Reportage

Martin Ødegaard: (Zurück) Gekommen, um zu bleiben

Es ist über fünf Jahre her, dass Martin Ødegaard im Alter von 16 Jahren vom norwegischen erstligisten Strømsgodset IF zu Real Madrid wechselte. Nach Leiharragements in den Niederlanden und bei Real Sociedad ist das einstige „Wunderkind“ wieder in der spanischen Hauptstadt zurück, als größte Verstärkung für die Saison 2020/21 – mit gerade einmal 21 Jahren.

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MADRID, SPAIN - JANUARY 22: Martin Odegaard from Norway holds his new Real Madrid shirt with former Real player Emilio Butragueno during a press conference at Real Madrid's Valdebebas training grounds after he signed with Real on January 22, 2015 in Madrid, Spain. (Photo by Denis Doyle/Getty Images)
Lange her: Im Januar 2015 präsentierte Emilio Butragueño den 16-jährigen Neuzugang Martin Ødegaard – Foto: Denis Doyle / Getty Images

“Wunderkind” oder nur ein PR-Gag?

MADRID. Der Transfer des Martin Ødegaard zu Real Madrid sorgte im Januar 2015 für großes Aufsehen. Die Königlichen überwiesen für den damals gerade einmal 16-Jährigen stolze 3,5 Millionen Euro an den norwegischen Klub Strømsgodset IF. Schnell war in der spanischen, aber auch internationalen Medienlandschaft von einem reinen Marketing-Gag die Rede.

Spätestens, als Carlo Ancelotti – zum Zeitpunkt des Wechsels noch Trainer der Blancos – im Sommer 2016 sein Buch “Quiet Leadership” der Öffentlichkeit präsentierte, verfestigte sich diese Meinung endgültig. Der Italiener stellte darin nämlich klar, dass er Ødegaard nie haben wollte – der Transfer sei nur auf den Wunsch von Real-Präsident Florentino Pérez zustande gekommen. “Wenn Florentino einen norwegischen Fußballer kauft, musst du es einfach akzeptieren. Der Präsident entschied, er müsse drei Spiele für die erste Mannschaft bestreiten. Als PR-Maßnahme”, so der italienische Coach.

Ancelotti dachte gar nicht daran, dem Norweger eine echte Chance zu geben: “Er hätte der beste Spieler der Welt sein können, es wäre mir trotzdem egal gewesen. Weil er kein Spieler war, den ich haben wollte. Seine Verpflichtung hatte nur mit PR zu tun.”

Ødergaard wurde am 23. Mai 2015 für Cristiano Ronaldo eingewechselt – sein Debüt für Reals erste Mannschaft – Foto: imago images / Marca

Jüngster Real-Profi aller Zeiten

Das junge Talent sollte zunächst abwechselnd mit der ersten und der zweiten Mannschaft trainieren und bis zum Ende der Saison 2014/15 für die Castilla in der dritten Liga auflaufen. Sein erstes Pflichtspiel für Reals zweite Mannschaft absolvierte er am 8. Februar 2015 beim 2:2 im Heimspiel gegen Athletic Bilbao B. Drei Monate später debütierte er für die erste Mannschaft im letzten Saisonspiel beim 7:3-Heimsieg gegen Getafe. Sein großer Moment kam in Minute 58, als “Martinio” für Cristiano Ronaldo eingewechselt wurde. Mit 16 Jahren, fünf Monaten und sechs Tagen stieg er somit zum jüngsten Spieler auf, der jemals für die Blancos spielte. Die Szenerie war passend, beinahe perfekt: Das Wunderkind ersetzt den Wunderspieler.

Es sollte allerdings für sehr lange Zeit auch sein einziger Einsatz für den spanischen Rekordmeister bleiben. Unter Carlo Ancelotti war es für Ødegaard ohnehin nicht möglich, sich regelmäßig für höhere Aufgaben zu empfehlen. Doch auch Nachfolger Zinédine Zidane, der den Norweger zuvor in der Castilla trainierte, setzte seinerseits auf bewährte Kräfte, sodass es für den jungen Mittelfeldspieler lediglich für eine Kadernominierung beim UEFA Super Cup im August 2016 reichte – beim 3:2-Sieg gegen den FC Sevilla wurde er jedoch nicht eingesetzt. Einzig im darauffolgenden November durfte er noch mal seine Klasse andeuten – im Pokal gegen Drittligist Cultural (6:1).

