Historie

Arroganter Fede Valverde hatte Gott-Komplex: „Es bringt mich um“

„Wir sind von Real Madrid und glauben, dass du bei uns ein Star werden könntest“: Als Federico Valverde einst plötzlich Vertreter der Königlichen gegenüberstehen, stellt sich für ihn alles auf den Kopf. Zur damaligen Zeit sei er als 16-Jähriger noch ziemlich arrogant durch die Welt geschritten, gesteht der Uruguayer: „Rückblickend bringt es mich um, weil meine Eltern mich nicht so erzogen haben.“

640
Federico Valverde Real Madrid
Valverde ist in Madrid Stammkraft – REAL TOTAL-Grafik: Dante Fernandez/AFP via Getty Images

„Dachte, ich würde gesamte Karriere in Uruguay bleiben“

MADRID. Von Montevideo in Uruguay nach Madrid in Spanien: Das sind knapp 10.000 Kilometer. Eine weite, sehr weite Distanz. Für Federico Valverde schien es einst ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, auf beruflicher Basis mal von dem einen an den anderen Ort dieser Welt zu gelangen. Als der inzwischen 25-Jährige vor rund einer Dekade darum kämpfte, ein professioneller Fußballer zu werden, hätte er es auch unterschrieben, seiner Leidenschaft nur in seiner Heimat nachzugehen.

„In meinem Kopf dachte ich, ich würde meine gesamte Karriere in Uruguay bleiben. Dann bekam ich den Anruf, der mein ganzes Leben veränderte. Ich habe bei der südamerikanischen U17-Meisterschaft in Paraguay gespielt. Am nächsten Tag bestritten wir ein großes Spiel gegen Argentinien“, erinnerte Valverde sich für die US-amerikanische Plattform THE PLAYERS‘ TRIBUNE an das Turnier in 2015 zurück.

Real Madrid plötzlich da: „Höre diesen Männern zu“

„Ich saß in meinem Hotelzimmer und meine Eltern waren in einem anderen Zimmer. Meine Mutter rief mich an und sagte: ‚Hey, komm sofort in unser Zimmer. Hier sind einige Leute, die mit dir reden wollen.‘ Wir durften unsere Zimmer nicht verlassen, also sagte ich: ‚Ich kann nicht, Mama.‘ Ich habe aufgelegt. Sie rief mich zurück: ‚Fede, komm jetzt. Diese Männer kommen von Real Madrid.‘ Im wahrsten Sinne des Wortes dachte ich, sie würde einen Streich spielen. Ich eilte in den Raum, um zu sehen, was los war und tatsächlich waren dort zwei Typen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte Tränen in den Augen. Aber sie weint ständig, also wusste ich immer noch nicht, was ich denken sollte! Ich sagte: ‚Mama, ohne respektlos zu sein …‘ Sie sagte: ‚Fede, Mund halten. Höre diesen Männern zu. Sie haben gute Neuigkeiten für dich.‘ Ich erinnere mich, dass ich dachte, die Jungs müssten von Peñarol kommen. Ich dachte, sie würden mir einen neuen Vertrag geben. Der erste Gedanke in meinem 16-jährigen Gehirn war: Verdammt, vielleicht kann ich mir für das Spiel gegen Argentinien ein paar schöne neue Nike-Schuhe kaufen. Vielleicht kann ich mir sogar eine PlayStation zulegen. Die Jungs fingen an, auf Kastilisch zu sprechen, nicht auf südamerikanischem Spanisch, und ich dachte: Heilige Scheiße. Sie sind nicht von hier. Ist das echt? Sie sagten mir: ‚Wir sind von Real Madrid. Wir glauben, dass du bei uns ein Star werden könntest. Wir möchten, dass du und deine Eltern nach Madrid ziehen‘“, erzählte Valverde von dem für ihn so überwältigen Moment.

Er glaubte dennoch erst einmal weiterhin an einen Scherz. Der heutige Stammspieler der Königlichen: „Ich sah meine Mutter an, meinen Berater: ‚Nein. Du verarschst mich.‘ Meine Mutter sagte: ‚Halt die Klappe, Fede. Wir verarschen dich nicht.‘ Es gibt 500.000 Spieler auf der Welt und Madrid möchte mich verpflichten? Was??? Ich rannte buchstäblich aus dem Zimmer. Ich schrie: ‚Wo ist Papa? Ich muss es Papa sagen!!!‘ Ich rannte in die Lobby. Mein Vater stand herum und unterhielt sich mit einem der anderen Eltern, und ich sagte: ‚Papa!!! Papa!!! Madrid ist da!!!‘ Er sagte: ‚Was? Was meinst du damit, dass sie hier sind? Wo?‘ Ich sagte: ‚Oben im Zimmer! Sie wollen mich verpflichten! Real Madrid will mich verpflichten!‘ Er sah mich an, als wäre ich der verrückteste Mensch der Welt. Er sagte: ‚Oben im Zimmer??? Na, was machst du hier unten??? Geh wieder rauf, du Idiot!!!‘“

