
Von sieben Klubs nur noch zwei vertreten
Ist Spaniens Fußball in der Krise? Ein „si“ könnte wohl nicht laut genug ausfallen. Das beweist mal wieder das Abschneiden der Spanier in den europäischen Wettbewerben. Denn während LaLiga seit Jahren Negativzahlen schreibt – durchschnittlich sowohl älteste Spieler, wenigste Tore, geringste Nettospielzeit als auch meiste Fouls – macht sich diese Entwicklung mehr und mehr auch in Champions League und Co. bemerkbar.
Und seit Donnerstagabend steht fest: Von anfangs sieben Teams sind nur noch zwei dabei. In der Champions League hält mal wieder Real Madrid die spanische Flagge hoch – erstmals seit 1999 hat nur ein spanischer Klub die K.o.-Phase der Königsklasse erreicht (auch damals: Real). Und in den anderen beiden Wettbewerben ist nur noch der FC Sevilla am Leben. Denn während Atlético sich sehr früh und Barcelona wenig später teils blamabel aus Europa verabschiedet haben, mussten nun auch Betis und Real Sociedad in der Europa League und sogar Villarreal in der Conference League gegen Anderlecht die Segel streichen. Dass zuletzt insgesamt nur zwei Spanier im Viertelfinale vertreten waren, gab es in der Saison 2008/09 – damals Barça und Villarreal. Ein schwacher Trost: Auch aus der Bundesliga – wirtschaftlich am ehesten auf Augenhöhe mit LaLiga – sind nur nur noch zwei Teams am Leben, wohingegen England vier und Italien sogar sechs Vertreter abstellt, Frankreich nur noch einen. So oder so: LaLiga blamiert sich – mal wieder! Davon abgesehen ist auch in der mittlerweile gar nicht so Prestige-armen Youth League kein Spanier im Halbfinale vertreten, auch wenn die U19-Teams von Atlético und Real zumindest bis ins Viertelfinale kamen, aber auch dort deutlich scheiterten.
Probleme ohne Ende: Platzverweise, Rassismus, Korruption
Von den vielen sportlichen Problemen mal abgesehen, stellt die Primera División schon lange keinen Zuschauermagneten mehr dar – zwischen enorm hohen Ticketpreisen (wenn Real und Barça zu Besuch sind, gibt es selten Tickets unter 100 Euro, aber auch die Preise im Bernabéu oder Camp Nou sind eher auf Touristen ausgelegt) und nicht allzu hohen Stadionauslastungen machen auch die späten Anstoßzeiten – teilweise unter der Woche um 22 Uhr – nicht gerade Werbung für die Liga. Dazu kommt der seit Jahren öffentlich geführte Streit zwischen den Verbands-Präsidenten Javier Tebas und Luis Rubiales (mal über die Supercopa in Saudi-Arabien, mal über zu viele Montagsspiele und vieles mehr) und on top aktuell der laut einigen Experten „größte Skandal in der Geschichte des spanischen Fußballs“: der Korruptionsskandal um den FC Barcelona, welcher mittlerweile vor Gericht liegt.
Auch fußballerisch gibt es viel Kritik an und in LaLiga: Statt Techniker finden sich in Spanien immer mehr Treter, die goldene Generation der Nationalmannschaft ist mittlerweile lange her, Talente sind dagegen rar (und werden wenn, dann schnell von England angeworben) und wenn sich dann doch mal ein Star wie Vinícius Júnior – aktuell immerhin der drittwertvollste Spieler der Welt – auf die iberische Halbinsel verirrt, muss er mit Blick auf Europas Top-5-Ligen nicht nur die meisten Fouls einstecken, sondern Auswärtsspiel für Auswärtsspiel rassistische Beleidigungen über sich ergehen lassen – so unter anderem geschehen bei Atlético, in Valladolid, bei Osasuna und auf Mallorca. Atlético-„Fans“ hängten sogar eine Puppe von ihm an einer Brücke auf.
Hoffnung auf die beiden EL- und CL-Rekordsieger
Zwar gibt es auch ein paar wenige hoffnungmachende Dinge hervorzuheben (LaLiga versucht sich seit Jahren an einem Salary Cap, viele Klubs arbeiten an ihrer Infrastruktur und modernisieren ihre Stadien, dazu spielen die aktuellen Preisträger von Ballon d’Or und Golden Boy in Spanien), aber dafür lässt sich auch die Krisen-Liste immer weiter fortführen. Beispielsweise mit einer nicht immer hohen Qualität der Schiedsrichter, die auch einer der vielen Gründe für die Rekord bedeutenden 102 (!) Platzverweise nach 250 Liga-Partien darstellen. Und doch könnte das Sportliche auch dieses Jahr mal wieder über die vielen Bau- und Problemstellen hinweg täuschen. So wie 2021, als Villarreal sensationell und erstmals die Europa League gewinnen konnte. Oder natürlich auch 2022, als sich die Königlichen nicht nur ihren 14. Europapokal, sondern auch den Respekt einiger neutraler Fans sicherten. Titel, die die regelmäßig schwachen Leistungen anderer Klubs – ob national oder auf internationalem Terrain – kaschieren. So bleibt die Hoffnung, dass die CL-Experten aus Madrid, aber auch die EL-Experten aus Sevilla – beides die jeweiligen Rekordsieger dieser Wettbewerbe – die spanische Flagge nicht nur noch etwas hochhalten, sondern einen oder sogar beide Titel holen können. Balsam für die spanische Krisenseele.
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