Mitbewerber

Keine Tradition? Manchester Citys Historie zwischen Bankrott und Geldregen

Denkt man an Manchester City, kommen einem direkt die Scheichmillionen in den Sinn, das unfassbare Kapital, welches in der letzten Dekade eifrig ausgegeben wurde und damit unfreiwillig auch das Klischee eines Retortenklubs. Die Historie der „Skyblues“ lässt sich unbestritten in zwei Abschnitte gliedern: Vor und nach der Übernahme der ominösen City Football Group um ihren Scheich Mansour. Wer aber denkt, es gäbe keine Traditionen und Erfolge vor dem Geldsegen, der liegt gehörig falsch. Ein Blick in die Geschichtsbücher der „Citizens“ offenbart eine doch interessante Historie.

880
Seitdem Scheich Mansour das Sagen hat, wächst die Trophäensammlung bei den Citizens” kontinuierlich an – Fotos: getty images

Die Wurzeln von Manchester City reichen zurück bis in das Jahr 1880, als der Verein unter dem Namen St. Mark’s West Gorton gegründet, wenig später (1887) in Ardwick A.F.C. umgetauft und späteres Gründungsmitglied der Second Division (1892) wurde. Erste finanzielle Probleme führten dann im Jahr 1894 zur Schaffung des heute gängigen Namens, 1899 folgte bereits der erste Aufstieg in die höchste Spielklasse, 1904 der Premieren-Titel im FA Cup und 1937 feierten die „Skyblues“ schließlich ihre erste englische Meisterschaft. Kurios dabei: Als einziges Team der englischen Geschichte überhaupt vermochten es Manchester City im Folgejahr direkt wieder abzusteigen als amtierender Meister – und das obwohl man gar die meisten Tore in der Liga erzielen konnte.

Ein Kriegsgegner wird zum Helden

Als einer der historisch größten Erfolge gilt jedoch das erfolgreiche FA-Cup-Finale von 1956, als der deutsche Schlussmann Bert Trautmann trotz eines gebrochenen Halswirbels seiner Mannschaft zum Sieg verholf. „Er ist immer gut und oft ist er fabelhaft. Und dann gibt es noch Tage, an denen er übernatürliche Dinge verrichtet. Und einen seiner besten Tage hat er in diesem Finale“, schrieb damals ein Kritiker über die Torhüterleistung des Deutschen, der noch bei seiner Ankunft in Manchester ob der Kriegsgeschehnisse von den eigenen Fans als „Traut the Kraut“ offenkundig beschimpft wurde. 20.000 City-Fans gingen damals auf die Straße, um gegen den Transfer des Deutschen zu protestieren, welcher zuvor im zweiten Weltkrieg als Fallschirmjäger im Einsatz noch gegen die Alliierten gekämpft hatte.

Seit 2003 tragen die „Skyblues“ ihre Spiele im Etihad Stadium aus – Foto: imago images / PA Images

Dabei leitete die Ära Trautmann die bis dato erfolgreichste Zeit der Klubgeschichte ein: Denn spätestens mit den 1960er-Jahren begann eine goldene Ära für Manchester City. Unter der Leitung von Trainer Joe Mercer und Kapitän Tony Book gewann der Verein 1968 die englische Meisterschaft, gefolgt vom Gewinn des FA Cups, des Ligapokals und des Europapokals der Pokalsieger (1970) in den Jahren darauf. Diese Epoche gilt als eine der glorreichsten in der Geschichte des Vereins und bleibt fest in den Herzen der City-Fans verankert, vermutlich auch, weil es danach über drei Dekaden kaum etwas zu feiern gab für den Verein.

Achterbahnfahrten im Schatten des großen Nachbarn

Auf große Jahre folgten herbe Rückschläge, immer auch verfolgt von finanziellen Schwierigkeiten. Womöglich auch, um sich der sportlichen Tristesse zu entziehen, begannen die City-Fans in den späten 1980er-Jahren damit, aufblasbare Gegenstände zu den Spielen mitzubringen, was später gar zum Charakterzeichen wurde und letztlich das Ligaspiel gegen Stoke City in der Saison 1988/89 gar als „Kostümparty“ durch die Presse bekannt wurde. Eine nette Tradition Abseits des Feldes, die belegt, dass der Verein keine Retorte ist. Doch sowohl die lodernde Fankultur als auch etwaige prominente Fans – unter anderem Jackie Chan, die berüchtigten Gallagher-Brüder (Oasis) oder der ehemalige James Bond-Darsteller Timothy Dalton – verhinderten 1998 den Abstieg in die dritte Liga und den Tiefpunkt der Vereinsgeschichte nicht.

