelfeldes, in dem die etablierten Stars Toni Kroos (30 Jahre) und Luka Modrić (34 Jahre) jahrelang die Fäden zogen, gab der Deutsche: „Glücklicherweise haben die Zeiten sich geändert. Heute sind Spieler in diesem Alter ‘erfahren’ und nicht ‘alt’. Die Verpflichtung eines weiteren Mittelfeldspielers, namentlich Paul Pogba, schätzt er als nicht notwendig ein: „Wenn man zurück zur Idee der ‘Galácticos’ möchte, dann vielleicht. Ich bin aber eher ein Freund von bescheidenen, talentierten Spielern, die sich für das Team aufopfern.“ Einer davon könnte der französische U-21-Spieler Eduardo Camavinga sein, um den sich derzeit viele Gerüchte in Madrid halten. „Ich habe ihn nicht spielen sehen und er ist erst 17 Jahre alt. Aber es scheint logisch, dass die Klubs sich schon früh um junge Spieler bemühen. Sie sind sehr viel preiswerter, bevor sie (die Leistungskurve; d. Red.) explodieren.“ 

„Meine Freunde glaubten mir nicht, wie gefährlich der Virus ist“

Als Trainer des chinesischen Erstligisten Tianjin Teda gehörte „Uli“ zu den ersten Betroffenen der mittlerweile weltweit verbreiteten Corona-Pandemie, vor der sich der 65-Jährige im letzten Moment nach Europa „retten“ konnte. „Wir waren im Thailand im Trainingslager, doch als die Situation von Tag zu Tag ernster wurde, brachen wir ab. Das Team ging in China in Quarantäne und wir, die Ausländer, flogen nach Hause“, erinnert sich der Deutsche im Interview mit der spanischen Zeitung AS an die Anfänge der Pandemie. Seine deutschen Freunde warnte er demnach davor „was ihnen bevorstehen würde“, doch zum Zeitpunkt des Ausbruchs in China „nahm man es in Europa nicht ernst“. „Sie glaubten mir nicht“, so der ehemalige Mittelfeldspieler. Mittlerweile ist das Virus in weiten Teilen der Welt im Alltag angekommen und die ersten Profiligen beginnen nach und nach, ohne Fans Fußball zu spielen. Auch „in China geht es Anfang Juni weiter“ und der Deutsche erwartet sogar, dass alles wieder so wird wie vorher: „Die Menschen vergessen schnell.“ Alles wie vorher – das erwartet „Uli“ auch auf dem Transfermarkt: „Es wäre gut, wenn die Ablösesummen ein wenig zurückgeschraubt würden. Ich bezweifle aber, dass sich viel verändern wird.“

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„Bale nach China? Mich wundert nichts mehr“

Ein weiterer Königlicher hätte im vergangenen Sommer um ein Haar ebenfalls in der chinesischen Liga angeheuert: Gareth Bale. Für den einstigen Europameister von 1980 wäre ein Wechsel des Walisers zu Jiangsu Suning, mit dem der Linksfuß bereits in fortgeschrittenen Verhandlungen war, keine große Sensation: „Er (Gareth Bale; d. Red.) wäre nicht der erste namhafte Spieler, der hier landet: ‘Drogba, Anelka, Mascherano, Tévez, Paulinho…’.“ Letztendlich scheiterte der Transfer wohl an der 100-Prozent-Steuer und der hohen Ablösesumme des Walisers. Stielike selbst  war von 1977 bis 1985 Spieler der Königlichen und hat gute Erinnerungen an seine Zeit in der spanischen Hauptstadt: „Eine Rückkehr nach Madrid? Gerne, aber nur um alte Freunde zu sehen und etwas essen zu gehen – nicht aber zum Arbeiten.“

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von
Rafael Garoz García

Masterstudent BWL, hauptberuflich Madridista! Teile meine Leidenschaft und Wissen über den für mich größten Klub der Welt gerne und ständig - Hala Madrid y nada mas!

Kommentare
Die Frage ist: Was ist die Alternative? Natürlich kann man auf den eigenen Nachwuchs setzen und hoffen dass man auch in den eigenen Reihen solche potenzielle Hochkaräter hat. Realistisch betrachtet ist das aber Humbug und 45 Mio. in einen talentierten 19-jährigen zu investieren den man im schlimmsten Fall ein paar Jahre später um die Hälfte abgeben muss ist immer noch billiger als zu warten bis der 19-jährige 25 ist und das Dreifache kostet. Der Schlüssel ist eine gute Scoutingabteilung und eine gute Handhabe der Talente. Gezielte Einsätze (Vinicius/Varane), gezielte Leihen (Odegaard/Carvajal/Casemiro/Hakimi) bringen die nötige Entwicklung um bei Real Madrid erfolgreich zu sein. Dazu dann noch die eine oder andere Verpflichtung eines "gemachten" Stars (Hazard). Ich finde unsere Transferpolitik der letzten Jahre angemessen und vernünftig (sofern man bei diesen Summen noch von Vernunft sprechen kann). Jedem sollte eigentlich auch klar sein dass die Transfersummen früher oder später eine Grenze erreichen müssen um einen gesunden Wettbewerb aufrecht zu erhalten. Man täte gut daran so langsam auch im Fußball über ein Salary Cap nachzudenken...
 
Stielike trainiert in China ,ist eigentlich komplett von der Bildfläche verschwunden und meint jetzt nen schlauen Kommentar abzugeben.Man könnte auch mal den besten deutschen Stürmer dazu befragen,der ja auch in der starken J League spielt ,oder Kevin Kühnert oder meinen Briefträger.da hat sicher jeder seine Meinung.aber :
 
Nur mit grossem Risiko kann auch ein grosser Gewinn gemacht werden. Gibt natürlich immer Ausnahmen..
 

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