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Korruptionsvorwurf: Barça zahlte Schiedsrichter-Boss Millionen – LaLiga: „Hätte nie passieren dürfen“

Spaniens Fußballwelt ist erschüttert: Ein neuer Skandal rund um den FC Barcelona beschäftigt nicht nur die spanischen Medien, Vereine und Verbände, auch international schlägt der Korruptionsvorwurf hohe Wellen. Und seit Mittwochmittag ist viel passiert. REAL TOTAL fasst zusammen.

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FC Barcelona
Der FC Barcelona steht mal wieder in keinem guten Licht – Foto: PAU BARRENA/AFP via Getty Images

Worum geht es?

Durch bereits laufende Ermittlungen des spanischen Finanzamts gegen den FC Barcelona sind Dokumente aufgetaucht, die der Radiosender Cadena SER Catalunya (genauer die Sendung „Què t’hi jugues“) veröffentlicht hat. In diesen Unterlagen ist zusammengefasst, dass Barça in den Jahren 2016, 2017 und 2018 – das Finanzamt hatte nur diesen Zeitraum untersucht – drei Rechnungen vom Unternehmen „DASNIL 95“ erhalten hat im Gesamtwert von 1,39 Millionen Euro. Einziger Gesellschafter dieses Unternehmens ist José María Enríquez Negreira, ein ehemaliger Schiedsrichter. Das brisante: Enríquez bekleidete in besagtem Zeitraum eine heikle Position beim spanischen Verband RFEF, genauer bei dessen Schiedsrichter-Komitee CTA, dem er jahrelang als Vizepräsident diente.

Was ist der Vorwurf?

Durch die Meldungen von SER, aber auch durch die Berichte von El Confidencial und El Mundo gibt es nun erhebliche Korruptionsvorwürfe gegen Barça – tätigten die Katalanen jahrelang (laut Ex-Präsident Josep Bartomeu bestand diese Geschäftsbeziehung schon vor 2003) Millionenzahlungen, um Schiedsrichter in LaLiga zu beeinflussen oder bestimmte Ansetzungen in bestimmten Partien zu tätigen? Korruption, Bestechung … nach den Entdeckungen des Finanzamts ermittelt bereits seit Monaten die Staatsanwaltschaft wegen einem möglichen Verbrechen. Erst jetzt kam der Fall ans Licht.

finanzamt barcelona bericht
Dieser Bericht des Finanzamts sorgt für große Aufregung

Wer ist Enríquez?

José María Enríquez Negreira, Jahrgang 1945, war von 1977 bis 1992 als Schiedsrichter in Spanien aktiv. Von 1994 bis 2018 war er Vizepräsident des Comité Técnico de Árbitros (CTA), als er im Mai 2018 aus diesem Amt ausschied, stellte er auch seine letzte Rechnung an Barça (5. Juni 2018), und die Geschäftsbeziehung zwischen Enríquez und dem Verein endete. Brisant: Im Mai 2018 begann eine neue Ära beim „spanischen DFB“ RFEF: Nachdem Ex-Präsident Ángel María Villar im Juli 2017 nach 29-jähriger Amtszeit bei einer Razzia wegen Korruptionsverdachts festgenommen wurde, wurde im Mai 2018 Luis Rubiales als neuer Präsident gewählt – zur gleichen Zeit ging Enríquez. Oder musste gehen?

Wie reagieren die Beteiligten?

Das Finanzamt hatte bereits die Parteien dazu befragt und Barça und Enríquez behaupten, bei den jahrelangen Leistungen habe es sich um „technische Beratung“, gehandelt, da „der FC Barcelona sicherstellen wollte, dass keine Schiedsrichterentscheidungen gegen ihn getroffen wurden, das heißt, dass ‚alles neutral war‘“, so der Bericht. Diesen mehr oder weniger interpretationswürdigen Worten des Finanzamts hat Barça in einer Pressemitteilung angefügt: In der Vergangenheit hat der Verein verschiedene Dienste externer Berater angenommen, um Jugendspieler aus ganz Spanien zu scouten.

