Historie

Real Madrids größter Trainer: Der ewige Muñoz

Große Trainer-Ägiden kann man bei Real Madrid wohl an einer Hand abzählen – wobei die des Miguel Muñoz bis heute einmalig bleibt. Eine Hommage.

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Ist und bleibt der größte Trainer, den Real Madrid bisher hatte: Miguel Muñoz. – Foto: United Archives International/imago images

Was ist eigentlich bemerkenswerter: dass Zinédine Zidane, der Trainer Zinédine Zidane, für drei Champions-League-Titel (und das in Serie!) noch nicht einmal drei volle Jahre benötigte? Oder dass ihm nach seiner Rückkehr im Frühjahr 2019 nur zwei weitere Jahre genügten, um der Trainer mit den zweitmeisten Spielen in Real Madrids Vereinsgeschichte zu sein?

Dieser Platz hatte zuvor Vicente del Bosque gehört, der den seine Trainer recht rege wechselnden Weltklub 246-mal betreute. Und ganz vorne, geradezu uneinholbar vorne? Da rangiert ein weiterer Ex-Spieler, der auf deutlich mehr verantwortliche Einsätze für die Blancos kommt als Zidane (263) und del Bosque zusammen: Miguel Muñoz (605).

Miguel Muñoz ist Jahrgang 1922, gebürtiger Madrilene und schwer enttäuscht, als ihn seine Blancos, bei denen er als Junge noch mitspielen durfte, nicht für gut genug befinden, um es auch als Profi zu schaffen. Der Mittelfeldspieler, der seine Stärken in der Offensive hatte, startete seine Laufbahn stattdessen bei CD Logroñés, Racing Santander – und Celta Vigo, wo er als Stratege weiter zurückgezogen agierte. Und einem ganz bestimmten Verein plötzlich doch gefiel.

Muñoz und Pahiño richten Real wieder auf

1948 schloss Muñoz sich allerdings einem Real Madrid an, das seit 15 Jahren nicht mehr Meister geworden war und die vergangene Saison nach lediglich sieben Siegen aus 26 Spielen schlanke zwei Punkte über dem Strich beendet hatte. Madrids Transfersommer 1948 war also einer seiner wichtigsten und besten – denn neben Muñoz kam auch Torjäger Pahiño aus Vigo.

Muñoz etablierte sich schnell als Stamm- und auch Nationalspieler, seine Fähigkeiten als Anführer und Pahiños Tore ließen die Merengues wieder zu Titelanwärtern avancieren. Der entscheidende Durchbruch wollte aber nicht gelingen – bis Präsident Santiago Bernabéu Pahiño 1953 ersetzte. Mit keinem Geringeren als Alfredo di Stéfano.

Mr. Europapokal: Das erste Tor, der Erste am Pott

Mit “La Saeta Rubia” begann an der Concha Espina eine Ära, über die noch heute geredet wird. So richtig eingeläutet hatte sie Muñoz, der am 8. September 1955 beim 2:0-Sieg über Servette Genf das erste Tor in Real Madrids offizieller Europapokalgeschichte erzielte. Einer der Ziehsöhne des Herzensmenschen Bernabéu mauserte sich zum regelrechten Pionier des Europapokals: Am Saisonende streckte Reals Kapitän als erster Spieler überhaupt den Henkelpott in die Höhe.

Ein Jahr später gelang Muñoz dieses Kunststück erneut – wie auch der Absprung im richtigen Moment. “Ich wollte nicht wie ein Idiot aussehen”, gab er ganz offen zu und beendete mit 36 Jahren seine aktive Laufbahn. Doch nach der Karriere war für Muñoz vor der Karriere. Bernabéu wollte den Denker und Lenker als Trainer sehen und stellte ihn prompt an die Seitenlinie der AD Plus Ultra, wie Real Madrids zweite Mannschaft damals gerufen wurde.

