
Eigentlich war es so klar. Wer schon (nach einer erneuten Verletzungspause) leicht angeschlagen zur Nationalmannschaft reist, und dann unbedingt für den Rekord noch in der 86. Minute eingewechselt werden muss, das konnte ja nur schief gehen. Sergio Ramos hat seinem Arbeitgeber den nächsten Bärendienst erwiesen. So wie beispielsweise 2019, da war es die „freiwillige“ Gelbe Karte im Ajax-Hinspiel, die ihm eine zwei-Spiele-Sperre in der Champions League (und ein paar neue Amazon-Aufnahmen) einbrachte und auch zwei Jahre später scheint er mal wieder andere Dinge im Kopf gehabt haben.
Seine Länderspiele 179 und 180 beispielsweise, dank denen nur noch Ahmed Hassan mit 184 weltweit mehr Länderspiele hat. Ramos‘ Ehrgeiz macht ihn mal wieder blind, und seinen Klub verletzbar. Der 35-Jährige behauptet zwar selbst, er habe erst beim Auslaufen am Mittwochabend einen Schmerz im linken Bein verspürt, aber seine Reise zur Nationalmannschaft war so oder so überflüssig. Ob man ihm jetzt noch glauben kann? Nicht zum ersten Mal stellt Ramos eigene Interessen über die des Klubs, von dem er ein besseres Angebot zur Vertragsverlängerung fordert. Wer seine Mannschaft in so einem wichtigen Moment im Stich lässt, sollte da nicht eher etwas Demut zeigen, ausnahmsweise überhaupt ein Angebot zur Verlängerung erhalten zu haben?
„Man sollte niemanden wegen seines Alters bewerten. Man muss auf die Leistung eines Spielers schauen“, verriet Ramos zuletzt noch. Mit nun deutlich über 30 Jahren sollte man auch auf das schauen, was er so macht und nicht macht. Nicht mit Manchester United, China oder Amazon flirten beispielsweise oder nicht „Ich würde auch gratis in Madrid spielen“ sagen, wenn man es nicht so meint.
Sei’s drum: Da Nacho Fernández zuletzt überperformte, ist ein Ausfall des königlichen Leaders vielleicht gar nicht so tragisch (von den letzten zehn Partien ohne Ramos wurden sieben gewonnen und nur eine verloren) und trotzdem hätte sich Zinédine Zidane zumindest gefreut, die Wahl zwischen den Spielern gehabt zu haben. Oft gab es das in dieser Saison nicht: Ramos verpasste bereits 18 der bisherigen 38 Saisonspiele. Einerseits weil er älter und verletzlicher wird, aber auch, weil er nicht immer nur daran denkt, was für seinen Verein das Beste ist.
Ramos wird immer eine Vereinslegende bleiben, aber wenn ihm persönliche Rekorde so viel wichtiger sind, dann ist er auch nur eine „Legende“ wie Dieter Bohlen: maximale Erfolge, aber ein unschöner, nicht unverschuldeter Abgang. Noch hat er seine Zukunft in der eigenen Hand, aber spätestens jetzt sollte er eingesehen haben, dass nach der EM mit der Nationalmannschaft Schluss sein sollte, um seinen Klub nicht wieder so im Stich zu lassen.
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