Reportage

Marcelo: Nur Formkrise oder der Anfang vom Ende?

Die Königlichen hatten schon keinen Sahnestart in die Spielzeit 2020/21, doch für Marcelo persönlich läuft es noch viel schlechter. Schwache Auftritte und erschreckende Zahlen lassen das Denkmal des warmherzigen Brasilianers langsam zu bröckeln beginnen. Neigt sich die Karriere des Außenverteidigers dem Ende entgegen oder findet der Lockenkopf nochmal in die Spur?

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Zuletzt – wie auch beim FC Valencia – blieb Marcelo häufig ein Schatten seiner selbst – Foto: imago images / Cordon Press/Miguelez Sports

Nicht erst seit dem Debakel der Merengues beim FC Valencia (1:4) ist klar, Marcelo steckt in einem tiefen Loch. “In der Verteidigung kann man sich nicht auf ihn verlassen”, kritisierte bereits die MARCA nach dem Spiel in der Champions League gegen Donetsk (2:3): “Er ist Lichtjahre von dem brillanten Spieler entfernt, der er einmal war.”

Eindrucksvoll belegen das Zahlen, die Bände sprechen – gegen den 32-jährigen Routinier. Ein Beispiel? Seit 57 Spielen hält Zidane wieder das Heft des Handelns an der Seitenlinie der Königlichen in der Hand, seitdem war Marcelo in 28 Spielen mit von der Partie. In dieser Zeit feierte Real Madrid 16 Siege, trennte sich drei Mal unentschieden und musste bei neun Begegnungen als Verlierer vom Platz gehen. Damit ist Marcelo der einzige Akteur der Blancos, welcher bei allen Niederlagen in diesem Zeitraum involviert gewesen ist. Bei den 29 Paarungen ohne ihn gab es hingegen keine Niederlage, neun Unentschieden und ganze 20 Siege. Das ergibt einen Punkteschnitt pro Spiel von 2,38 ohne den Brasilianer gegenüber 1,82 Punkten mit ihm auf dem Feld.

Flügelstürmer im Körper eines Verteidigers

Zahlen lügen nicht! Aber sie können täuschen. Leider ist es jedoch ebenso der Fall, dass neben den quantitativen Werten des Linksverteidigers, Marcelo auch in subjektiver Hinsicht seit Monaten einiges vermissen lässt. Sein Spielwitz einstiger Tage weicht immer wieder der Schlafmützigkeit, wie zum Beispiel bei seinem Foulspiel zum Elfmeter in Valencia, welcher letztlich zum 1:3 für die “Fledermäuse” führte. Auch wiederkehrende Passivität im Pressing, zu beobachten vor dem 0:1 gegen den FC Cádiz, dazu langsame Rückwärtsbewegung gegen Shakhtar werden dem stellvertretenden Kapitän zum Vorwurf gemacht. Lethargie und Trägheit begleiten Marcelo inzwischen viel zu häufig über das Feld, als dass man darüber den Mantel des Schweigens legen könnte. Sergio Ramos soll sich seinen Kollegen unlängst zur Brust genommen haben. Wenn man früher schon dem Lockenkopf die Vernachlässigung der Defensive vorwerfen mochte, beruhte das zumindest auf der Tatsache, dass er als gefühlter Flügelstürmer im Gegenzug auch die Offensive anzutreiben wusste. Diese viel gefürchteten Flankenläufe und die eigene Torgefahr nahmen allerdings zunehmend ab, während die persönliche Defensivleistung im Umkehrschluss dennoch nicht an Stabilität gewinnen konnte – eher im Gegenteil.

Die Bayern am Boden, Marcelo dreht seine Torvorlage bejubelnd ab – für viele war dieses Spiel und die Saison 2016/17 die Sternstunde des Brasilianers – Foto: imago images / imago images / DeFodi

Schon länger ist der Mann aus Rio de Janeiro kein unangefochtener Stammspieler mehr, sein Platz wird ihm von Ferland Mendy durchaus streitig gemacht. Vielsagend auch: Mit Mendy kassieren die Blancos in LaLiga durchschnittlich nur alle 180 Minuten ein Gegentor, mit Marcelo klingelt es alle 72 Minuten!

Der Glanz vergangener Tage, wie bei seiner Sternstunde im Champions-League-Viertelfinale am 18. April 2017, als er beim 4:2-Sieg die Bayern-Defensive (unter anderem) mit einem Sololauf im Alleingang auszuhebeln wusste und damit die vielleicht beste Performance eines Außenverteidigers in der Königsklasse geliefert hatte, ist verblichen. Es bleibt die Frage nach dem “Warum”? Was ist los mit Marcelo? Und vor allem auch: Dürfen wir den alten Marcelo nochmal in Madrid erleben?

Verschleiß als Tribut oder bloße Trägheit?