Robinho Real Madrid
Robinho wechselte für 43 Millionen Euro aus Madrid nach England, angeblich ohne zu wissen, wo er unterschrieben hatte – Foto: Jasper Juinen/Getty Images

Der sportliche Tiefpunkt und die andauernde Konsolidierung der „Skyblues“ fiel wie ein doppeltes Dilemma ausgerechnet in die sportliche Blütezeit des ungeliebten Nachbarn, in dessen Schatten man spätestens zu jener Zeit zu verschwinden schien, wie die Transfer-Posse von Robinho charmant belegt: „Ich dachte, ich würde mich Manchester United anschließen“, äußerte sich der Brasilianer vermeintlich rund um seinen Abgang von Real Madrid nach Manchester. „Ich wurde von allen Beteiligten irre geführt. Ich wusste nicht, dass es einen anderen Manchester-Klub gibt“, soll der Brasilianer angeblich nach seiner Ankunft geäußert haben. Besonders ärgerlich für City: Eigentlich wurde United als einstiger Verein für Angestellte der Eisenbahn tendenziell nicht von Einheimischen aufgesucht und City verstand sich stets als den „wahren Verein von Manchester“, wie es in einem Buch von David Clayton über das vorherrschende Stadt-Derby geschildert wird.

Zeitenwende im Nordwesten Englands

Diese Anekdote um den Wechsel von Robinho kursiert im Internet und könnte lediglich eine urbane Legende sein, doch auch Ex-Coach Mark Hughes bestätigte gewissermaßen die Story: Wahrscheinlich ist ein Körnchen Wahrheit an dem Gerücht, dass Robinho dachte, er würde bei Manchester United unterschreiben. Er hat mich jedenfalls nicht erkannt, als er hier ankam. Wahrscheinlich hat er erwartet, Sir Alex Ferguson am Flughafen zu treffen! Er war wahrscheinlich ein bisschen enttäuscht, um es mal so zu sagen.“ Jener Sir Alex Ferguson sprach übrigens in dieser Phase von einem lauten Nachbarn, mit dem man leben müsse. Denn die über 40 Millionen Euro, die City für Robinho nach Madrid transferierte, waren erst der Anfang.

Das Schicksal von Manchester City sollte sich nämlich dramatisch ändern, als der Verein 2008 von der Abu Dhabi United Group übernommen wurde und dieser Transfersommer 2008 avancierte zum Beginn einer neuen Zeitrechnung in Manchester, auf der Insel und in Fußball-Europa. Der Verein wurde ab diesem Moment instrumentalisiert und der City Football Group zugeführt, einer Holding-Gesellschaft, die mehrere Klubs unter sich vereint und diese miteinander vernetzt. Weitere bekannte Mitglieder sind unter anderem New York City FC, Melbourne City FC, der FC Palermo oder auch der Liga-Konkurrent von Real Madrid aus Girona. Das Konzept ist logisch: Vereine auf der ganzen Welt agieren miteinander und profitieren von der jeweiligen lokalen Arbeit sowie dem Netzwerk auf den verschiedenen Kontinenten, schieben sich Spieler hin und her. Die Speerspitze und Hauptprofiteur ist Manchester City. Erfolgreich ist das Vorgehen allemal, traditionell eher nicht mehr.

8 Überläufer | Alle Galerien

brahim robinho danilo

Überläufer bei Real und City

Mit Real Madrid und Manchester City treffen erneut zwei absolute Schwergewichte im... weiterlesen

Geld schießt Tore

Ich bin zu Manchester City gekommen, weil sie immer besser werden. Können sie so gut werden, wie Real Madrid? Ja, das hoffe ich“, sagte Robinho während seiner Zeit auf der Insel und sollte Recht behalten, denn das nun bevorstehende Viertelfinal-Duell mit Real Madrid (Dienstag, 21 Uhr, im REAL TOTAL-Liveticker und bei DAZN) verspricht eine Begegnung auf Augenhöhe – auch wenn der Brasilianer, der eher als Flop in die Transfergeschichte der Citizens“ eingehen sollte, wenig Aktien am Erfolg besitzt. Unter der neuen Eigentümerschaft erlebte ManCity eine Renaissance, die den Klub zu einer der reichsten und erfolgreichsten Fußballmannschaften der Welt machte – aber parallel dazu zum Feindbild des modernen Fußballs oder auch der Inkarnation des kommerziellen Spiels mutierte. Gab City in den zehn Jahren vor der Übernahme noch durchschnittlich 20,8 Millionen Euro pro Transfersommer aus, steigerte sich dieses Volumen mit dem Faktor acht auf über 160 Millionen Euro durchschnittliches Invest pro Saison.