Lehrreiche Zeit in der Eredivisie

Doch sein erstes Real-Kapitel näherte sich dem Ende: Im Januar 2017 wurde Ødegaard für anderthalb Jahre an den niederländischen Erstligisten SC Heerenveen verliehen. Im ersten Halbjahr kam er dort zu insgesamt 14 Einsätzen. In der darauffolgenden Saison absolvierte er 24 Ligapartien. Und stand dabei immer in der Startelf, erzielte zwei Treffer und bereitete ein weiteres Tor vor.

Nachdem der Leihvertrag im Sommer 2018 ausgelaufen war, ging es für Ødegaard erneut in die Eredivisie: leihweise zu Vitesse Arnheim. Hier setzte der Norweger den nächsten Meilenstein in seiner noch sehr jungen Karriere. In der Saison 2018/19 kam er nämlich zu 39 von 40 möglichen Pflichtspieleinsätzen. Nur in den ersten beiden Partien der Saison stand er nicht in der Startelf, entwickelte sich danach aber zum unumstrittenen Stamm- und Führungsspieler in Arnheim. Er erzielte elf Treffer, hinzu kamen noch zwölf Assists. Vitesse wurde am Ende der regulären Spielzeit Tabellenfünfter und eine Qualifikation für die Europa League scheiterte erst in den Liga-internen Playoffs.

Im Nachhinein sollte sollte sich die Entscheidung, in der ruhigen, dennoch alles andere als anspruchslosen Eredivisie Spielerfahrung zu sammeln, als goldrichtig erweisen – sowohl für den Mittelfeldspieler selbst als auch für Real Madrid. In den Niederlanden konnte er in aller Ruhe reifen, sich Schritt für Schritt entwickeln, ohne dabei jede Woche im Fokus der spanischen und internationalen Öffentlichkeit zu stehen. Das wäre bei einem Leihgeschäft in Deutschland, England und vor allem in Spanien nicht möglich gewesen. Zu sehr hätten sich Medien auf den “gescheiterten PR-Gag” im Falle eines Ballverlusts eingestürzt und die fußballerische, aber auch die persönliche Entwicklung Martin Ødegaards wäre sicherlich nicht so störungs- und stressfrei verlaufen, wie es in der Eredivisie der Fall war.

In Arnheim gehörte Ødegaard zu den Leistungsträgern – Foto: imago images / Pro Shots

Rückkehr nach Spanien – die Reifeprüfung

Trotz der niederländischen Ruhe waren Ødegaards dortige Leistungen, vor allem die sehr starke Saison 2018/19 bei Vitesse, nicht gänzlich unter dem Radar der Fußball-Öffentlichkeit geblieben. So hatte es im Sommer 2019 verlockende Angebote gegeben, unter anderem von Ajax Amsterdam oder Bayer Leverkusen, wo er in der Champions League hätte spielen können.

Nachdem der Norweger jedoch seinen Vertrag bei Real Madrid bis 2023 verlängert hatte, überließ man ihm die Wahl des neuen Vereins, an den er verliehen werden sollte. Ødegaard entschied sich für Real Sociedad und somit auch für die Rückkehr in LaLiga. Madrid sollte ihn nun jede Woche spielen sehen und seine Entwicklung unmittelbar mitbekommen. Schließlich hatte sich sein Ziel nie geändert – er wollte irgendwann zurück zu den Blancos, um allen zu zeigen, dass er kein PR-Gag von Florentino Pérez ist. “Ich will noch immer Stammspieler werden bei Real Madrid. Das wäre großartig”, betonte der norwegische Nationalspieler vor der Saison 2019/20.