Darüber hinaus wurde mit dem genannten Dienstleister (DASNIL 95) die Zusammenarbeit ausgeweitet auf „technische Berichte im Zusammenhang mit professionellen Schiedsrichtern“ – laut Barça eine gängige Praxis bei Profifußballvereinen. Dazu schreiben die Katalanen: „Der FC Barcelona bedauert, dass diese Informationen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt veröffentlicht wurden, an dem die Mannschaft ihre beste Saisonform erreicht hat.“

Dazu gibt es bereits Vorwürfe, Laporta und Co. wollen den Spieß eher umdrehen und die Opferrolle einnehmen. Brisant: Schenkt man Bartomeus Worten gegenüber Cadena SER Glauben, hat die Geschäftsbeziehung in Laportas erster Amtszeit (2003 bis 2010) begonnen. Sollten wirklich seit 2003 (oder noch früher) jährlich Rechnungen zwischen 318.000 und 541.000 Euro geschrieben worden sein, kämen in über 16 Jahren Zahlungen von rund 7,4 Millionen Euro zusammen.

Brisant auch: Laporta gilt als Befürworter des umstrittenen Ex-Präsidenten Villar. Als bei der Präsidentschaftswahl 2004 sich fast alle Vereine für Gegenkandidat Gerardo González aussprachen, soll Laporta kurzfristig eine Abmachung gebrochen haben, indem er sich doch noch für Villar entschied, um diesen im Amt zu halten und sich bei diesem auf Jahre hinweg beliebt zu machen. Diese Machenschaften bestätigte voller Begeisterung Alfons Godall, welcher Barcelona von 2003 bis 2010 als Vizepräsident diente (im Video ab 1:19, deutsche Untertitel möglich). Ob dies bei Schiedsrichterentscheidungen half? „Ohne jeden Zweifel“, so der Spanier. Diese Aussage wird durch die aktuellen Belege untermauert.

Was sagt LaLiga?

Nachdem sich der Verband RFEF schon am Mittwoch äußerte, aber primär darauf verwies, dass alle Vorwürfe vor Luis Rubiales‘ Amtsübernahme im Mai 2018 geschahen, folgte am Donnerstag eine offene Mitteilung von LaLiga-Präsident Javier Tebas. Der stellte in einem zweiminütigen Video klar, „dass im Jahr 2018 und in den Vorjahren die Compliance-Regeln, die Interessenkonflikte des FC Barcelona und des CTA kontrollieren, nicht funktioniert haben.“ Tebas: „Diese Leistungen hätten niemals erbracht werden dürfen!“ Aber die bestätigten Regelverstöße können (vorerst) keine Konsequenzen haben. Der Grund: die dreijährige Verjährungsfrist. Weil inzwischen fünf Jahre vergangen sind, kann es „keine sportlichen Disziplinarstrafen geben“.

Auf sportlicher Ebene – beispielsweise Punktabzug, Zwangsabstieg oder Geldstrafe – sind Konsequenzen nicht möglich. Aber möglicherweise auf einer anderen Ebene: vor dem Strafgericht. Denn laut Tebas untersucht die Staatsanwaltschaft „ob es ein mögliches Verbrechen der Korruption zwischen Privatpersonen hinsichtlich der Manipulation im Sportbereich geben könnte.“ LaLiga hat keine Handhabe: „Wir von LaLiga werden abwarten und die Ermittlungen respektieren, die von der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden, und sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind, wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie die entsprechende Beschwerde oder Klage bei den entsprechenden Gerichten einreicht, und von dort aus werden wir Entscheidungen treffen. Wenn es eine Klage gibt, müssen wir natürlich als Privatkläger auftreten, und wenn es keine Klage gibt, wird die Angelegenheit abgeschlossen.“

Fazit: Verjährung. Oder doch nicht?

Zum Schluss verdeutlichte Tebas, dass auch aus ethischer Sicht „diese Dinge im spanischen Fußball nicht passieren dürfen“. Eine Schlussfolgerung, die zu spät kommt, mindestens zwei Jahre zu spät. Oder doch nicht? Denn in den 33 veröffentlichten Dokumenten von El Mundo heißt es, dass die spanische Steuerbehörde schon am 18. Januar 2021 die Unterlagen zu den Zahlungen an „DASNIL 95“ angefordert und die damalige Klubführung um Bartomeu diese wenig später geliefert hat – 2021 wäre noch rechtzeitig für die Rechnungen aus 2016, 2017 und möglicherweise auch noch 2018. So oder so: Dieser Fall ist mal wieder ein Beleg dafür, wie der FC Barcelona teilweise nach eigenen Regeln spielen kann (Braithwaite-Transfer, ausgehebeltes Salary Cap, aufgeschobene Lewandowski-Sperre, Gavi-Registrierung als Profi trotz LaLiga-Absage und mehr) und manche Verbände kaum eine Handhabe haben.

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von
Nils Kern

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