
Das verlorene Finale 1981 als Makel
Uli Stielike verbrachte acht Jahre bei Real Madrid und war eine der Säulen eines Teams, das mehrere Titel gewann, doch der Stachel einer Finalniederlage sitzt noch tief. Im Interview für das Internetportal Managing Madrid sprach der 67-Jährige unter anderem über das Finale des Europapokals der Landesmeister 1980/81, in dem die Madrilenen dem FC Liverpool mit 0:1 unterlagen. Vor jener Saison gewann Real drei Meisterschaften in Folge (1978, 1979 und 1980), in der Vorsaison sogar das Double mit der Copa del Rey. Nach der Saison 1978/79 verlor das Team aber mit Juan Sol, Quique Wolff und Henning Jensen drei wichtige Säulen, ein Jahr später gingen auch noch Roberto Martínez und Vereinsikone Pirri. „Abgesehen vom Abgang der Spieler verstarb Don Santiago Bernabéu während der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien und Luis de Carlos, sein Nachfolger, war nicht bereit, in Spieler der gleichen Qualität zu investieren. Die Tatsache, dass sowohl Laurie Cunningham als auch ich vor dem Finale von Verletzungen zurückgekehrt sind, werde ich nicht als Entschuldigung benutzen, denn das Team hat ganze Arbeit geleistet, um dieses Endspiel zu erreichen“, so Stielike.
Der Deutsche macht keinen Hehl daraus, dass die geschichtsträchtige Finalpleite ihm bis heute wehtut: „Eine Meisterschaft mit Real Madrid scheint bereits eine normale Sache zu sein. Was zählt, wenn es um die besten Mannschaften geht, ist die Champions League. Wir haben 1981 das Finale gegen Liverpool mit einer Mannschaft bestritten, in der mehr als die Hälfte der Spieler noch nicht einmal Nationalspieler waren. Für mich wäre das ein wichtiger Erfolg gewesen, denn in der öffentlichen Meinung interessiert sich niemand für die zweitplatzierte Mannschaft.“ Immerhin: Die Niederlage gegen die „Reds“ war Reals letztes verlorenes Finale in der europäischen Königsklasse.
Besondere Verbindung mit Vicente del Bosque
Auf den ersten Clásico der Saison 1977/78 angesprochen, bei dem Real Madrid den FC Barcelona im Camp Nou mit 3:2 bezwang und Stielike selbst zum vorentscheidenden 3:1 traf, erinnerte sich der Europameister von 1980 an seine Anfangszeit in der spanischen Hauptstadt. In jener Saison bildete er zusammen Wolff und Del Bosque das Mittelfeldtrio der Blancos. Vor allem mit dem späteren Real-Coach Del Bosque harmonierte Stielike sowohl auf als auch außerhalb des Platzes: „Vicente fehlte ein wenig Tempo, aber er hatte eine sehr gute Spielübersicht, eine hervorragende Technik und war schlau genug, um seine eigenen Stärken und Schwächen zu kennen. Er war auch sehr gebildet und äußerst menschlich. Die Kombination aus sportlichen Qualitäten und sozialer Kompetenz erleichtert oder erschwert immer die Zusammenarbeit zwischen Menschen. In unserem Fall haben wir uns sehr gut verstanden und wenn das Mittelfeld so funktioniert, ist es schwer zu scheitern.“ Das Ergebnis dieser Saison war der Meistertitel – Stielike erzielte dabei 13 Tore.
Erinnerungen an Santiago Bernabéu
Uli Stielike war eine der letzten Neuverpflichtungen, die Reals legendärer Präsident Santiago Bernabéu Yeste getätigt hatte. Er sei sehr überrascht gewesen, „dass Don Santiago persönlich zu einem Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Dynamo Kiew gekommen ist, um mich zu beobachten“. Als er dann Real-Spieler wurde, zeigte sich der Deutsche sehr beeindruckt von der enormen Ausstrahlung und Autorität des Präsidenten sowie der Liebe, die er von allen Mitarbeitern des Klubs erhielt. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits stark von seiner Krankheit gezeichnet war, verbrachte Bernabéu viele Stunden auf dem Vereinsgelände.