Bernabéus Liebling

In der Rolle des Trainers machte Muñoz sich so gut, dass er schon 1959 bei den Großen einsprang, als der erkrankte Luis Carniglia operiert wurde. Und als wenige Monate später auch dessen Nachfolger Manuel Fleitas Solich seine Zelte abbrechen musste – dafür genügte Bernabéu oft schon eine kleine Meinungsverschiedenheit -, kam nur noch einer in Frage.

Am 18. Mai 1960 lieferte Real Madrid im Landesmeister-Endspiel gegen Eintracht Frankfurt die vielleicht berühmteste Performance der Europapokalgeschichte ab – das “beste Finale aller Zeiten”. An der Seitenlinie stand: Miguel Muñoz. Ein Anblick, an den sich der Madridismo gewöhnen durfte.

Obwohl am Ende des Tages der omnipräsente Bernabéu das Sagen hatte, wie es bei “managingmadrid.com” auch Kristofer McCormack schreibt, leistete auch Muñoz als intelligenter Förderer von talentierten Spielern einen großen Beitrag, die er verstand, in den richtigen Systemen und Formationen einzusetzen. Er sortierte etwa den lauffaulen und bei Di Stéfano intensiv aneckenden Didi aus und installierte den emsigen Luis del Sol, der – ähnlich wie zuvor Héctor Rial – bestens mit “Don Alfredo” harmonierte und das königliche Offensivspiel wieder in Einklang brachte.

Nach international sagenhaften, national gegen Ende aber bitteren Jahren brachte Muñoz – der wie Zidane kein großer Dompteur war, den Spielern aber empathisch auf Augenhöhe begegnete – außerdem die Stabilität zurück nach Chamartín: Ab 1961 wurde Real Madrid fünfmal hintereinander spanischer Meister. Doch hinter den Kulissen rumorte es. Trotz aller Leistungskonstanz blieben die großen Ausschläge nach oben aus. Ein alterndes “weißes Ballett” tat sich im europäischen Vergleich zunehmend schwerer, zog sowohl gegen Benfica Lissabons Power-Fußball als auch gegen Inter Mailands Catenaccio in den Endspielen 1962 und 1964 den Kürzeren.

“Yé-yé”: Der große Umbruch

Eine große Generation war in die Jahre gekommen und mit ihr ihr Anführer. 1964 wagte Muñoz es, den 38-jährigen Di Stéfano auszumustern. Real Madrid benötigte – in einer finanziell kniffligen Zeit, in der man unter anderem Del Sol verkaufen musste – eine neue Ausrichtung und darüber hinaus frisches Blut. Die vielleicht größte Herausforderung des unvermeidlichen Umbruchs war allerdings eine vom spanischen Fußballverband verhängte Ausländersperre: Es sollte nach dem bescheidenen spanischen Abschneiden bei der WM 1962 wieder auf eigene Spieler gesetzt werden – womit Bernabéus erfolgreiche Transferpolitik erst einmal vom Tisch war.

Was den Klub-Boss dazu bewegte, auch in Sachen Trainer von seiner Linie abzuweichen und Muñoz diese Aufgabe anzuvertrauen. Vom weißen Ballett blieb als Leitwolf mit “Paco” Gento nur der jüngste Star übrig, während Muñoz das “Real Madrid Yé-yé” kreierte, eine spektakulär aufspielende Truppe aus jungen Spaniern – zu großem Teil Eigengewächse -, die sich unter Reals neuer Trainer-Instanz außerordentlich schnell entwickelten.

Die neuen Anführer hießen Ignacio Zoco, Manuel Sanchís Senior, Pirri oder Amancio Amaro, denen Fotograf Felix Lazaro, gemäß ihrem Rufnamen, semi-authentische “Beatles”-Perücken überstülpte. “Kameradschaft und jugendlichen Frohmut”, attestierte sicherlich nicht nur Lazaro dem neuen Real Madrid, das irgendwie für die gesamte spanische Jugendbewegung stand, die langsam aber sicher gegen die Franco-Diktatur rebellierte.