„‚Mein Sohn spielt für Real Madrid‘ – dafür gibt‘s keinen Preis“

Valverde sei daraufhin zurück in das Zimmer gelaufen – „und zum Glück waren die Leute aus Madrid noch da, es war nicht alles nur ein Traum. Das war der erste perfekte Tag meines Lebens. Ich habe das Leuchten in den Augen meines Vaters gesehen. ‚Mein Sohn spielt für Real Madrid‘ – für diesen Satz gibt es keinen Preis auf der Welt. Ich war auf dem Gipfel. Für ein paar Monate. Dann erinnerte mich das Leben daran, bescheiden zu sein, wie es immer der Fall ist. Stellt euch wirklich vor, dass ihr für eine Sekunde ich wärt. Du bist 17 Jahre alt. Vor zwei Jahren hast du im Sandwichbett auf dem Boden geschlafen. Jetzt unterschreibst du bei Real Madrid? Mann, wie kann man nicht in Wahnvorstellungen verfallen?“

Dabei hatte nicht nur das weiße Ballett Interesse an einer Verpflichtung signalisiert. Valverde hätte es gut und gerne auch nach England zum FC Arsenal ziehen können. Er ließ sich dahingehend jedoch nicht lenken. „Wenn ihr mich googlet, werdet ihr Geschichten darüber finden, wie ich mit 16 beinahe zu Arsenal gegangen wäre. Das ist vielleicht halb wahr. Gegen Arsenal ist es nichts, aber ich wollte nie nach England. Damals übernahm die geschäftliche Seite des Fußballs die Oberhand. Leute sagten mir: ‚Wer möchte nicht für Arsenal spielen? Du möchtest hier in Uruguay bleiben? Das ist verrückt!‘ Eigentlich sagten sie damit: ‚Wir können alle viel Geld verdienen, wenn du gehst.‘ Du erkennst, dass dein Leben im Fußball nicht dein eigenes ist. Gerade in jungen Jahren fühlt man sich eher wie eine Geisel. Sogar deine Familie wird zur Geisel. Fußball ist eine Flucht in ein besseres Leben, besonders für uns in Südamerika, das wissen die Geier. Sie üben auf ‚nette‘ Weise Druck auf dich aus. Sie schickten mich für eine Woche zur Probe nach London und ich fühlte mich einfach nicht wohl. Wenn man nur an materielle Dinge denkt, klingt das großartig. Aber wir sind keine Roboter. Die Realität war, dass meine Familie nicht mit mir nach London konnte. Ich müsste mit 16 Jahren allein leben und konnte die Sprache nicht. Ich war entweder verrückt genug oder mutig genug, Nein zu sagen. Gib mir eiskalte Duschen, solange ich bei meiner Familie bleiben kann“, betonte die Nummer 15 der Merengues.

Valverde: „Der Fußball hat mich verändert“

Im Juli 2016, als er 18 Jahre alt wurde, zog es Valverde letztlich nach Madrid. Zuvor war er für den Club Atlético Peñarol aus Montevideo aufgelaufen. Als Teenager sei er eher für sich gewesen – und noch nicht ganz so bodenständig wie im späteren Erwachsenenalter.

„Wenn ich ehrlich bin, haben mich unsere Umstände geprägt. Sobald du anfängst, Fußball zu spielen und festzustellen, dass deine Freunde mehr haben als du – und sei es nur ein bisschen mehr –, kann es peinlich sein. Ich erinnere mich, dass ich nicht wollte, dass meine Teamkollegen zu mir nach Hause kommen, weil wir nur drei Kanäle im Fernsehen hatten – die kostenlosen! Damals habe ich mich ein bisschen geschämt. Ihr wisst, wie brutal Kinder im Alter von elf, zwölf Jahren sein können. Ich war also ein sehr ruhiges Kind, immer für mich allein. Ich habe meine Emotionen in den Fußball kanalisiert. Und durch den Fußball konnte ich die Situation meiner Familie ändern. Leider hat er auch mich verändert. Als ich mit 16 Jahren Profi bei Peñarol wurde, dachte ich, ich sei ein Gott“, gestand er rückblickend.

„Unmöglich, nicht vom Weg abzukommen“

„Ich glaube nicht, dass die Leute verstehen, wie verrückt es ist, als ein Niemand durch die Straßen zu gehen und dann plötzlich erwachsene Männer ein Selfie mit dir machen wollen. Du bekommst Nachrichten von Mädchen, die dich letzte Woche nicht mal angesehen haben. Jeder möchte dein Freund sein. Selbst wenn man so tolle Eltern wie meine hat, ist es unmöglich, nicht vom Weg abzukommen. Für diejenigen von uns, die im Social-Media-Zeitalter aufgewachsen sind, ist der Einfluss zu groß. Ich erinnere mich, mein Vater sagte: ‚Warum hängst du nicht mehr mit dem und dem ab? Was fehlt dir? Er war schon immer dein Junge, als du auf der Straße gespielt hast!‘ Aber ich hatte alte Freunde durch neue ersetzt, wie viele junge Fußballer. Es ist nicht so, dass ich etwas zu Verrücktes getan hätte. Aber ich war eine Göre. Ich erinnere mich an kleine Kinder, die hinter dem Zaun auf mein Autogramm warteten. Alle schreien: ‚Fede! Hey, Fede! Bitte!‘ Es hätte mich zwei Minuten gekostet, ich drehte ihnen den Rücken zu. Rückblickend bringt es mich um, weil meine Eltern mich nicht so erzogen haben. In Wirklichkeit war ich ein Niemand. Ich war nur ein weiterer Idiot, der Fußball spielte und für seine Träume kämpfte. Ich kann es nur so erklären, dass ich von dem plötzlichen Ruhm geblendet war“, meinte der Südamerikaner.

