Reportage

Marco Asensio: Zwischentief oder „Jesé 2.0“?

Die letzten Wochen waren für Marco Asensio nicht einfach: Eigene Tore bleiben aus, Vorlagen sind ebenso Fehlanzeige und die Kritik an seiner Person wächst. Die Gretchenfrage bleibt nun, kriselt der 24-Jährige nur ein wenig oder steckt er in einem größeren Tief fest? Denn längst lassen sich unliebsame Parallelen finden zu einem Akteur aus der jüngeren Klubgeschichte, der nach einem Kreuzbandriss nie mehr richtig Fuß fassen konnte.

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Marco Asensio
Asensio befindet sich womöglich am Scheideweg seiner Karriere und will tunlichst gegen Vergleiche mit einem ehemaligen Real-Star ankämpfen – Foto: imago images / ZUMA Wire

Was ist aus dem Jungen geworden, den sich die Königlichen im Sommer 2014 für nur 3,5 Millionen Euro sicherten? Marco Asensio Willemsen galt damals als Schnäppchen von RCD Mallorca. Und als Transfercoup, der damals schon derartige Wellen schlug, dass selbst der ehemalige Bayern-Direktor Michael Reschke sich dazu veranlasst fühlte, den Königlichen eine SMS mit seinem persönlichen Glückwunsch zukommen zu lassen. Ehe der flinke Flügelstürmer mit technischer Finesse und Zug zum Tor jedoch an der Concha Espina durchstarten durfte, verweilte der damals 18-Jährige noch bei Mallorca und später bei Espanyol. Final in der Hauptstadt aufschlagen konnte Asensio dann zur Spielzeit 2016/17. Und wie er das tat!

Traumeinstand und steiler Karriereweg

Gleich in der ersten Saison spielte der Mann mit spanischen und niederländischen Wurzeln eine gewichtige Rolle für die Blancos, welche in dieser Spielzeit erstmals seit 2012 wieder die spanische Meisterschaft für sich entschieden hatten und abermals in der Champions League zu triumphieren wussten. Wettbewerbsübergreifend wirkte in jener Saison Asensio bei 38 Partien mit und erzielte dabei zehn Treffer für seine Farben, darunter ein wichtiges Tor im CL-Viertelfinale gegen den FC Bayern sowie einen weiteren Treffer im Finale des selben Wettbewerbes gegen Juventus Turin. Auch im UEFA Super Cup gegen den FC Sevilla traf der junge Mallorquiner sehenswert – es war eine Debütsaison nach Maß und Asensio bereits eine der vielversprechendsten Offensivkräfte Europas.

Im Super Cup der UEFA hatte der Spanier eine seiner zahlreichen Sternstunden – Foto: imago images / Digitalsport

Und es kam noch besser: In der Spielzeit darauf wurde nicht nur der Champions-League-Titel verteidigt, auch die Spielanteile des in Palma geborenen Mannes stiegen auf insgesamt 53 Einsätze – dabei elf Tore und sechs Vorlagen – weiter an. Die Roten von der Säbenerstraße waren erneut einer dieser Gegner, die dem konterstarken Flügelstürmer zu viele Freiräume gewährten und die er bestens zu nutzen wusste, um seine Torgefahr zu demonstrieren. Dafür gab es damals unter anderem Lob von Landsmann und Nationalmannschafts-Kollegen Javi Martínez: “Für mich ist er das größte Talent in ganz Europa. Es ist fantastisch, ihm zuzusehen. Besonders beeindruckend ist es, dass er sich in den wichtigen Spielen immer in Top-Form präsentiert“, sagte der Bayern-Profi in einem Interview.

Entsprechend stieg „natürlich“ auch der einstige Marktwert von 3,5 Millionen auf beträchtliche 90 Millionen Euro an, Real Madrid lehnte sogar zwei 150-Millionen-Angebote aus England ab. Die Fußballwelt lag dem Jungen von der Balearen-Insel schlichtweg zu Füßen. Im Nachhinein betrachtet, befand sich der Angreifer zu diesem Zeitpunkt womöglich schon an seinem Zenit. Die Einsatzzeiten blieben jedenfalls auch im Folgejahr ähnlich hoch, auch wenn die Saison 2018/19 für ihn sowie die gesamte Mannschaft der Blancos als einziger großer Ausrutscher abgeschrieben werden musste. 2019/20 sollte dann zum Wiederangriff geblasen werden.

