Interview

Ex-Canterano Daniliuc über einsame Zeit in Madrid: „Bei Real gab es nur Fußball“

Wer fast vier Jahre lang als „einziger ausländischer Spieler“ beim größten Verein der Welt sein Glück (vergeblich) versucht, hat einiges zu berichten. Zwar klagt der Österreicher Flavius Daniliuc im SPOX-Interview über eine durchaus einsame und daher „nicht einfache“ Zeit im königlichen Internat, würde rückblickend dennoch nichts ändern, zumal „La Fábrica“ auch andere Unterschiede zur Nachwuchsabteilung des FC Bayern bietet.

806
Flavius Daniliuc
Flavius Daniliuc ist seit Sommer in Salerna gesetzt – Foto: Francesco Pecoraro/Getty Images

2011: Einer von zwei Auserwählten aus 2.000

Nicht nur bei Real Madrids Profis, auch in der Jugend sind die Plätze so begrenzt wie begehrt. Selbst wenn man es mal in „La Fábrica“ geschafft hat, ist der Weg zur ersten Mannschaft noch ein enorm steiler und weiter. Davon können nur wenige deutschsprachige Spieler ein Lied singen. Christopher Schorch und Philipp Lienhart beispielsweise wurden nach ihrer Castilla-Station abgegeben. Doch es gab in den letzten Jahren noch einen österreichischen Canterano, der mittlerweile in der Serie A sein Geld verdient. Flavius Daniliuc hat bei SPOX über seine Zeit von 2011 bis 2014 bei den Königlichen gesprochen. Bei einem Turnier in Wien mit meinem Jugendklub Rapid ist ein Real-Scout auf mich aufmerksam geworden. Er hat meinen Vater angesprochen und gesagt, dass ich in Madrid vorbeikommen und bei Real mittrainieren soll“, berichtet der Österreicher.

Sie sahen „das Probetraining wie einen Familienurlaub“ an und sind „alle gemeinsam hin und haben uns Madrid angeschaut. Am Ende sollten sie erst zweieinhalb Wochen, dann einige Jahre bleiben, dabei begann alles ganz anders als vorgestellt. Ich dachte, dass ich bei einer Jugendmannschaft von Real mittrainieren darf. Aber tatsächlich waren 2.000 Kinder eingeladen, die untereinander ein großes Turnier austragen sollten. Am Ende haben sie zwei ausgesucht, ich war einer davon. Das kam sehr überraschend, so Daniliuc. Mit zehn Jahren gehörte der Innenverteidiger zu den wenigen „Auserwählten“ und stand früh vor einer großen Entscheidung. Real wollte, dass ich sofort bleibe. Also habe ich mit meinem Vater zweieinhalb Wochen in einem Hotel in Madrid gewohnt. Dann sind wir nach Hause geflogen und sollten uns überlegen, ob wir wiederkommen wollen. Für mich war das eine einfache Entscheidung, natürlich wollte ich. Ganz am Anfang war mein Vater noch bei mir in Madrid. Aber dann musste er wieder in Wien arbeiten. Also bin ich alleine ins Internat gezogen.“

„Wenn es mir schlecht ging, war niemand da“

Mittlerweile 21 Jahre alt, kann der Mann aus Wien bereits auf die „ersten schweren Momente meines Lebens“ zurück blicken, denn: Als Elfjähriger alleine zu leben, ist nicht einfach. Wenn es mir schlecht ging, war niemand da, der mich trösten konnte. Da habe ich verstanden, dass Fußball nicht nur Spaß ist, sondern auch Opfer verlangt.“

Ein „Nachteil“: Er war „der einzige ausländische Spieler im Internat. Die anderen kamen alle aus Spanien und waren am Wochenende bei ihren Familien.“ Von Mobbing-Gerüchten will er allerdings nichts hören: „Das ist eine erfundene Geschichte. Wir haben damals überlegt, ob wir dagegen rechtlich vorgehen. Aber letztlich haben wir es ignoriert.“ Stattdessen zeigt Daniliuc, was ihm damals wirklich geschmerzt hat: „Ich habe meine Geschwister zu der Zeit sehr vermisst. Meine Eltern waren alle zwei, drei Wochen zu Besuch, dem habe ich immer entgegengefiebert. Dann haben mich meine Eltern aus dem Internat rausgeholt und wir haben uns andere Sachen angeschaut, damit ich ein bisschen vom Fußball wegkomme.“