Die Hinrunde der vergangenen Spielzeit zeigte schnell, dass Ødegaard es ernst meint: Er entwickelte sich schnell zum Führungsspieler in einer jungen und aufstrebenden baskischen Mannschaft, die Woche für Woche mit modernem, schnellem und attraktivem Fußball ganz Spanien begeisterte. Er übernahm Verantwortung bei Standards, war schnell Dreh- und Angelpunkt des baskischen Offensivspiels. So entwickelte sich der junge Norweger zum Shooting-Star der ganzen Liga! Bereits zu Beginn der Saison wurde er von LaLiga zum Spieler des Monats Septembers gekürt. Nach der Hinrunde waren sich die meisten Beobachter darin einig, dass er neben Lionel Messi vom FC Barcelona die prägende Figur der Primera División war.

Martin Odegaard
Im September 2019 wurde Ødegaard zum LaLiga-Spielers des Monats ausgezeichnet – Foto: imago images / Bildbyran

“La Real” schien unaufhaltsam auf dem Weg in die Champions League. Nachdem der Ligabetrieb Anfang März aufgrund der Corona-Krise unterbrochen werden musste, änderte sich jedoch viel für die Basken und für Ødegaard selbst. Schon vor dem Re-Start im Juni plagte sich der Kreativmotor mit einer hartnäckigen Knieverletzung (rechte Patellasehne), musste immer wieder aussetzen, sodass die Basken aus den elf verbliebenen Partien nach Wiederanpfiff nur noch zwei Siege holen konnten. Die Qualifikation zur Champions League wurde somit schnell unerreichbar, dennoch sicherte sich “La Real” am Ende den sechsten Tabellenplatz und qualifizierte sich somit für die Gruppenphase der Europa League.

Den Höhepunkt der Saison aus Spieler- und Vereinssicht stellte aber sicherlich der Auftritt im Viertelfinale der Copa del Rey im Februar 2020 im Estadio Santiago Bernabéu dar: Die Basken gewannen spektakulär mit 4:3 gegen Real Madrid und “Martinio” lieferte gegen seinen Stammverein ein alles überragendes Spiel. Real Sociedad schaffte anschließend sogar den Einzug ins Copa-Finale, welches gegen den baskischen Erzrivalen aus Bilbao steigen soll. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Spiel aber bis heute noch nicht ausgetragen – beide Vereine wollen erst spielen, wenn Fans dabei sein können.

Vorzeitig zurück in Madrid – am Ziel aller Träume?

Ursprünglich hätte Ødegaard dabei sein können, denn er sollte eigentlich noch eine weitere Spielzeit in San Sebastián verbringen, dazu hatte es eine entsprechende mündliche Vereinbarung zwischen den beiden Vereinen gegeben. Da die Corona-Krise aber selbst an einem Schwergewicht wie Real Madrid nicht spurlos vorbeigeht und Präsident Florentino Pérez teure Transfers bereits zum Ende der abgelaufenen Saison kategorisch ausgeschlossen hatte, entschied man sich beim amtierenden spanischen Meister, den Norweger doch schon zurück in die Hauptstadt zu holen – angeblich auch auf den ausdrücklichen Wunsch von Zinédine Zidane.

Dass der französische Erfolgstrainer große Stücke auf den Mittelfeldspieler hält, zeigte bereits das erste Saisonspiel der Merengues: 1.947 Tage nach seinem Debüt im Bernabéu schaffte es Ødegaard direkt in die Startelf, ausgerechnet in San Sebastián, bei seinem ehemaligen Verein. Trotz einiger guter Szenen endete das “Ødegaard-Derby” nur 0:0. Die Corona-bedingt kurze und schwierige Saisonvorbereitung, in der es nur ein einziges Trainingsspiel geben sollte, macht eines klar: In Madrid wird man mit dem “Neuzugang” sowie mit der ganzen Mannschaft noch etwas Geduld haben müssen, was auch in der Auftaktpartie am Sonntagabend sichtbar wurde. Trainer Zidane zeigte sich dennoch zufrieden mit dem Rückkehrer, mahnte aber auch immer wieder zur Geduld: “Was ich gesehen habe, hat mir gut gefallen. Schritt für Schritt wird Martin sicher noch besser. Das gilt für alle. Wir müssen ruhig mit den Spielern bleiben und ihnen Vertrauen geben.” Auch der Spieler stellte klar, er sei “natürlich glücklich, hier zu spielen. Ich verstehe mich gut mit meinen Kollegen, aber am Anfang ist es immer ein wenig kompliziert.”