Die Fotos entstanden zwei Tage vor dem Landesmeister-Finale, in das Muñoz Europas Könige 1966 zurückgeführt hatte. Als solche wurden die Königlichen jedoch längst nicht mehr wahrgenommen: Vor dem Halbfinale gegen Titelverteidiger Inter hatte dessen Star-Trainer Helenio Herrera gar bereits das Mannschaftshotel für das Endspiel in Brüssel gebucht. Muñoz und Madrid ließen diese Reservierung platzen und feierten die Revanche für 1964. Entscheider war “Hexer” Amancio – wie auch im Finale gegen Partizan Belgrad.

Auf die Revanche folgt wieder Kritik: Muñoz dankt ab

Sechs Jahre nach dem 7:3 über Frankfurt hatte Miguel Muñoz ein grunderneuertes Real Madrid, ohne ausländische Top-Stars, erneut auf Europas Thron geführt – und in der Liga sammelte das “Yé-yé” weiterhin Meisterschaft um Meisterschaft. Weil das Selbstverständnis des Madridismo jedoch erbarmungslos in andere Dimensionen abgedriftet war, geriet der neunfache Meister-Trainer, der nach 1966 kein weiteres Landesmeister-Finale erreichte, mehr und mehr ins Kreuzfeuer der Kritik.

Die Saison 1970/71 beendete Real Madrid ohne Titel, das hatte es seit 18 Jahren nicht gegeben. Was auch an der Niederlage im Endspiel des Europapokals der Pokalsieger gegen Chelsea lag, als erstmals lautstark “Muñoz fuera”, also “Muñoz raus”-Rufe zu vernehmen waren – die nicht mehr dauerhaft verstummten.

Miguel Muñoz (r.) trainierte sogar noch Günter Netzer, den ersten deutschen Königlichen – Foto: Horstmüller/imago images

1971 verpflichtete und entwickelte der Gescholtene mit Stürmer Santillana noch einen großen Spieler der nächsten königlichen Generation, ehe Muñoz im Januar 1974 nach unfassbaren 16 Spielzeiten und 14 Titeln als Trainer Real Madrids hinwarf. Er ging am Ende selbst. “Muñoz hat wirklich lange gelitten, deshalb musste ich seine Resignation akzeptieren”, weinte Bernabéu seinem Lieblingstrainer öffentlich nach, der anschließend noch Granada, Las Palmas, den FC Sevilla und die spanische Nationalmannschaft coachte, Letztgenannte sogar bis ins EM-Finale 1984.

An die Seitenlinie im Estadio Santiago Bernabéu kehrte der 1990 im Alter von 68 Jahren verstorbene Miguel Muñoz nicht mehr zurück. “Was bleiben wird, sind unauslöschliche Erinnerungen”, dankte der größte Präsident dem größten Trainer in Real Madrids Vereinsgeschichte einst. Und eben die Rekorde, an denen sich selbst Zinédine Zidane die Zähne ausbiss.

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von
Baumgart's Fussballblog

Baumgart's Fussballblog ist für die „wahren“ Fußballfans. Nostalgie, Hintergrundberichte und interessante Fakten. Auch hier bei REAL TOTAL!

Kommentare
andere Zeit , anderer Fussball ! Leider nicht meine gewesen , aber mein Vater seine und er sagte immer sowas wie Munoz ist und bleibt Real Madrid CF Leyenda !!!
 
Sehr schön, dass ihr den Mann auf meinem Profilbild gebührend würdigt. Hab ihn nicht umsonst gewählt. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Vereins und bis heute der beste/größte/wichtigste Trainer den wir je hatten. Leider etwas unterschätzt und unter dem Radar bei den Fans. Das Spielsystem bzw. die spielerische Identität die uns gerade fehlt und die wir uns alle wünschen hatten wir damals unter ihm. Zu dieser offensiv-taktischen Identität müssen wir wieder finden und sie mit den modernen taktischen Entwicklungen des Fußballs kombinieren. Dann haben wir wieder eine erfolgreiche Zukunft.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sage ja Zidane. Ancelotti. Miguel Muñoz. Del bosgue. Die besten 4 Trainer die real hatte
 
Kann mich noch gut an die Zeit erinnern. Sagenhafte Ära.
Guter Artikel übrigens. Weiter so.
 

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