
Ist es wirklich so schwierig? Hinstellen, applaudieren, Fußball spielen. Aber Atlético macht lieber andere Bewegungen: sich winden wie ein wirbelloses Tier. Eine große „Pasillo“-Causa bahnte sich bereits an, als klar wurde, dass Real Madrid sehr wahrscheinlich gegen Espanyol Meister werden wird, um im nächsten Spiel – dem Derby – mal wieder Teil der berühmten, spanischen Tradition zu werden.
Aber Atlético will nicht. Und windet sich. Erst versteckten sich José María Giménez und Jan Oblak hinter teils fadenscheinigen Begründungen zum Schutze der eigenen Anhänger („Aber wir respektieren unsere Fans sehr.“), dann zitiert die Nachrichtenagentur EFE eine Quelle aus dem Verein mit: „Einige Leute wollen das, was als Geste der Anerkennung für den Meister geboren wurde, in einen öffentlichen Tribut verwandeln, der von den Rivalen zu entrichten ist und mit einem Hauch von Demütigung behaftet ist.“

Liebe „Rojiblancos“, für die „Demütigung“ habt ihr längst selbst gesorgt. Und das nicht nur, weil ihr euch aus einer jahrelangen Tradition – den „Pasillo“ gibt es seit den 70er-Jahren, angeblich bekam Atlético sogar den allerersten – raus quengeln wollt, sondern weil ihr für euer Schicksal selbst verantwortlich seid. Wenn der ehemalige Meister vier Spieltage vor Saisonende 20 Punkte hinter dem neuen Meister steht mit neun Niederlagen – so viele gab es unter Diego Simeone noch nie – dann gibt es nur noch eines: in den sauren Apfel beißen und wie gesagt – sich hinstellen und applaudieren.
Das Glück oder Pech des Spieplans will es so, dass das Derbi Madrileño der nächste Termin auf dem Kalender ist, kein Absteiger-Besuch wie in den meisten der letzten vorzeitigen „Pasillo“-Fälle. Wovor hat Atlético Angst? Dass die angeblich „demütigenden“ Fotos ihnen noch jahrelang vor die Nase gehalten werden? Das können die „Colchoneros“ selbst abwehren! Nicht, indem sie den „Pasillo“ verweigern, sondern indem sie in den 90 Minuten danach zeigen, dass der beste Kader ihrer Historie doch meisterlich sein oder zumindest einen Meister schlagen kann. Nicht jeder muss nach einem „Pasillo“ unter die Räder geraten wie Barça 2007 im Bernabéu, als der vorzeitige Meister aus Madrid den Katalanen schnell vier Tore einschenkte (Endstand 4:1).
Wer wirklich „Cojones“ hat – das ist das, was Simeone so gerne beim Jubeln andeutet –, der sieht einen „Pasillo“ als extra Motivation an und steht seinen Mann nicht nur vor, sondern auch nach dem Anstoß, um den möglicherweise zu entspannten Meister zu schlagen. Gerade weil Atlético frisch entthront wurde, sollten sie den Nachfolger würdigen, wie es beispielsweise auch der ehemalige Ballon-d’Or-Träger mit dem neuen handhabt. Ehre wem Ehre gebührt.
So mancher Atlético-Fan argumentiert sogar, dass ein „Pasillo“ einerseits auswärts nicht gewährt werden sollte und andererseits nicht, wenn es für den Gegner noch um etwas geht. Was darüber wohl die abstiegsbedrohten Celta Vigo oder CD Leganés dachten, als sie 2019 und 2020 dieser respektvollen Geste Zuhause dennoch folgten und im Anschluss sowohl Barça als auch Real ärgerten? Celta rettete sich, Leganés war nur noch ein Tor vom Klassenerhalt entfernt.
Also Atlético: Rückgrat zeigen und danach den ersten Derby-Sieg seit 2016 einfahren, statt Ausreden suchen. Ist das wirklich so schwierig?
Auch im Podcast war der „Pasillo“ ein Thema – ab 30:10:
Community-Beiträge