Interview

Zidanes rechte Hand: „Unsere Rückkehr war schwerer als gedacht“

Zinédine Zidanes rechte Hand spricht. David Bettoni, Co-Trainer von Real Madrid, berichtet umfassend von der Zusammenarbeit mit dem Erfolgscoach, dessen Verhältnis zu den Stars und erklärt den Spielstil der Königlichen. Die kürzlich gewonnene Meisterschaft sei „unser bester Titel“, so der französische Assistent.

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Zinedine Zidane David Bettoni
Bettoni (r.) ist der erste von Zidanes zwei Co-Trainern – Foto: imago images / Eibner Europa

„Unser bester Titel“: Co-Trainer Bettoni spricht

MADRID. Sie hatten miteinander unter anderem die spanische Meisterschaft gewonnen, sogar dreimal in Serie die prestigeträchtige Champions League. Nichtsdestotrotz misst der Trainerstab von Real Madrid dem kürzlich gewonnenen Liga-Titel in Zeiten der Coronavirus-Pandemie eine nochmals ganz besondere Bedeutung zu.

Während Zinédine Zidane bereits zu verstehen gab, ihn würde diese Errungenschaft aufgrund der notwendigen Kontinuität in der eigenen Arbeit während eines ganzen Jahres glücklicher stimmen als die immensen Erfolge in der Königsklasse, ist es für seinen Assistenten David Bettoni nicht weniger als „unser bester Titel“.

Der 48-jährige Franzose tritt als Co-Trainer der Königlichen öffentlich kaum in Erscheinung, nimmt für Zidane in dessen Staff aber eine unverzichtbare Rolle ein. So wie schon von Mitte 2014 und bis Ende 2015 in der zweiten Mannschaft und von Anfang 2016 bis Mitte 2018 bei den Profis, so auch seit März 2019 wieder. Anlässlich des Meister-Coups hat Bettoni der französischen Zeitung L’ÉQUIPE den Trainer Zidane in einem Interview näher gebracht.

Zinedine Zidane David Bettoni
Zidane und Stab holten für Real schon elf Titel – Foto: imago images / PanoramiC

„Wir haben unsere Gegner mental erschöpft“

Bettoni über…

…die Meisterschaft: „Unsere Rückkehr im März 2019 war schwerer als wir es gedacht hatten. Diese Saison war sehr kompliziert. Es wurde immer darüber geredet, dass (Cristiano) Ronaldo nicht mehr da ist und die Spieler wurden in den Medien attackiert. Man sagte, sie seien alt und so weiter. Wir hatten in entscheidenden Momenten sehr positive Spiele, es gab aber auch Enttäuschungen und schließlich kam die Pandemie. Von daher war die Saison, die jetzt schon ein Jahr lang andauert, voll von Emotionen, Zufriedenheit und Rückschlägen. Am Donnerstag kam dann alles ans Licht. Da waren es nicht mehr Zidane und sein Assistent, sondern die Freunde Yaz (Yazid, Zidanes zweiter Vorname; d. Red.) und David.“

…Schlüsselspiele zum Titel: „Das Spiel gegen Granada war essentiell für den Titel. Beim Auswärtsspiel gegen Bilbao dachten die Leute, dass wir Punkte verlieren würden – und wir haben gewonnen. So auch im Stadion von Real Sociedad und dann eben in Granada. Wir haben unsere Gegner mental erschöpft. Wir selbst hatten zur Wiederaufnahme des Trainings im Juni festgestellt, dass unsere Spieler eine mentale Frische benötigen. Also haben wir daran gearbeitet. Alle denken, wir hätten unseren Fokus auf das Körperliche gelegt, aber es war das Mentale. Darin wiederum steckt auch die physische Arbeit.“