Einerseits soll dem Mann, welcher in der Jugend von Fluminense am Zuckerhut ausgebildet wurde und seit November 2006 bei den Königlichen unter Vertrag steht, zugute gehalten werden, dass er die letzten beiden Spielzeiten immer wieder an diversen “Wehwehchen” – von Wadenverletzungen über Zerrungen bis hin zu Nacken- oder auch Rückenproblemen – zu laborieren hatte. Es wirkt ein wenig so, als würde der Allrounder allmählich den körperlichen Tribut für seine intensive Spielweise zahlen. In immerhin 514 Auftritten im weißen Trikot kommt Marcelo bis dato auf stattliche 38 Tore sowie 99 weitere Vorbereitungen. Zusätzliche 58 Länderspiele (sechs Treffer) für sein Heimatland bedeuten eine enorme Belastung für einen Sportler und das hinterlässt durchaus Spuren.

Der Verschleiß über die Jahre und das inzwischen fortgeschrittene Alter sind sicher relevante Faktoren für den Leistungsabfall der letzten Wochen und Monate. Verlernt hat Marcelo das Fußballspielen sicherlich nicht, denn das liegt dem charismatischen Verteidiger in seiner brasilianischen Seele. Vielleicht schlummert darin aber auch das größte Manko der Nummer 12: Fehlt dem 1,74 Meter-Mann tatsächlich (schon) die Energie für Spitzenleistungen oder hat die Bequemlichkeit in seinem Alltag Überhand genommen, wie es schon manchen seiner Landsmänner im Karriereherbst widerfahren sollte? Mit vier Champions-League-Titeln, fünf Meisterschaften und zwei Pokalsiegen hat Marcelo jedenfalls alles erreicht, was man an Trophäen einheimsen kann. Nicht nur der Körper wird müde, auch psychisch ist es nur menschlich, dass diese letzten Quäntchen für Höchstleistungen inzwischen fehlen (könnten).

Marcelo
Die große Frage bleibt, ob man sich an Marcelo als Ersatzmann gewöhnen muss oder der Brasilianer seiner Formkurve nochmals die Kehrtwende geben kann? – Foto: imago images / Action Plus

In den Kopf von Marcelo kann niemand blicken und da es sich ohnehin um ein unterbewusstes Phänomen handeln dürfte, kann der Spieler selbst diese Frage nicht beantworten. Es bleibt zu hoffen, dass das Formtief nur eine Phase darstellt, aus welcher der Sympathieträger wieder einen Ausweg findet. Lange bleibt ihm dafür sicher keine Zeit. Erfolge vergangener Tage werden in Madrid zwar nicht vergessen, denn unlängst schwebt Marcelo in Sphären von Legenden wie Roberto Carlos, aber sich darauf auszuruhen wird im Dunstkreis des Bernabéu-Stadions nicht akzeptiert. Die Leistung muss stimmen für den Anspruch der absoluten Weltspitze. Wenn das nicht bald wieder der Fall sein sollte, ist spätestens nach dem Vertragsende 2022 für den Brasilianer Schluss an der Concha Espina. Mit einem Wechsel zu Juventus Turin oder Inter Mailand wurde bereits diesen Sommer (mal wieder) kokettiert, ein Tapetenwechsel wäre auch eine Option. Die Uhr von Marcelo steht also auf kurz vor 12 und wir sind gespannt, wie es weitergehen wird mit Reals Nummer 12.

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von
Christian Graber

Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".

Kommentare
Auf gar keinen Fall sollte man ihn "los werden". Diese Saison hängen sowieso alle durch und er ist ohnehin nur noch Ersatz. Mit der Rolle scheint er aber sehr zufrieden zu sein, stänkern hört man ihn nicht. Dazu ist er unheimlich wichtig für die Stimmung in der Truppe, sowas wird gerne immer vergessen.

Das er abbaut ist natürlich klar, aber dafür hat man ja Mendy verpflichtet.
 
Marcelo ist eine Legende und hat das weiße Trikot immer mit ganzem Herzen verteidigt, aber er wird leider nicht mehr jünger und seine Leistungen sind schon seit einer Weile nicht sehr berauschend und lassen ihn zum Sicherheitsrisiko in der Abwehr werden. Jede Ära geht zu Ende. Sein Vertrag läuft zwar 2022 aus, meiner Meinung nach sollte er aber schon am Ende dieser Saison einen würdevollen Abschied erhalten und anschließend kann er sich - falls er Lust hat - in ein neues Abenteuer stürzen (Juve? MLS?). Wir werden Marcelo immer dankbar sein für seine Verdienste und ihn in bester Erinnerung behalten.
 
Auf gar keinen Fall sollte man ihn "los werden". Diese Saison hängen sowieso alle durch und er ist ohnehin nur noch Ersatz. Mit der Rolle scheint er aber sehr zufrieden zu sein, stänkern hört man ihn nicht. Dazu ist er unheimlich wichtig für die Stimmung in der Truppe, sowas wird gerne immer vergessen.