„Eines Tages, als er den Sportkomplex an der Castellana verließ, traf er meinen Vater, der gerade zu Besuch war, umarmte ihn herzlich und dankte ihm dafür, dass er seinen Sohn zu Real Madrid gehen ließ“, erinnert sich Stielike. Santiago Bernabéu verstarb am 2. Juni 1978.
„Juanitos größtes Problem waren die Emotionen“
Von einer Legende zur nächsten: Juan Gómez González, von allen immer nur Juanito genannt, ist seit Jahrzehnten eines der größten Idole des Madridismo. Der am 2. April 1992 bei einem Autounfall verstorbene Flügelstürmer war in allen acht Spielzeiten bei Real Madrid Teamkollege von Stielike. Dieser erinnert sich an die einzigartigen spielerischen Fähigkeiten des Spaniers: „In Bezug auf sein technisches Niveau kann ich sagen, dass Juanito alles hatte, um als einer der Größten aller Zeiten betrachtet zu werden. Mit seinen Dribblings hob er die Zuschauer von den Stühlen Mit seiner Geschwindigkeit war es sehr schwierig, ihn regelkonform aufzuhalten.“
Gleichzeitig stellt Stielike aber den schwierigen und impulsiven Charakter der legendären Nummer 7 heraus. Juanito habe Mitspieler hin und wieder nervös gemacht, wenn er von Teamarbeit auf individuelle Show umgestellt hatte und die Mannschaft nach misslungenen Dribblings dem Ball hinterherlaufen musste. „Aber sein größtes Problem war der Mangel an Kontrolle über seine Gefühle. Diese emotionalen Explosionen haben zwar nur wenige Sekunden gedauert, sie haben seinem Ruf aber einen enormen Schaden zugefügt“, so der 67-Jährige heute. Davon kann auch Lothar Matthäus ein Lied singen…
Disput mit Roberto Carlos nicht aus der Welt
2003, nachdem Real Madrid im Halbfinale der Champions League gegen Juventus ausgeschieden war, kritisierte Stielike die Mannschaft harsch. Er sagte, dass dem Team „die Eier fehlten“. Robert Carlos antwortete damals öffentlich mit den Worten: „Wer ist Stielike?“ Der ehemalige deutsche Nationalspieler erinnert sich an die Situation zwar zunächst humorvoll, scheint dem Brasilianer den Spruch allerdings noch immer nachzutragen. „Zumindest hat er nicht schlecht über mich gesprochen, denn wenn du heute keinen Trainer anprangerst oder einen Spieler nicht scharf kritisierst, zählen deine Worte nicht. Ich denke, wenn er mich nicht kennt, liegt es daran, dass ihm der Respekt vor seiner Arbeit und der Geschichte des Vereins fehlt. Es ist, als ob ich Santamaria, Zoco, Grosso oder Amancio nicht kennen würde“, kommentiert Stielike.
Stielike predigt Geduld mit Tchouaméni
Auf die heutige Mannschaft der Blancos angesprochen, übt sich Stielike, in Madrid „Panzer“ genannt, in Geduld und Gelassenheit. Vor allem warnt er vor allzu hohen Erwartungen an den 22-jährigen Neuzugang und vermeintlichen Casemiro-Nachfolger Aurélien Tchouaméni. Ein junger Spieler könne nur dann seine beste Leistung erbringen, wenn er zu 100 Prozent integriert sei und die Anforderungen und Ansprüche von Real Madrid zu verstehen beginne. Er müsse sich so schnell wie möglich mit dem spanischen Fußball und den Bräuchen in Spanien vertraut machen. „Und wenn sie denken, dass der Junge sich angepasst und in Bestform gespielt hat, fängt er an, Probleme durch seine Familie oder seinen Agenten zu verursachen, die mit irgendetwas nicht zufrieden sind. Die Zuschauer und leider auch ein Großteil der Medien wollen nicht einsehen, dass auf dem Weg zu konstant guten Leistungen viele potenzielle Hindernisse warten“, warnt der ehemalige Mittelfeldstratege.
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