Rückschlag aus dem Nichts

23 Jahre war Asensio im Sommer 2019 erst alt und hatte schon so viel gewonnen. Die besten Jahre lagen noch vor ihm und darauf wurde in der Vorbereitung hingearbeitet. Bei einem Cooper-Test während des Trainingslagers in Kanada erzielte der Spanier die besten Ergebnisse seiner Mannschaft – physisch machte ihm keiner etwas vor! Doch dann kam der 24. Juli. Ein Abend in Washington. Ein Vorbereitungsspiel gegen den FC Arsenal: Nach einem vermeintlich harmlosen Zweikampf mit „Gunners“-Angreifer Aubameyang blieb Asensio mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen. Ich habe gemerkt, dass da etwas nicht stimmt. Es war ein Moment des Schocks, der Angst, nicht zu wissen, was passiert ist. Als ich das Gesicht unseres Arztes sah, fing ich wie ein kleines Kind an zu heulen, beschreibt Asensio bei seiner Dokumentation für Realmadrid TV ein Jahr nach der Szene noch immer unter Tränen den Hergang. Die Diagnose: Riss des vorderen Kreuzbandes und des Außenmeniskus. Sofort war klar: Statt Torejagd wird es für den Offensivmann die nächsten Monate Reha heißen. Krücken ersetzten fortan das runde Leder.

Doch der spanische Nationalspieler biss sich im Laufe der inzwischen abgelaufenen Saison zurück: „Die Ärzte sagten mir, dass eine harte Zeit auf mich zukommen würde. Du musst das annehmen, du musst das akzeptieren.“ Und das tat er: Der 18. Juni 2020 war dann für Asensio ein Tag, der für ihn vielleicht auch in besserer Erinnerung bleiben sollte, als so mancher Titel-Gewinn. Nach fast einjähriger Verletzungspause durfte Asensio gegen Valencia wieder den Rasen unter seinen Stollenschuhen spüren. 330 Tage musste der Angreifer auf diesen Moment warten. Auf seinen nächsten Erfolg allerdings dann nicht sehr lange: Direkt mit seinem ersten Ballkontakt – 30 Sekunden stand er auf dem Feld – bugsierte Asensio das Spielgerät ins Netz. Mit seiner nächsten Aktion bereitete er den Treffer von Benzema schließlich vor. Elf Monate des Schmerzes und des Leidens, waren binnen weniger Minuten wie weggeblasen, als wäre nie etwas gewesen. „Das bedeutet viel, vor allem für ihn. Aber auch für uns. Wir freuen uns, ihn wieder auf dem Spielfeld sehen zu können“, sagte Zidane im Zusammenhang mit dem Comeback, welches direkt die höchsten Erwartungen schürte – oder war es doch nur ein Strohfeuer?

Auch wenn Asensio dann im Saisonendspurt noch acht weitere Einsätze (zwei Treffer) verbuchen konnte, fehlte ihm es am Elan vergangener Tage, den er – so meinen es zumindest die Kritiker – seitdem auch nicht mehr finden konnte. Corona-bedingt sah die Vorbereitung auf die nun aktuelle Saison anders aus und der verkürzte Zeitrahmen hatte bei vielen Spielern Spuren hinterlassen. So auch beim Linksfuß, der nicht so richtig in Tritt kommen mag. „Ich muss Spiele machen, Selbstvertrauen gewinnen. Es ist ein langer Prozess“, rechtfertigte sich der Nationalspieler während der Länderspielpause. „Ich fühle mich gut, aber es fehlt noch etwas zu meiner Bestform. Sie wird mit den Spielen und der Zeit sicherlich kommen.“

Doch wie viel Zeit benötigt er noch? Bei zwölf Einsätzen in dieser Saison kann der Offensivmann bis heute noch keine Torbeteiligung für sich verzeichnen und Kritik ist gerade im ungeduldigen Dunstkreis der Concha Espina schnell geäußert – ob voreilig oder nicht. Zuweilen wirkt Asensio wie ein Fremdkörper beim Spiel der Merengues, der nicht nur Tore, sondern auch Attribute wie Leidenschaft oder Einsatzbereitschaft vermissen lässt. Nach seinem fatalen Ballverlust und der vergebenen Großchance gegen den FC Valencia war der vorerst negative Höhepunkt dieser Spielzeit wohl der blutleere Auftritt am 11. Spieltag gegen Alavés, wo es weder zu einem Torschuss noch einer Schussvorlage gereicht hatte. Auch anspielbar war der Mallorquiner gefühlt nie für seine Kollegen. Kein Wunder also, dass Asensio durchschnittlich nur alle 75 Minuten einen Schuss abgibt (wettbewerbsübergreifend) und mit solchen Zahlen auch wenig Aussichten auf einen zeitnahen Torerfolg besitzt. In der Defensive profiliert sich der 24-Jährige bei Durchschnittswerten von 0,4 Tacklings und 0,1 Fouls pro Spiel ebenso wenig und lässt den notwendigen Biss vermissen.

Jesé 2.0?

