
Zwischen Kunstprodukt und ehrlicher Rivalität
Die Ermittlung eines Siegers ist einer der trivialsten Gründe, weshalb es Sport gibt. Nationale Meisterschaften, kontinentale Meisterschaften… und natürlich Weltmeisterschaften: Ohne den direkten Vergleich gibt es keine Gewissheit, wer der Beste auf der Welt ist. Und diese Frage lag gerade zwischen den Großmächten des Fußballs aus Südamerika und Europa schon lange in der Luft. Eben jene Rivalität wurde vom damaligen UEFA-Generalsekretär Henri Delaunay zum Anlass genommen, um die Idee eines Entscheidungsspiels zwischen den beiden Kontinentalverbänden zu realisieren.
Eigens dafür gründete die CONMEBOL, das südamerikanische Pendant zur UEFA, die Copa Libertadores, um zunächst als Vorstufe die beste Vereinsmannschaft des Anden-Kontinents zu ermitteln. Somit entstand das Fundament, um ab 1960 die Diskussion zu beenden, welche Mannschaft das beste Team der Welt ist und somit stellvertretend auf welchem Kontinent der bessere Fußball gepflegt wird. Im Falle der ersten Auflage war dies übrigens Real Madrid: Nach einem 0:0 in Montevideo konnten die Königlichen vor 125.000 Zuschauern im Estadio Santiago Bernabéu mit 5:1 gewinnen. Unter den Torschützen seitens der Blancos keine geringeren als die Legenden Alfredo Di Stéfano, Ferenc Puskás und Paco Gento.
Kritik: Der rote Faden in einem wechselhaften Wettbewerb
Eigentlich vom Tag seiner Entstehung an sah sich der Wettbewerb diverser Kritikern ausgesetzt: Zunächst waren es eher ungewöhnliche Regularien wie bei der Ermittlung des Siegers in Hin- und Rückspiel, bei denen die Höhe der Siege unerheblich waren. Ein Exempel? Zwischen SL Benfica und Peñarol Montevideo in der zweiten Auflage des Pokals wurde 1961 trotz der Resultate von 1:0 und 0:5 ein drittes Entscheidungsspiel durchgeführt, um einen Sieger zu ermitteln. Im Jahr 1967 wurde diese Regel schließlich ad acta gelegt.
Wenige Jahre später kam es zu Protesten wegen der teils sehr groben Gangart einiger Mannschaften, welche diesen Wettbewerb in Frage stellen ließ. Ajax Amsterdam statuierte als Folge dessen 1971 ein Exempel und trat nicht zu diesem Pokal an, sodass ein Vertreter geschickt werden musste. Der Grund dafür war die Sorge vor zu vielen verletzten Spielern. Dieses Szenario wiederholten bis 1979 vier weitere europäische Vertreter sodass 1974 Atlético Madrid das bis heute einzigartige Kunststück gelang, den Weltpokal zu gewinnen ohne jemals Kontinentalsieger zu werden.

Neuer Modus ab 2025: 32 Teams, alle vier Jahre
In der Gegenwart dreht sich die Kritik inzwischen weniger um das harte Zweikampfverhalten, als eher um die zusätzliche Belastung, welche den heute als Turniermodus ausgetragenen Wettbewerb hinterfragen lässt, zumal die FIFA als Ausrichter weiterführende Veränderungen beschlossen hat und ab 2025 mit 32 Teams spielen möchte – allerdings dann nur noch alle vier Jahre. Ursprünglich sollte es 2021 schon zum neuen XXL-Format in China kommen, allerdings verlegte die Corona-Pandemie die Pläne des Weltfußballs vorerst auf Eis.
Als Anreiz – oder Ausgleich – für Terminstreitigkeiten sollen hohe Geldsummen fließen, dennoch gibt es Gegenwind: „Da der Kalender bereits mit nationalen Clubwettbewerben und ständig wachsenden internationalen Wettbewerben überlastet ist, birgt die Entscheidung der FIFA das Risiko eines Überangebots an Spielen, weiterer Verletzungen von Spielern und einer Verzerrung des Wettbewerbsgleichgewichts”, kommentierte unlängst das World Leagues Forum, ein Zusammenschluss von 40 Ligen, zu dem auch die Deutsche Fußball Liga gehört, die Pläne kritisch. „Angesichts dieser Entscheidungen, die ohne Absprache mit den direkt davon betroffenen Parteien gefällt wurden, (…) gibt LaLiga hiermit bekannt, dass sie rechtliche Schritte prüfen wird, um die Klub-Weltmeisterschaft im angekündigten Format zu verhindern”, ließ die spanische Liga zu diesen Plänen verlauten und als „Farce” bezeichnete BVB-Boss Hans-Joachim Watzke diesen Wettbewerb und steht mit dieser Ansicht ebenso nicht alleine da.