Diese sich von da an einstellenden, horrenden Investitionen führten zu einer beeindruckenden Kaderverstärkung mit Weltklasse-Spielern wie Sergio Agüero, David Silva und Vincent Kompany. Und die führten zur ersten Meisterschaft im Rahmen der 1992 gegründeten Premier League – den letzten Spieltag der Saison 2011/12 verbunden mit Martin Tylers legendärem Kommentar „Agüeroooooooo“ wird wohl kaum ein Fan vergessen. Spätestens seit der Verpflichtung von Trainerlegende Pep Guardiola begann Manchester City einen Stil des dominanten, ballbesitzorientierten Fußballs zu praktizieren, der die Fußballwelt beeindruckte und die Titelsammlung des Vereins schlagartig vergrößerte.

https://www.youtube.com/watch?v=GvNpkU9qEG8&pp=ygUmbWFuIGNpdHkgMjAxMiBhZ3Vlcm8gZ29hbCBtYXJ0aW4gdHlsZXI%3D

Nach Jahrzeahnten der Titellosigkeit gewann Manchester City mehrere englische Meisterschaften, darunter eine historische Saison 2017/18, in der die Briten den Premier-League-Titel mit rekordverdächtigen 100 Punkten holten. Hinzu kamen zahlreiche weitere Trophäen, darunter der FA Cup, der Ligapokal und internationale Auszeichnungen wie der langersehnte erste Gewinn der UEFA Champions League im vergangenen Jahr. Allesamt Erfolge, die, wie man böse ausdrücken könnte, „erkauft wurden“. Und im Falle von ManCity hängt ein großes Preisschild am Erfolg: Seit der Übernahme 2008 haben die Abu-Dhabi-Scheichs über 2,5 Milliarden Euro für Spieler investiert (nur Chelsea zahlte mehr mit 2,8 Mrd.) und in dieser Zeit eine negative Transferbilanz von 1,59 Milliarden (Platz eins). Zum Vergleich: Real Madrid hat mit einem Minus von 571 Millionen Euro (Platz elf) im selben Zeitraum fast eine Milliarde weniger an Mittel für seinen Kader einsetzen müssen, aber eben beispielsweise vier Champions-League-Titel mehr gewonnen als der britische Konkurrent. Hierbei lässt sich nicht nur das Finanzielle generell kritisieren, sondern auch woher die Mittel stammen – Sportswashing eines Staates, der so für sportlich positive Schlagzeilen sorgen und von gewissen Themen ablenken will.

Seit 2008 hat ManCity den schwächsten Transfer-Saldo, Real steht auf Platz elf – Screenshot: Transfermarkt.de

Financial-Fairplay-Farce und der anschließende Fußball-Olymp

Doch der Weg zum Ruhm war nicht immer unbeschwert. Manchester City sah sich auch mit Kontroversen konfrontiert, insbesondere im Zusammenhang mit der Financial-Fair-Play-Regulierung und den Anschuldigungen über Verstöße gegen diese Regeln. 2020 wurde City gar für zwei Jahre aus der Champions League ausgeschlossen wegen jener Vergehen, der Sportgerichtshof CAS hob jedoch das Urteil wieder auf, weshalb die Briten weiter teilnehmen durften. Der damalige Fall sei aus Sicht des Klubs „initiiert, juristisch verfolgt und beurteilt worden“, hieß es und die zugehörige Stellungnahme titelte von einem vorverurteilenden Prozess“. Auch innerhalb der Premier League sah sich das aus Abu Dhabi alimentierte Starensemble immer wieder Vorwürfen ausgesetzt, welche Coach Guardiola gar zu einem Zitat von Julius Cäsar verleitete: In dieser Welt gibt es keine Feinde oder Freunde, nur Interessen.“ Und das größte Interesse der anderen sei es, betonte Guardiola, ihn und City fallen zu sehen. Wie wir aber bis heute wissen: Das Schicksal von Cäsar ereilte Guardiola und Co. nicht, die Skyblues“ greifen weiterhin nach Titel um Titel.