„Hatten gesagt, dass wir nicht wieder dasselbe tun sollten“

…die Arbeit an der Seite von Zidane: „Mit ‚Zizou‘ funktionieren wir, ohne miteinander zu sprechen. Er ermöglicht es einem, sich auszudrücken, sich zu entwickeln, aber in einem ganz bestimmten Rahmen. ‚Zizou‘ mag es, wenn Leute ihm Ideen geben, aber er möchte, dass sie gut diskutiert werden. Aber er ist natürlich immer derjenige, der die Entscheidungen trifft. Er ist der Chef. Im Training will er Konzentration und Intensität sehen, aber immer mit der Vorstellung von Vergnügen. Er ist außerordentlich professionell und menschlich. Er will vermitteln, dass der Fußball ein Teamsport ist, bei dem man nur als Einheit gewinnen kann und alle wichtig sind. Auch diejenigen, die weniger spielen. Er liebt seine Spieler und glaubt an sie. Er ist positiv. Er wird sie niemals auf einen nervösen Weg führen, sondern immer nach oben. Das beinhaltet auch immer ein Lächeln oder Schulterklopfen.“

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…den Spielstil, für den Zidane steht: „Der Stil ist simpel: eine attackierende Mannschaft, die Rücksicht auf die Balance zwischen Angriff und Verteidigung nimmt. Wir als Staff haben vor allem die Fähigkeit, uns anzupassen. Bei einigen Spielen wissen wir, dass es besonders nötig sein wird, defensiv stark zu sein. Und bei anderen Partien sind es andere Dinge. Als wir auf die Bank zurückgekehrt waren, hatten wir uns gesagt, dass wir nicht wieder dasselbe tun sollten. Nicht nur, da Cristiano nicht mehr da war, sondern weil die Spieler auch eine andere Message brauchten. Der Stil von Zidane ist mutig, weil er keine Angst vor Anpassungen hat. Er fürchtet sich nicht davor, Entscheidungen zu treffen, Risiken einzugehen.“

Zinedine Zidane
Wenn Zidane spricht, hören alle zu – Foto: imago images / ZUMA Wire

„Zidane der Inbegriff eines modernen Trainers“

…Halbzeit-Ansprachen: „Wenn wir vom Feld gehen, gebe ich ‚Zizou‘ meine Eindrücke mit auf den Weg. Ich schreibe sie in der Trainer-Umkleide an eine Tafel. Und dann lasse ich ‚Zizou‘ dort fünf, sechs Minuten allein. Er braucht diese Ruhe, bevor er vor den Spielern eine kleine Rede für die zweite Halbzeit hält.“

…Zidanes Draht zur Mannschaft: „Er ist in seiner Beziehung zu den Spielern außergewöhnlich. Es ist keine Methode, es ist einfach so. Er pflegt ein natürliches Verhältnis. Tut mir leid für diejenigen, die auf ein spezielles ‚Zidane-Rezept‘ warten (lacht). Ich würde nur sagen, dass er der Inbegriff eines modernen Trainers ist. Ein leidenschaftlicher und anpassungsfähiger Kerl, der viel arbeitet und eine große Kontrolle über seine Emotionen hat. In den Spielen ohne Fans, bei denen man den ganzen Lärm wahrnimmt, konnte ich andere Trainer hören, wie sie Energie verbrauchten, als sie dem vierten Offiziellen folgten, um Druck auszuüben. Diese Trainer verloren irgendwann emotional den Faden und das ist etwas, was ‚Zizou‘ nie verloren hat. Er ist immer auf das Spiel fokussiert.“

„Unzufriedene Spieler? ‚Zizou‘ kann mit ihnen reden“

…unzufriedene Spieler: „Sicher gibt es sie, aber ‚Zizou‘ kann mit ihnen reden. Er ist ein kompletter Typ. Wenn er bei einer Pressekonferenz erklärt, dass für ihn alle Spieler wichtig sind, dann meint er das ernst. Er beschäftigt sich mit dieser Art von Konflikten, indem er die Wahrheit sagt und fair ist. Auf lange Sicht funktioniert das.“

…seine Rolle im Trainingsbetrieb: „Ich bin ein Co-Moderator, weil ‚Zizou‘ derjenige ist, der die Einheiten führt. Ein Trainer der englischen Art zu sein und in seinem Büro zu bleiben, würde ihn nicht interessieren. Ich kümmere mich um viele Dinge, aber wenn es zum Beispiel um reine Taktik geht, einen genau definierten Angriff aus der Verteidigung heraus oder präzise Lösungen in Situationen mit dem Ball, dann ist er derjenige, der das leitet. Er ist in der täglichen Arbeit sehr präsent.“

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von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

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