Etablierter Modus und Teilnehmerfeld noch in 2023
Nach mehr oder minder erfolglosen Versuchen einer Weltpokal-Reform im Jahr 2000 mit acht teilnehmenden Teams und einer Turnier-Absage 2001, wobei ursprünglich zwölf Teilnehmer eingeplant wurden, etablierte sich der heute bekannte Modus letztlich seit 2005, welcher K.o.-Runden vorsieht und an dem sieben Teams teilnehmen. In der ersten Runde treffen die Gastgebermannschaft und der Vertreter Ozeaniens aufeinander, die Mannschaften aus Nord-/Mittelamerika, Afrika und Asien steigen im Viertelfinale ein und die beiden Vertreter aus Südamerika und Europa werden für das Halbfinale gesetzt. Weil in diesem Jahr mit Wydad Casablanca ein marokkanischer Klub den Afrikanischen Kontinent vertritt und damit bereits ein Team aus dem Gastgeberland qualifiziert ist, wurde Al Ahly aus Ägypten als Finalist des Kontinental-Wettbewerbs für die Klub-WM nachnominiert. Das Turnier in Marokko wird in der Küstenstadt Tanger sowie der Hauptstadt des Landes, Rabat, ausgetragen.
Signifikantes Leistungsgefälle und Mehrklassengesellschaft
Ohne Zweifel werden die Königlichen als europäischer Vertreter mit der Favoritenrolle im Gepäck anreisen. Seit 2012 kam der Sieger dieses Pokals nicht mehr von einem anderen Verband. In 18 Ausgaben der Klub-WM stehen somit 14 Siege für die Vertreter Europas, was einer Quote von 78 Prozent entspricht. Beim Weltpokal als Vorgängerwettbewerb sah es mit 22 zu 21 Siegen für die Südamerikaner noch erheblich besser aus, womit das Turnier auch als Indikator für die zunehmende Dominanz des europäischen Vereinsfußballs zu verstehen ist.
Auch ohne einen Blick in die Geschichtsbücher wird die Favoritenrolle der Blancos untermauert, das erzählen bereits die Marktwerte der teilnehmenden Teams: Während die Seattle Sounders noch mit 49 Millionen aufwarten können oder AlHilal aus Saudi-Arabien einen Marktwert von 40 Millionen vorzeigt und sich mit Argentinien-Schreck Al-Dawsari oder Moussa Marega (einst FC Porto) Spieler im Kader befinden, von welchen zumindest schonmal gehört wurde, herrscht bei den anderen Vertretern eher weniger Spieler-Luxus: Al Ahly SC (Markwert 29 Millionen Euro) und Wydad Casablanca (Marktwert 20 Millionen) hinken bereits hinterher, die wenigsten Chancen wird sich der neuseeländische Dauer-Vertreter von Auckland City mit einem Marktwert von etwa 4,5 Millionen Euro ausrechnen. Zum Vergleich: Der SV Meppen hat als Tabellenletzter der 3. Liga noch einen Marktwert von 4,33 Millionen Euro.
Neuer Modus, altes Duell
Auch wenn die Marktwerte nur Indikatoren darstellen, wird Flamengo mit 177 Millionen Euro sicher der ärgste Konkurrent der Blancos im Rennen um die Krone sein, auch wenn in Bezug auf die thematisierten Kennzahlen bei einem Marktwert von 849 Millionen nochmals eine eklatante Diskrepanz zu den Königlichen herrscht. Die Mannschaft von der Copacabana dürfen die Blancos dennoch nicht unterschätzen: Nicht nur, dass sie bereits einmal den Weltpokal gewinnen konnten, sondern auch, weil die Brasilianer recht prominent besetzt sind. Alte Hasen mit europäischer Erfahrung wie David Luiz (u.a. Chelsea und PSG), Filipe Luís (lange Atlético) oder auch Arturo Vidal (u.a. Bayern, Barcelona, Juventus und Inter) stehen beim Ex-Klub von Vinícius Júnior unter Vertrag und bringen reichlich Qualität in den Kader des südamerikanischen Vertreters.