Pep Guardiola Manchester City Champions League
Star-Coach Guardiola ist der Architekt, der mit scheinbar unbeschränkten Mitteln am Erfolgskonstrukt tüfteln darf – Foto: Franck Fife/AFP via Getty Images

Manchester City hat eine lange und wechselhafte Geschichte, die sich in ein Zeitalter vor und die Jahre nach dem Einstieg der Regierungsfamilie aus Abu Dhabi teilen lässt. Dass City noch nicht immer in diesen Gefilden agierte, zeigt trotz der vier Halbfinalspiele zwischen Real Madrid und Manchester City in den letzten beiden Jahre schon die Tatsache, dass es überhaupt erst zehn Aufeinandertreffen gab (drei Real-Siege Real, drei Unentschieden, vier City-Siege). Im Hier und Heute ist der Klub dennoch ohne Zweifel eine der potentesten Adressen und mit dem Champions-League-Titel 2023 im Gepäck weiterhin das Maß aller Dinge. Auch der Klub-Koeffizient aus der UEFA Fünfjahreswertung verrät, dass Manchester City das wohl aktuell beste Team der Welt ist (Platz eins mit 146.000 Punkten, Real Madrid Platz drei mit 127.000 Punkten). Über den Neu-Reichtum und die Mittelherkunft lässt sich diskutieren, gar streiten, gleiches über das Prinzip der Multi-Club-Ownership oder die aktuellen 115 FFP-Vorwürfe, bei denen die Verantwortlichen möglicherweise nicht so hart durchgreifen wie bei Liga-Konkurrenten. Trotzdem: Das vorhandene Kapital hat gepaart mit einer konsequenten Personalpolitik nachhaltigen Erfolg beschert – wirtschaftlich und längst auch sportlich. Diesen hat Real Madrid auch und nicht erst seit 2008 , das jedoch über einen anderen Weg. Daher wird das Champions-League-Viertelfinale mit Finalcharakter nicht nur das sportliche Non-Plus-Ultra dieser Saison, sondern auch ein Duell gegensätzlicher Philosophien, zumal Real ein Verein ist, der seinen Mitgliedern gehört, keiner Holding-Gesellschaft mit Sportswashing-Geschmack.

0.00 avg. rating (0% score) - 0 votes
von
Christian Graber

Anhänger der Königlichen seit dem bitteren Halbfinalaus in der Champions League-Saison 2001 gegen die Bayern und seitdem Verehrer der Klubphilosophie. Spezifische Kenntnisse des Fußballmarktes in Lateinamerika und bekennender Freund der "Joga-Bonito-Kultur".

Kommentare
egal was von von City hält, aber das Agüerotor damals war so legendär^^
 
Wenn man das so ließt ,konnten sie noch nie mit Geld umgehen ,und verschuldeten sich seit jeher.bis heute machen sie das ja erfolgreich .

Liest sich auf jeden Fall so, nur das man Heute keine Probleme mehr damit hat, da hinten mehr nachgeschoben wird als die Vorne ausgeben könnten.

Mir gefällt das Cäsar Zitat, nicht in Bezug auf City aber Pep hat schon nicht ganz unrecht. Es müssen gewisse Interessen im Fussball Epizentrum herrschen, anders kann ich mir diese ungestraften teils heftigen FFP Verstöße kaum erklären. Wie auch in der Politik ist nichts so wie es scheint. Diese Strippenzieher Dynamik ist mittlerweile Gang und Gebe im Establishment
 
Eine millarde Euro transferdefizit in 10 Jahren ,und die uefa schreitet nicht ein.muss wohl an der Tradition des glorreichen Manchester City liegen………
 
Spielt City nächstes Jahr in der Premier league?
 
Es wird die eines Tages einholen. Und damit meine ich keine nachträgliche FFP-Strade, nein, ich meine dass Pep weiter ziehen wird. Und zwar sobald es einen Moment gibt, wo er realisiert, dass er bei City nicht mehr alle Wünsche erfüllt bekommt, oder wenn er merkt, dass ohne Klopp kein echter Gegner für ihn in der PL wartet ..

Er wird dort nicht ewig bleiben und dann wird es für City so enden wie es begonnen hat. Und auch die Geldgeber werden irgendwann eigene Probleme haben und das Geld rausziehen...
 

Verwandte Artikel

Stadion, Registrierungen, Trikots: Immer mehr Chaos bei Barça

Die Probleme des FC Barcelona reißen einfach nicht ab. Nachdem der katalanische...

USA calling: Weg frei für erstes LaLiga-Spiel im Ausland

Was sich lange angebahnt hat, wird nun tatsächlich konkret: LaLiga-Spiele in den...

Alternative für Williams und Díaz: Barça leiht Rashford aus

Nicht Nico Williams oder Luis Díaz wechselt zum FC Barcelona, sondern Marcus...

Schwarzer Tag bei Barça: erst Nico-Absage, dann UEFA-Strafe

Eigentlich sollte es ab 1. Juli, also zum offiziellen Beginn der neuen...