Und da kommt es auch schon zu einem großen Unterschied zwischen Reals „Fábrica“ und der Nachwuchsabteilung des FC Bayern, wo der Kicker im Januar 2015 hingewechselt ist. Da war ich älter und konnte Fußball und Freizeit besser trennen. Bei Real gab es nur Fußball: Das Klubgelände ist abgelegen neben dem Flughafen. Da kommt man als Elfjähriger nicht weg, außer ein älterer Spieler nimmt einen mit dem Auto mit. In München konnte ich mit meinen Freunden in die Stadt gehen und abschalten, in viereinhalb Stunden war ich auch in Wien.“

„Bei Real alles ein bisschen königlicher“

Trotzdem scheint das Trainingsgelände in Valdebebas bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben, so sagt er über die Einrichtungen von Bayern und Real, sie seien sehr ähnlich, aber bei Real ist alles – wie soll ich sagen – ein bisschen königlicher. Ein komisches Beispiel, das mir gerade einfällt: Bei Real müssen auch die Treppen aus einem besonderen Material sein. Alles muss besonders sein.“

Besonders, ja, aber eben auch nicht einfach. Und auch wenn Daniliuc weiter von einem Turnier über Weihnachten berichtet (Meine Familie hat mir Fotos von der Weihnachtsfeier geschickt. Da sind mir Tränen gekommen. Nicht aus Traurigkeit, sondern aus Einsamkeit.) bereut er dennoch nicht, im Frühjahr 2011 den Schritt nach Madrid gewagt zu haben: Nein, ich bin froh darüber. Diese Erfahrungen haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin.“

„Alaba wie ein großer Bruder“

Und dieser Mensch hat nicht nur 55 Partien für OGC Nizza, in seiner aktuellen Debüt-Saison beim italienischen Klub Salernitana ist er absolut gesetzt und kommt auf zwölf Partien. So dürfte auch sein Länderspiel-Debüt nicht mehr fern sein, zumal er einen Nationalspieler ganz besonders kennt: David Alaba. „Ich habe ihn von Anfang an wie einen großen Bruder behandelt, nicht wie einen Fußballstar“, berichtet Daniliuc, da Alaba – ebenfalls gebürtig aus Wien – ihm das Einleben in München ermöglicht hat: „Wenn er Zeit hatte, hat er mich eingeladen oder irgendwas mit mir unternommen. Wir waren zusammen Bowlen, Go-Kart-Fahren, auf Wellness oder Essen. Ich durfte auch seine Familie und seine Freundin kennenlernen.“ Allerdings: „Momentan stehen wir nicht mehr so viel im Austausch. Ich will ihn nicht stören. Hoffentlich treffen wir uns bald bei der Nationalmannschaft wieder.“ Mit ein bisschen mehr Glück hätte das auch jetzt schon in Madrid der Fall sein können.

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
von
Nils Kern

Du hast Fragen über REAL TOTAL? Da bin ich bin der Richtige: Chefredakteur und erster Ansprechpartner für Medien, Leser, Fans. ¡Hala Madrid!

Kommentare
Also als 11.jähriger könnte er nicht soviel in madrid erleben,aber als 14.jähriger machte er München unsicher?
Also ich ich würde meinen Sohn auf keinen fall als 11. jährigen irgendwo allein lassen.ist aber meine meinung
 
Zuletzt bearbeitet:

Verwandte Artikel

„Es ist nie zu spät!“ Pochettino weiß dank Mbappé: Träume werden Real

In seiner jüngsten Gastrolle bei El Chiringuito gewährte Mauricio Pochettino, ehemals Trainer...

Sergio Ramos bot sich Real Madrid an: „Tür immer aufgemacht“

Sergio Ramos habe Real Madrid nach eigener Aussage eine Rückkehr angeboten –...

Carvajal spricht offen: „Wechsel war notwendig“

Daniel Carvajal heißt den Wechsel auf der Trainerbank von Real Madrid gut...

Guardiola: „Bin der Trainer mit den meisten Spielen im Bernabéu“

Real Madrid gegen Manchester City - auch in der Champions-League-Saison 2025/26 soll...