Das er abbaut ist natürlich klar, aber dafür hat man ja Mendy verpflichtet.

Ich möchte keinen LV Backup haben, bei dem ich weiß, wenn er spielt verlieren wir mit hoher Wahrscheinlichkeit das Spiel :/

Marcelo sollte seine Karriere würdevoll am Ende der Saison bei uns beenden.
 
Ist bei allen Brasilianer so das sie um die 30 herum eher sogar noch früher abbauen ( Ronaldinho,Kaka, ... usw. ) bei ihm ist es halt ebenfalls so für mich ist es eher eine Gefahr ihn aufzustellen weil er gefühlt nur mehr irgendwas macht das hat nichts mehr mit Taktik zu tun wenn man sich irgendwo am Spielfeld rumtreibt und wir kassieren ein Tor nach dem anderen!

Ja M12 du hast uns viel gegeben aber es wird nicht mehr besser und man sollte auch hier einen Schlussstrich ziehen Sommer 2021!
Hoffe man kann das mit den Spurs klären wegen Regu gefällt mir sehr sehr gut was ich von ihm sehe und das ist nur sportlich gemeint hab nix gegen M12 nur Real hat Ziele und wenn man keine Leistungen mehr bringen kann muss ein anderer her.
 
Ich möchte keinen LV Backup haben, bei dem ich weiß, wenn er spielt verlieren wir mit hoher Wahrscheinlichkeit das Spiel :/

Marcelo sollte seine Karriere würdevoll am Ende der Saison bei uns beenden.

Das sehe ich genauso, es ist auch keine Formkrise, sondern der Anfang eines Endes bei uns, was aber sich schon seit zwei Jahren abzeichnet. Nicht umsonst setzte Solari schon auf Reguilon und dies nicht weil Marcelos Defensivkünste allein nicht genügten, sondern weil er auch offensiv immer weniger beiträgt. Da diese Qualität aber einen großen Teil seiner jahrelangen Berechtigung hier ausmachte, spricht nahezu nichts mehr für ihn. Wenn man dann Reguilon sowieso, aber auch den sehr talentierten Gutierrez gestern wieder in der Castilla spielen sieht, muss der Abgang Marcelos und das hochziehen des Castillazöglings im Sommer vollzogen werden.
Ich hoffe dass der Verein und auch der Wuschel selbst, diese Einsicht teilen und Marcelo in Würde gehen wird.
 
Kritik äussern ist wichtig und selbst bei Marcelo (Ramos, Modric oder Carvajal) soll diese nicht kürzer kommen.
Aber wie so oft macht der Ton die Musik!

Er ist der Vollblutmadridista schlechthin. Die Grätsche letztes Jahr im Camp Nou gegen Messi war einer der wow-Momente der vergangenen Saison und Marcelo hat es sich ganz einfach verdient seine Karriere so ausklingen zu lassen wie er will. (Frei von jeder ökonomischen Entscheidung wie einst mit Raul oder Arbeloa)

Man hat jetzt Mendy und man hat noch immer die Kaufoption für Reguillon und Hakimi.

Zumindest auf den Aussenverteidigerpositionen sehe ich die Zukunft rosig und positiv, wenn man weiterhin klar kommuniziert und gute Entscheidungen trifft.

Was die Statistiken angeht tut das natürlich besonders weh. Ohne Zweifel ist er nie und nimmer so gut wie vor 3 Jahren oder mehr. Aber man muss auch sehen, dass er oft spielt, wenn auch sonst schön rotiert wird, man lange keine Tore schiesst oder man keine andere Wahl mehr hat, etc. Statistiken lügen nie, aber man kann sie sich natürlich trotzdem zurecht legen....
 
Marcelo hat uns sehr viel Spaß gemacht und gegeben, aber bei Real auf höchstem Niveau reicht das nicht mehr! Er ist für andere Ligen Frankreich, Italien oder Brasilien immer noch gut. Aber ab 30 geht es bei den meisten Berg ab. Er ist soooooo langsam und konfus. Marcelo mein lieber, vielen Dank für all die schönen Momente und Pokale, aber gehe bitte bald. Wir müssen wieder eine Power Mannschaft aufbauen. Hala Madrid y nada más
 
Ich könnte mir Marcelo sehr gut auf dem linken Mittelfeld vorstellen. In einem 3-4-3 System kämen seine Stärken bestimmt voll zur Geltung. Als LM muss er nur wenig nach hinten arbeiten dank des 3iv und mit einem weiteren Flügelstürmer vor ihm kann er sich durchkombinieren. Außerdem wäre das System was ganz neues mit dem niemand rechnen würde. Das würde uns etwas unberechenbarer machen statt absolut durchschaubar. Als Rotation definitiv eine Überlegung wert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das muss man sich mal reinziehen: Ohne Marcelo ging kein Spiel verloren! Keine einzige Niederlage! Was soll man da noch sagen, ausser: Nicht mehr aufstellen!
 

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