Durchbruch oder weiter Knieprobleme?

Kompliziert soll es bald nicht mehr sein – der Madridismo darf sich auf die kommenden Jahre mit Martin Ødegaard freuen! Der bisherige Verlauf seiner Karriere, die so außer- und ungewöhnlich früh begann, zeigt vor allem eines: Seine Entwicklung verläuft organisch. Er macht seit Jahren einen stetigen Reifeprozess durch, war sich nicht zu schade, sich in die Niederlande ausleihen zu lassen, um dort in Ruhe zu reifen und zu wachsen – kein künstlicher Marketing-Gag! Den nächsten Schritt, die Rückkehr nach Spanien und der Wechsel zu Real Sociedad, tätigte er mit Bedacht. Es wäre sicherlich verlockend gewesen, letztes Jahr zu einem Champions-League-Verein zu gehen, aber Ødegaard hat sein Hauptziel nie aus den Augen verloren: Er wollte zurück zu Real Madrid. Also traf er aus der Perspektive die für ihn beste Entscheidung – er ging zu einem jungen, qualitativ guten Team, wohlwissend, dass er dort seine Einsätze bekommen und Woche für Woche vor den Augen der Königlichen auf sich aufmerksam machen würde.

Der Plan ist sogesehen vollends aufgegangen: “Martinio” ist zurück in Madrid und er hat diesmal alle Voraussetzungen, um ein absoluter Leistungsträger zu werden. Nach dem Abgang von James Rodríguez und bei der Vielzahl an Spielen, die Madrid in der Saison absolvieren wird, ist von regelmäßigen Einsätzen fest auszugehen – sofern sein Knie hält!

Die vergangene Saison hat zweifelsfrei gezeigt, dass er reif für LaLiga ist, und zwar auf dem höchsten Niveau. Wenn der Verein und der Madridismo getreu den Worten Zidanes Ruhe bewahren und Geduld zeigen, wird man in den kommenden Jahren viel Spaß an dem Norweger haben. Denn eines darf man nicht aus den Augen verlieren: Martin Ødegaard ist immer noch erst 21 Jahre jung.

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Kommentare
Unter Zidane wird er aufblühen, wie alle Talente unter seine Fittiche. :)
 
Mir hat sein Auftritt am Sonntag gut gefallen. Einige gute Aktionen mit dem Ball gehabt, recht erfahrenes Stellungsspiel. Man muss bedenken dass es sein erstes "normales" Spiel für Real war und auch gegen seinen Ex-Spielverein, was mental auch nicht ganz einfach ist. Kann ein Großer werden!
 
War am Sonntag mit der Beste auf dem Feld bei Real.
Wie weit es reicht, wird sich zeigen müssen.

Skeptisch macht mich allerdings Zidane...
 
Sollte er von Verletzungen verschont bleiben, könnte es etwas werden. Er bringt ein bisschen Frische in unser Mittelfeld und kann sich von den erfahrenen Spielern einiges abschauen. Diese Frische und das Spielerische sind zwei Elemente, die uns letzte Saison ein bisschen abgegangen sind.
Von daher passt das schon und ich denke aus Marketingsicht gibt es einen neuen Namen, um ein paar Trikots mehr zu verkaufen. Jetzt gilt es Leistung zu zeigen und sich aufzudrängen!
 
Erinnert ihr euch an die Szene, bei der Martin den Ball von Benz bekommt und er ihn mit einer leichten Berührung ihm zurück in den Lauf abtropfen lässt?
Benzema hat flach aufs Tor geschossen, er war leider abgefälscht.

Aber das sind genau die Aktionen, schön schnell mit einer Berührung offensiv in den Lauf..
Sowas könnte Isco halt auch, aber lassen wir das.

So haben die Jungs in ZZ erster Amtszeit viel öfter mal gespielt, anfangs^^
mehr davon

Wie aus einem Guss, ein Fisch im Wasser.

Aber die Jungs nehmen lieber den Ball an und passen quer oder zurück :(
 

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