Ausgerechnet der Chilene Vidal hat sich hinreißen lassen, bei der Pokalfeier seiner Mannschaft erste großspurige Töne über den Atlantik zu schicken: „Madrid, wir werden dir den Arsch aufreißen“, gab es in einem viral gewordenen Video zu hören. Während der Routinier jedoch vermutlich eher durch rüde Tacklings und vorlaute Aussagen auffallen dürfte, wird der gefährlichste Mann voraussichtlich Gabriel Barbosa sein, besser bekannt als Gabigol. Der Brasilianer scheiterte einst als Sturmhoffnung bei Inter Mailand, befindet sich aber nun mit seinen 26 Jahren in Top-Form und ist ein absoluter Torgarant für seine Mannschaft.
Differenzierte Sicht der Dinge
Gerade in Europa ist das Ansehen des nominell prestigeträchtigsten Pokals im Vereinsfußball überschaubar. Auch wenn der Titel „Klub-Weltmeister” sowie das goldene Patch auf der Brust bestens zum Selbstverständnis der Königlichen passt, wird die größere Portion Ehrgeiz sicherlich von den Vertretern der anderen Verbände beigetragen. In Südamerika oder anderen Kontinentalverbänden ist der Stellenwert ohnehin wesentlich höher, was historisch betrachtet auch in der Natur der Sache liegt, wurde doch die Copa Libertadores ursprünglich als eine Art Qualifikations-Turnier für den einstigen Weltpokal geschaffen.
Für viele Spieler wird es sich zudem um eine einmalige Gelegenheit handeln, sich mit Real Madrid um die Krone zu duellieren. Durch das enorme Leistungsgefälle zwischen den Mannschaften dürfte Flamengo der einzige Verein sein, welcher den Merengues gefährlich werden könnte, weshalb auch im Normalfall erst zum Finale richtig Spannung aufkommen sollte.
Königliche Rekordjagd auch auf globaler Ebene

Aus königlicher Sicht sollte man dennoch keinen Gegner unterschätzen: Im Weltpokal-Finale 2000 gegen die Boca Juniors wurde bereits ein Endspiel dieser Art verloren, auch wenn es die letzte Niederlage seither geblieben ist und fünf Erfolge seitdem folgten (einmal Weltpokal, viermal Klub-WM). Schon zuvor im Weltpokal hatten die Königlichen mit ihrer Ausbeute den geteilten Titel als Rekordsieger (3 Siege) inne, bei der Klub-WM sind die Merengues mit ihren vier Triumphen schon vor der bevorstehenden Ausgabe der Rekordhalter. In Form von Cristiano Ronaldo stand auch der treffsicherste Spieler des Wettbewerbs in den Reihen der Blancos, für die er über die Jahre insgesamt sieben Mal erfolgreich war, auch wenn eines dieser Tore noch in Diensten von Manchester United erfolgte.
Die meisten Einsätze (elf) sind zwar mit drei Protagonisten von Al Ahly in komplett ägyptischer Hand, doch für Toni Kroos mit dessen bisherigen neun Partien (zwei für Bayern, sieben für Real) gibt es nun die Chance gleichzuziehen. Das wäre dann sein sechster persönlicher Titel bei der Klub-WM und ein weiterer Rekord. Ob es dazu kommt, erfahren wir am 11. Februar in Rabat, wenn es voraussichtlich wieder heißt: Südamerika gegen Europa. Aber erstmal gilt für Real Madrid: Pflichtaufgabe Halbfinale am 8. Februar bestehen. Und den alten Modus der Klub-WM noch ein (vermutlich) letztes Mal „genießen“…
FIFA Klub-WM: Turnierbaum
Tag | Begegnung | Runde |
01.02. | Al Ahly SC – Auckland City | 1 |
04.02. | Seattle Sounders FC – Al Ahly SC/Auckland City | 2 |
04.02. | Wydad Casablanca – AlHilal SFC | 2 |
07.02. | Flamengo Rio de Janeiro – Wydad Casablanca/AlHilal SFC | Halbfinale |
08.02., 20:00 | Seattle Sounders FC/Al Ahly SC/Auckland City – Real Madrid | Halbfinale |
11.02. | Verlierer HF 2 – Verlierer HF 1 | Spiel um Platz 3 |
11.02., 20:00 | Sieger HF 2 – Sieger HF 1 | Finale |
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