Trainer Zidane verschafft Asensio derweil eine Art Galgenfrist, indem er sich schützend vor seinen Spieler stellt: „Ihr Medienvertreter müsst aufhören zu sagen, was Marco zu tun hat. Ihr müsst ihn spielen lassen“, reagierte der Franzose vor dem Shakhtar-Spiel überraschend gereizt auf wiederkehrende Fragen zur momentanen Formkrise des Erben von Gareth Bales Nummer 11, und fand zugleich aufmunternde Worte für seinen Schützling: „Wir wissen, welche Qualität er hat, nur kommt er aus einer schweren Verletzung. Er muss sein Selbstvertrauen und sein Spiel zurückgewinnen. Wir werden Stück für Stück wieder den besten Marco sehen.“

„Zizou“ kommt nicht auf der Brotsuppe daher geschwommen und weiß, wovon er spricht, auch wenn bereits erste Bögen zu einem mahnenden Beispiel geschlagen werden: Die Sprache ist von Jesé Rodríguez, der in der königlichen Angriffsfraktion einst eine tragende Rolle einzunehmen vermochte, ehe er sich ebenso das Kreuzband riss und im Anschluss nie mehr zur Form der Vergangenheit fand – bis heute!

Noch ist es bei Asensio nicht so weit und mannschaftsintern hat er offensichtlich das Vertrauen, welches die Presse ihm teilweise nicht schenken möchte. Bei der Blamage in Kiew war er einer der wenigen Lichtblicke der Königlichen, auch wenn seine Abschlüsse weiterhin (noch) nicht von Erfolg gekrönt waren. Asensio hat allerdings bereits beweisen können, dass er das Zeug dazu hat, sich zurück zu kämpfen. Und das wird er wieder tun – denn: Gegen einen Kreuzbandriss ist der mediale Gegenwind, der ihm aktuell ins Gesicht schlägt, lediglich eine leichte Brise, die vorübergehen wird.

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von
Christian Graber

Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".

Kommentare
Jese war im Kopf einfach nicht bereit für Real Madrid. Ihm fehlten Charakter, Geduld und Demut.
Asensio würde ich noch nicht abschreiben und auch nächstes Jahr mit ihm planen. Nicht als Stammspieler aber mit der Chance, wieder einer zu wedern. Im 4-2-3-1 könnte er die Alternative auf allen drei Offensivpositionen hinter einem Stürmer sein und sich beweisen. Wenn's in einem Jahr nicht anders ist, kann man immer noch den Schlussstrich ziehen. Generell merkt man, dass ihn die schwere Verletzung noch hemmt, den Knoten in seinem Kopf muss er lösen, dann wird es auch wieder klappen mit risikoreicherem, zielstrebigem Fußball.
Bevor man Marco zu früh aufgibt, sollte man jene verkaufen, die man schon jahrelang mitschleppt. Stichwort Isco.
 
Jese war im Kopf einfach nicht bereit für Real Madrid. Ihm fehlten Charakter, Geduld und Demut.
Asensio würde ich noch nicht abschreiben und auch nächstes Jahr mit ihm planen. Nicht als Stammspieler aber mit der Chance, wieder einer zu wedern. Im 4-2-3-1 könnte er die Alternative auf allen drei Offensivpositionen hinter einem Stürmer sein und sich beweisen. Wenn's in einem Jahr nicht anders ist, kann man immer noch den Schlussstrich ziehen. Generell merkt man, dass ihn die schwere Verletzung noch hemmt, den Knoten in seinem Kopf muss er lösen, dann wird es auch wieder klappen mit risikoreicherem, zielstrebigem Fußball.
Bevor man Marco zu früh aufgibt, sollte man jene verkaufen, die man schon jahrelang mitschleppt. Stichwort Isco.

Sehe das ähnlich. Aber allzulange kann man als Real leider nicht warten. Wenn man Isco abgibt, müssen endlich auch fußballerisch limitierte Spieler aussieben, Stichwort Vazquez.
Kader im Sommer ausdünnen, gezielt verstärken und vor allem die jungen Spieler ranlassen.
 
Die Erwartungshaltung war einfach zu groß. Sowohl an ihm als auch an Jese. Reicht es denn nicht, wenn man aus der Jugend einen Offensivspieler bekommt, der sich dauerhaft im Kader etabliert und eine Bereicherung darstellt? Nein, nach ein paar schönen Toren ist man sofort der Nachfolge von Ronaldo und Ballon D'or Kandidat. Hat mich schon damals ziemlich genervt.
Von Assensio bin ich aber nach wie vor überzeugt. Er hat viele kleine Aktionen, in denen man sieht, dass er technisch viel drauf hat. Gegen Donezk war er auch einer der wenigen, die sich gegen die Niederlage gewehrt haben.
Ich glaube Assensio ist jemand der sehr darunter leidet, dass wir offensiv kein richtiges Konzept haben. Spieler wie Vinicius können von der Art und Weise wie sie spielen sowas überbrücken, weil er auch mal mehrere Gegner ausdribbeln kann. Spieler wie Kubo, Brahim oder auch der hier viel gelobte Feran Torres brauchen ein funktionierendes System um sich rum, in dem sie sich dann einfügen können. Vielleicht ist das ja ab nächster Woche kein Problem mehr.

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Asensio war weder vor seiner Verletzung ein ernsthafter Faktor für die erste 11, noch ist er es jetzt.
Mann kann nicht alles auf die Verletzung schieben sondern es ist eher die Frage ob er grundsätzlich das Niveau hat.
Ich würde die Frage nach der Saison mit einer Leihe in der Fremde beantworten lassen.
 

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