Der Ruhm in Madrid war und ist dann ein nochmals viel größerer. Doch er verdirbt den Menschen Valverde nicht. Vielmehr zählt der Mann mit dem strammen Rechtsschuss zu den Publikumslieblingen, sein Verhältnis zu Klub und Fans ist ein liebevolles. Ein persönlich noch unerreichtes Ziel bei Real hat er öffentlich bereits kommuniziert: Kapitän werden.

REAL TOTAL supporten: Alle Infos oder direkt zu Steady

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
von
Filip Knopp

Begleitet den Mythos Real Madrid als Fan seit der Ära der „Galácticos“ und journalistisch bei REAL TOTAL seit Mitte 2011. Erfahrungen auch bei SPORT1 und SPOX, zudem Autor von »111 GRÜNDE, REAL MADRID ZU LIEBEN«.

Kommentare
Oder man könnte einfach etwas dankbarer sein und mehr Respekt den Menschen entgegen bringen, die hier bei Real Total so viel leisten und uns das ganze Jahr mit Artikeln versorgen. Auch wenn einem nicht jeder Beitrag oder jede Headline gefällt.

Nur so ein Gedanke...

Filip knopp könnte auch für die BILD schreiben.Oder Sport1.was ne bekloppte Überschrift.junge junge .
 
schon ein paar interessante sachen die fede da sagt, denke in der situation haben schon viele jungstars kurzzeitig (oder auch länger) den boden unter den füßen verloren. das im nachhinein selbst so zu sagen, zeigt ja dass er ein anderer mensch ist, als der der er damals war. kann es mir persönlich kein stück vorstellen in dem alter so viel ehrgeiz und disziplin aufzubringen, kein wunder dass man dabei verrückt wird^^
und ja die überschrift ist wirklich bild-niveau :D
 
Oder man könnte einfach etwas dankbarer sein und mehr Respekt den Menschen entgegen bringen, die hier bei Real Total so viel leisten und uns das ganze Jahr mit Artikeln versorgen. Auch wenn einem nicht jeder Beitrag oder jede Headline gefällt.

Nur so ein Gedanke...

Naja der Artikel ist im Grunde nur nen übersetzter Text von Players Tribune, welcher schon seit ner Woche draußen ist. Ziemlich spät dran und hat schon was von Spoxniveau Clickbait, dazu sich paar Häppchen nehmen aus dem Interview und so den Content in die Länge ziehen. Denn vor paar Tagen kam schonmal ein Artikel mit Passagen aus dem Interview.


Gesendet von iPhone mit Tapatalk
 
Wow. Sehr reflektiert unser fede. Maximaler Respekt für den Mann. Ein wahrer madrista.
 
schon ein paar interessante sachen die fede da sagt, denke in der situation haben schon viele jungstars kurzzeitig (oder auch länger) den boden unter den füßen verloren. das im nachhinein selbst so zu sagen, zeigt ja dass er ein anderer mensch ist, als der der er damals war. kann es mir persönlich kein stück vorstellen in dem alter so viel ehrgeiz und disziplin aufzubringen, kein wunder dass man dabei verrückt wird^^
und ja die überschrift ist wirklich bild-niveau :D
So eine schöne Geschichte um Fede mit so ner Überschrift . Muss halt nicht sein . Aber nur meine Meinung
 
Er muss irgendwann der neue El Capitano werden!
 
Was für weise Worte…

Ich habe ehrlich gesagt noch nie solche Worte von einem so jungen „Knirps“ wie Fede gelesen. Unheimlich tiefgründig und reflektiert.
 
Zuletzt bearbeitet:

Verwandte Artikel

Von Özil bis Vinícius: Real Madrids Assist-Könige

Den Top-Torjägern im Spitzenfußball winken Glanz und Ruhm, während die Vorbereiter oft...

„Ein Mann des Klubs“ – Del Bosques leiser Abschied und lautes Vermächtnis

Er war Spieler, Jugendtrainer, Koordinator, Chefcoach – und Symbolfigur einer Ära. Vicente...

El Clásico: Statistiken und Historisches

El Clásico ist zurück! Am Sonntag (16:15 Uhr) begegnen sich Real Madrid...

Als Henry die „Galácticos“-Ära und Pérez-Amtszeit beendete: Böse Erinnerungen an Arsenal

Endlich ein Champions-League-Viertelfinale, in dem es nicht gegen Manchester City, Chelsea, den...